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REVIEW – SALONE DEL MOBILE & MILAN DESIGN WEEK 2022
Auf der Mittelspur

Vom 7. bis zum 12. Juni 2022 fand dieses Jahr der Salone del Mobile und die Mailänder Designwoche statt. Welche Tendenzen, Kontraste und Fragestellungen hielt das internationale Event für die BesucherInnen bereit? Unser Review.
von Anna Moldenhauer | 13.06.2022

"See the stars again" titelte Flos am Eingang zu seiner Präsentation in der Fabbrica Orobia, nahe der Fondazione Prada. Kuratiert vom Designstudio Calvi Brambilla bot der große Industrieraum ein aufwändig ausgestattetes Refugium, das sinnbildlich für einen Wunsch stand, mit dem viele BesucherInnen des Salone del Mobile und der Mailänder Designwoche in die Stadt gekommen waren: Oasen finden in diesen unsicheren und herausfordernden Zeiten, in denen das Wiedersehen, die Kreativität und die Inspiration gefeiert werden können. Bereits der Start der 60igsten Ausgabe der internationalen Möbelmesse im Teatro alla Scala mit einem Konzert des Philharmonischen Orchesters unter der Leitung von Frédéric Chaslin und einem Ballett von Roberto Bolle war besonders. Auf der Entdeckungsreise quer durch die Stadt und dank des Juni-Termins bei ungewohnt hochsommerlichen Temperaturen, fanden sich im Anschluss viele liebevoll gestaltete Kulissen: sei es der "Giardino Segreto" von Ames, in dem man auf dem neuen "Cartagenas Reina Chair" von Sebastian Herkner Platz nehmen durfte oder der "Circolo Thonet", ebenfalls aus Herkners Feder, wofür dieser auf einem Karussell in den historischen Räumlichkeiten der Bibliothek Circolo Filologico die Designklassiker des Herstellers im Verbund mit den Neuheiten inszenierte. Auch begeisterte die floral geschmückte Installation von Walter Knoll und der Ippolito Fleitz Group, inklusive einer schwerelosen Installation der Künstlerin Janet Echelman. Bei Jung und Pulpo wurde es dann clubbig: Pulpo verwandelte die Räume einer ehemaligen Bank mit Lichteffekten, Kunstnebel und Neonglas zu einer einzigartigen Kulisse – ein wahres Highlight war dabei der bespielte Tresorraum im Untergeschoss. Jung schaffte mit der Installation "Farbdurst" vom Designbüro raumkontor ein begehbares Moodboard, das mit knalligen Farbkombinationen den Blick auf die funktionalen Details im Raum lenkte: Schalter und Steckdosen. Fantini bot mit der neuen Griffkollektion "Venezia" aus Muranoglas von Matteo Thun, Antonio Rodriguez und Venini eine museale Inszenierung, die die einzigartige Ästhetik des Materials ideal hervorhob.

Laufen stellte die große Wandlungsfähigkeit seines Showrooms einmal mehr unter Beweis und schuf in Kooperation mit Studio Lys eine Bühne für die Weiterentwicklung der Kollektion "Il Bagno Alessi" von Stefano Giovannoni. Dank moderner Saphirkeramik ist diese zum 20jährigen Jubiläum deutlich erschlankt. Zudem wurde sie ergänzt um Badmöbel aus Holz, kunstvolle Keramikplatten von Monique Baumann und eine individuell steuerbare LED-Beleuchtung. Angelehnt waren die dynamischen Perspektiven im Showroom an das Werk des Architekten Claude Parent, weshalb die rote Bühne schräg und vor einem großen Spiegel positioniert wurde. Digitale Landschaften von Snøhetta, in die verschiedene Produkte eingebettet waren, rundeten die Installation ab. Im Hof des Gebäudes durfte das klimafreundliche WC "Lunar Lander" vom Wiener Designbüro EOOS erkundet werden. UniFor stellte vor und in einem Gebäude von Herzog & de Meuron indes die von OMA entworfene Büromöbelkollektion "Principles" vor, mit der sich offene Büroflächen flexibel ausstatten lassen. Entwickelt wurde das System ursprünglich für den Neubau des Axel Springer Verlags in Berlin. Brunner präsentierte mit "mudra" einen Universalstuhl von Stefan Diez, der die formalen und ökologischen Möglichkeiten der Formholztechnologie in die Gegenwart holt. Cassina zeigte darüber hinaus die Kollektion "Modular Imagination" des kürzlich verstorbenen Designers Virgil Abloh, die es ermöglicht, Quader in zwei Größen zu individuellen Sitz- und Ablageflächen zu kombinieren. ClassiCon besann sich derweil auf eine kreative Größe des frühen 20. Jahrhunderts und kreierte als begehbare 1:1 Installation den Master Bedroom von Eileen Gray, den diese einst für ihr Haus E.1027 entwarf. Kuratiert wurde das Projekt von Peter Adam, Carolina Leite und Professor Wilfried Wang, der durch die Ausstellung führte. Ein weiteres Highlight war die Rekonstruktion der Möbelentwürfe des Schweizer Architekten Peter Zumthor seitens des Unternehmens Time & Style: Ursprünglich von ihm für das eigene Atelier und seine architektonischen Projekte erdacht, wurden ausgesuchte Möbel nun mit japanischen Materialien und Fertigungstechniken realisiert. Sehenswerte Einblicke in die Forschung gewährten auch der AMDL Circle und Michele De Lucchi zu den "Satellite Stations", aktuellen Architekturen und der Kollektion der Produzione Privata.

Das Erlebnis stand bei vielen der aufwändigen Showrooms im Vordergrund, für das die Produkte in die jeweilige Szenographie harmonisch integriert waren. Einen radikal mutigen Schritt ging BMW: Für das "House of BMW" kuratierte Mike Meiré gemeinsam mit Rushemy Botter, Claudia Rafael und Anna Deller-Yee einen Raum, in dem die technologische Entwicklung, Digitalisierung und Zirkularität thematisiert wurden, ohne eine automobile Designstudie in Lebensgröße zu präsentieren. Meiré schuf stattdessen einen poppig gestalteten Raum für Installationen, Performances, Workshops und Gesprächsformate. Das nachhaltige Visionsfahrzeug "i Vision Circular" von BMW wurde dort kurzerhand in eine abstrakte Skulptur übersetzt, gefertigt von einem 3D-Drucker. Armaturen- und Duschsystemhersteller Graff verzichtete gleich ganz auf einen eigenen Raum und stellte die neue "Vignola"-Kollektion im Café des ADI Design Museum aus, was den BesucherInnen die Gelegenheit bot, den Ausflug in die Designgeschichte und -gegenwart miteinander zu verbinden.

Auch das kulinarische Erlebnis kam auf der Mailänder Designwoche nicht zu kurz: Die Installation "A Statement of Form" von Gaggenau im Glaspavillon der Villa Necchi Campiglio, die mit Marmormeister Salvatori und Keramikspezialist Kaufmann entstand, wurde dank dem Live-Cooking von Drei-Sterne-Koch Christian Jürgens zu einem beliebten Treffpunkt, in dem die Küchengeräte direkt in Aktion erlebt werden konnten. Eine herausragende Schau schuf wie erwartet Hermès: Zur Produktpräsentation dienten in diesem Jahr vier meterhohe Wassertürme, gefertigt aus einer leichten Holzstruktur und ummantelt mit Farbpapier, welches von innen zum Strahlen gebracht wurde. Wie variantenreich Beleuchtung sein kann, unterstrich Occhio indes mit der neuen Tisch- und Leseleuchten-Serie "Mito gioia", die aus der Feder von Gründer Axel Meise selbst stammt. Parallel dazu ließ der Leuchtenhersteller im Durchgang zum lauschigen Innenhof eine "elektrifizierte" Version der "Mito cosmo" eindrucksvoll aus der Decke fahren. Sehenswert waren auch die clusterförmigen Installationen von Lodes in Form der Kollektion "Volum" von Snøhetta, deren Licht gleichmäßig in alle Richtungen strahlt und so eine sanfte, wie einheitliche Atmosphäre schaffte oder der minimalistischen, ringförmigen Pendelleuchte "Ivy" von Architekt Vittorio Massimo. In derart entspannter Kulisse nahm man sich gerne ein paar Minuten länger Zeit, um die Produktneuheiten zu entdecken. Und diese waren durchaus zahlreich, denn pandemiebedingt war die Möglichkeit zur Präsentation für die Unternehmen und Kreativen in den letzten Jahren rar. Erhielt man sonst auf die Frage, welche Modelle neu im Showroom sind, meist eine einstellige Anzahl genannt, lautete die Reaktion dieses Mal oft: "Alle".

Forschung und Praxis

Während Leichtigkeit, Genuss, Freude an der Begegnung und die Lust auf neue Produkte bei den Showrooms der HerstellerInnen im Vordergrund standen, boten die experimentellen Plattformen in der Stadt den Blick auf die Forschung für eine nachhaltigere Produktion wie etwa die Nutzung von industriellen Abfallstoffen. StudentInnen der ETH Zürich zeigten im "House of Switzerland" unter anderem gegossene Wandelemente aus Flugasche und 3D-gedruckte Stahlschaumstoffe, die zur Beseitigung von Rohölverschmutzungen im Meer verwendet werden können. Mit "Wastematter" stellte Studio Niederhauser eine Forschung vor, die den Malzrückstand der Bierbrauereien nutzt, um ein robustes Material zu formen, das Sperrholz oder Spanplatten ersetzen könnte. Parallel bespielten Beyond Space und die Organisation in Design für die neue Certosa-Initiative 10.000 Quadratmeter eines ehemaligen Industriekomplexes und boten auf der Fläche zahlreiche Anreize. Wie seitens des DesignerInnen-Kollektiv Envisions, das an einem Recyclinggarn aus Textilabfällen arbeitet, welches den höchsten industriellen Standards entsprechen soll.

Auch die Frage, ob Produktdesign zur Kontrolle über die eigenen digitalen Daten beitragen kann, wurde von StudentInnen aufgegriffen, wie von der Domus Academy in Form der "Data Cleaning Rooms" – Räume, in denen die mit mobilen Endgeräten verknüpften Daten visualisiert werden können, um sie besser zu verwalten. Ebenso sollen sie Werkzeuge bieten, um den digitalen Fußabdruck abzusichern. Mit "Avoid" bot die Muthesius University of Fine Arts and Design aus Kiel einen Kapuzenpullover und eine Bauchtasche von Anna Ulmer aus Kupferabschirmungsmaterial, das sowohl vor Gesichtserkennung schützt als auch RFID-, NFC-, Wifi-, Bluetooth- und Radiowellen blockiert. Ergänzt werden die smarten Textilien von einem integrierten Störsender, der das Abhören der mobilen Geräte verhindert. Der Wunsch offline zu sein auf der einen Seite, die Nutzung des virtuellen Raums zur Information und Unterhaltung auf der anderen: Wie im "The Impossible Showroom" von Studierenden der Genfer Haute école d'art et de design, in dem Möbelklassiker von Schweizer DesignerInnen in abstrakter Darstellung über VR-Brillen erkundet werden konnten.

Auf der Plattform Alcova, dem Gelände des Centro Ospedaliero Militare di Baggio, wurde nach der Premiere im letzten Jahr ein weiterer Abschnitt für die Dauer der Mailänder Designwoche der Öffentlichkeit freigegeben: Das Projekt von Valentina Ciuffi und Joseph Grima bot verteilt über vier leerstehende Gebäude wie auf dem weitläufigen, parkähnlichen Gelände viel Raum für kreative Experimente. Ebenso konnte in der einzigartigen Kulisse die Produktpräsentation von HerstellerInnen wie Nomad, Zeitraum und Laufen erkundet werden. SolidNature präsentierte zum Beispiel mit "Monumental Wonders" in Zusammenarbeit mit OMA und Sabine Marcelis eine eindrucksvolle Installation aus Wohnelementen, wie ein freistehendes Badezimmer aus rosafarbenem Onyx. David Pompa schuf zudem röhrenförmige Leuchtenkörper aus Vulkangestein. Anhand der zahlreichen Präsentationen abseits des Messegeländes zeichneten sich bereits die aktuellen Trends des Interior Designs ab, denen man auch auf dem Salone del Mobile begegnete: Voluminöse Polster, altarhafte Tische und archetypische Hocker, Sessel mit hohen Rückenlehnen, modulare Systeme sowie Outdoormöbel, die in ihrer Ästhetik und Verarbeitung kaum noch von Indoor-Modellen zu unterscheiden sind. Viele der Projekte waren dabei interdisziplinär und ließen die Grenzen zwischen Architektur, Design, Kunst und Kunsthandwerk fließend werden. Ein Effekt, der auch anhand der Installationen "You dont want space, you want to fill it" von Matylda Krzykowski und der Ausstellung "Ceci n'est pas un mur" ("Dies ist keine Wand") von Konstantin Grcic in Zusammenarbeit mit der Galleria Giustini/ Stagetti ablesbar war, für die er die zwei limitierten Editionen "Wall" und "Daybed" kreierte. Formale Essenz, größtmögliche Flexibilität und natürliche Authentizität im Material standen mitunter im Kontrast zu maximalem Komfort, massiver Standhaftigkeit und geschützten Rückzugsmöglichkeiten.

Schwieriger Richtungswechsel

Auf dem Salone del Mobile hatte man bei vielen AusstellerInnen den Eindruck an einer Gabelung zu stehen, in welche Richtung sich die Branche in den nächsten Jahren entwickeln kann und möchte: Nach dem konsequent nachhaltigen Konzept des supersalone von Stefano Boeri im vergangenen Jahr verschwand zwar der Teppich aus den Gängen der Hallen und von vielen Ständen, die Architekturen der etablierten HerstellerInnen für die Produktschau wuchsen allerdings wieder in die gewohnten Breiten und Höhen. Selten war ein Aufbau dabei so nachhaltig wie bei Arper, welcher komplett aus Stoffbahnen bestand. Ein Kompromiss blieb aber auch hier nicht aus, denn die Beschaffenheit des Bodens der Fläche ließ den Teppich einziehen. Trotz der Rückkehr zu den vor der Pandemie gewohnten Dimensionen wussten beim Gang durch die Hallen nur wenige Standkonzepte zu begeistern. Zu den bemerkenswerten gehörten sicher Flexform, Rolf Benz und Tucci, die mit zahlreichen Pflanzen und einer geschützten Atmosphäre den Eindruck von Gärten und Terrassen schufen, während Pedrali, Sancal, Magis und Fermob Farbgefühl und viel Liebe zum Detail bewiesen. Axor kreierte aufwändige Mini-Welten, die nicht nur das Thema der Produkte ideal widerspiegelten, sondern auch die jeweilige Gestaltung der Armaturen abstrakt aufgriffen. Das allerdings auch einfache Mittel effektiv sein können, veranschaulichte Very Wood: Schlagwörter wie "Funktionalität" oder "Flexibilität" und die Namen der DesignerInnen der aktuellen Kollektion hingen auf Plexiglasscheiben gedruckt hintereinander versetzt über dem Stand und kreierten so einen optischen Sog auf der Fläche. Mattiazzi spannte einen Einblick aus der Fertigung über die komplette Wand und gab den BesucherInnen so das Gefühl optisch in diese eintauchen zu können. Der neue Artistic Director Giuseppe Bavuso von Lapalma setzte zudem auf eine überraschende Konzeptveränderung mit der Abkehr von der bislang eher abgedunkelten, kühlen Präsentation hin zu einer hellen, harmonischen und warmen Büro- und Wohnatmosphäre. E15 griff nicht nur das Material Onyx für eine einzigartige Version des Beistelltischs "Tore" von David Thulstrup auf, sondern zeigte unter anderem mit "Ilma" von Jonas Lutz einen Loungesessel aus Holz und Leder in Perfektion, für den dieser die klassische Typologie eines Sling Chairs interpretiert hat.

Mit Blick auf die Trends boten unter anderem der "Bow Coffee Table No. 6" von Guilherme Torres für ClassiCon, "Mellow" von Bonaldo, "Ukiyo" von Monica Armani für Tribu, "Ghia" von Altherr Désile Park für Arper oder "Materic" von Piero Lissoni für Porro archetypische Tische mit einer massiven Basis, beispielsweise in Form eines Kegelstumpfs. Gefertigt wurden die eindrucksvollen Platten dabei meist aus Marmor oder Onyx. Große Sitzlandschaften ohne sichtbare Füße und große Polster fanden sich unter anderem in Form von "Jeff" von Patrick Norguet für Pedrali, "Duo Maxi" von Rafa Garcia für Sancal oder als Re-Edition von "Le Bambole" von Mario Bellini für B&B Italia. Wie ausgereift flexible Arbeitsplatzsysteme mittlerweile sein können, zeigte Fantoni in Zusammenarbeit mit Gensler anhand der Kollektion "Atelier": Ausgehend vom Bücherregal lassen sich Tische, Schränke oder mobile Pinnwände auf Rollen flexibel hier frei positionieren und Räume abgrenzen. Auf dem matten Finish sind zudem keine Fingerabdrücke sichtbar. Die Essenz eines Tisches präsentierte der Architekt Peter Kunz für Arper mit "Onemm", dessen Platte aus nur ein Millimeter dünnem, gefalteten Stahlblech gefertigt wird. Die Füße in zwei Höhen und aus Eiche oder Stahl können jederzeit ausgetauscht werden. Bestehend aus nur fünf flach verpackten Komponenten ist auch eine ressourcenschonende Logistik gegeben. Das Kunz den Tisch bis in die Details durchdacht hat, zeigt sich bereits an dem angenehm dumpfen Klang, wenn etwas auf der Tischplatte abgestellt wird.

Pedrali at the Salone del Mobile 2022

Zwei der interessantesten Bereiche auf dem Salone del Mobile waren darüber hinaus die 23. Ausgabe des SaloneSatellite und die Installation "Design with Nature". Gründerin und Kuratorin Marva Griffin bereitete nach der pandemiebedingten Pause des SaloneSatellite in diesem Jahr den JungdesignerInnen ein besonderes Geschenk und schuf mit ihrem Team in den Hallen eins und drei in prominenter Lage eine großzügige Fläche für Produktpräsentationen, Vorträge und den Austausch zwischen den Disziplinen. Unter dem Motto "Designing for our Future Selves / Designing for Our Tomorrows’" zeigten neben zahlreichen Materialexperimenten und Produktprototypen viele der Produkte bereits eine professionelle Fertigung, die ohne Weiteres in eine größere Produktion übertragen werden könnte: Wie der ausfahrbare Tisch "Orca" von Carina Deuschl, das prächtige Holzhandwerk für den "s/m-w" Tisch von Anna Arpa, die flexiblen Teleskop-Tischleuchten "Tara" von Simon Schmitz oder die "Miami" Outdoorkollektion von Florestan Schuberth und Janis Fromm für Studio Marfa.

Produkte für den Alltag neu zu denken, stand bei den jungen DesignerInnen ebenso hoch in Kurs, wie mit diesen eine neue Balance aus Funktion, Komfort, Nachhaltigkeit und Ästhetik zu schaffen. Einen Stuhl aus Eichenholz, Wolle und Baumwolle dessen Sitzfläche auf drei verschiedene Höhen und in drei verschiedene Winkel eingestellt werden kann, bot zum Beispiel das Projekt "No-More-Less" von Francesco Feltrin und Francisco Rojas Miranda. Den 11. Salone Satellite Award gewann die Designerin Lani Adeoye mit "RemX", einem Prototyp für eine Gehhilfe aus nachhaltigen Materialien, welches das medizinische Produkt von seiner klinischen Ästhetik befreit. Parallel stellte die SOS-School of Sustainability von Mario Cucinella auf dem SaloneSatellite bereits einen Link zu der mit ihm entwickelten Installation "Design with nature" her: Diese gab in Halle 15 in Form eines Ökosystems auf 1.400 Quadratmetern Anstöße zum Nachdenken über eine nachhaltigere Zukunft der Design- und Architekturpraxis – wie in Form des Urban Mining sowie einer entsprechenden Weiterentwicklung des Wohnraums und dem Einfluss unserer Lebensweise auf einen positiven ökologischen Wandel. Darüber hinaus kehrte das S.Project mit 116 AusstellerInnen auf den Salone del Mobile zurück.

Testlauf für die Zukunft

Was bleibt nun vom Salone del Mobile und der Mailänder Designwoche 2022 als Fazit? Es wirkt, als seien Kreative und die Industrie nach den Wirren der Pandemie und den vermehrt spürbaren Auswirkungen der Klimakrise sowie angesichts des anhaltenden Krieges in der Ukraine bei vielen Fragestellungen unserer Zeit auf der Suche, welcher Weg nun der richtige ist. Sie testen die Grenzen von Material, Funktion und Konzepten für einen ganzheitlichen Ansatz, der sowohl ökologisch wie ökonomisch sein kann und die menschlichen Bedürfnisse an Design in diesen Umbruchzeiten miteinbezieht. Klare Lösungen gibt es dabei noch wenige, dafür aber viele spannende Ansätze, die es lohnt, engagiert weiter zu verfolgen. Nach dem schnellen Spurwechsel im letzten Jahr ist der anhaltende Umschwung auf ein durchweg nachhaltiges Konzept für viele HerstellerInnen wie für den Salone del Mobile noch nicht in der Gänze umsetzbar, aber von der mittleren Spur zwischen Gestern und Morgen setzt sich der Blinker gen Zukunft langfristig sicher leichter. Klar ablesbar war die Erkenntnis, dass der interdisziplinäre und persönliche Austausch für die Entwicklung der Branche von immenser Bedeutung ist. Digitale Räume zur Kommunikation und Präsentation sind zeitsparend und helfen bei der Vermittlung. Für das gemeinsame Wachstum braucht es aber weiterhin reale Plattformen wie den Salone del Mobile, den SaloneSatellite und die Mailänder Designwoche, auf denen zur Optik auch die Haptik der Produkte erfahren werden kann und neben dem fokussierten Brainstorming auch die zufällige Inspiration möglich ist.

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