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REVIEW – SALONE DEL MOBILE & MILAN DESIGN WEEK 2023
Zurück in die Zukunft

Was braucht eine Fachmesse wie der Salone del Mobile.Milano in unserer heutigen Zeit um Unternehmen wie Gäste gleichermaßen zu begeistern? Mit welchen Konzepten reagieren die Kreativen der Milan Design Week auf die strukturellen Veränderungen, die die Branche in den letzten vier Jahren durchlaufen hat? Unser Review.
von Anna Moldenhauer | 24.04.2023

Wenn eine Möbelmesse auf die drängenden Fragen der Branche eine umfassende Antwort geben kann, dann ist es die internationale Leitmesse für die Einrichtungs- und Designbranche, der Salone del Mobile.Milano. Zurück im traditionellen April als Veranstaltungsmonat, präsentierte das Team unter der Leitung von Präsidentin Maria Porro vom 18. bis zum 23. April 2023 das diesjährige Ergebnis: Die Ausstellungen auf der unteren Ebene wurden kompakt gebündelt, was den zahlreichen BesucherInnen die Wege deutlich verkürzte. Ebenso erfuhr das Layout für die Lichtbiennale Euroluce, die seit 2019 pandemiebedingt nicht mehr stattfinden konnte, seitens Studio Lombardini22 eine Veränderung – zugunsten einer dynamischen, offenen Struktur, mit jeweils kompakten Ständen aus Sperrholz und einer freien Wegeführung, die den BesucherInnen mit Plätzen und Gassen viele Möglichkeiten bot, sich durch die Hallen zu bewegen. Das forschungsbasierte Designstudio Formafantasma hatte für die Ausstellung zudem modulare Architekturen entworfen, in denen unter anderem ausgewählte Arbeiten der ArchitektInnen und DesignerInnen Nanda Vigo und Umberto Riva gezeigt wurden. Eine ideale Kulisse für das umfangreiche Talk-Programm bot ihre Arena "Aurore", eine zentral gelegene Fläche mit wohnlicher Sitz- und Liegelandschaft. Den Gästen gab diese zudem in den Pausen die Option ein atmosphärisches Farbenspektakel zu erleben, das auf großformatigen Bildschirmen an der Decke gezeigt wurde. Neben dem Ausstellungsdesign kreierte Formafantasma ebenso eine kritische Reflektion in Form eines abstrakten Films, der die Verwandlung des Lichts von einem natürlichen Phänomen in eine von Menschen gesteuerte Technik hinterfragt: "'Aurore' ist ein funktionaler Ort und ebenso eine Installation mit einer kritischen Perspektive. Wir thematisieren, wie Design ein Ausdruck von Gerechtigkeit und sozialer, kultureller Entwicklung sein kann, aber auch, wie die Technik zum Werkzeug für das Wirtschaftswachstum wird", so Andrea Trimarchi, einer der beiden Gründer von Formafantasma.

Teil der Euroluce Hallen 13 bis 15 war die Schau des SaloneSatellite unter dem Thema "Design Schools – Universities / Building the (Im)Possible. Process, Progress, Practice". Zu den ausgestellten Produkten und Projekten gehörten unter anderem die eindrucksvollen Holzarbeiten der Designer Hemmo Honkonen und Antrei Hartikainen sowie die Regale und die Sitzbank "Palm" von Aioi Design, welche durch das Stapeln identischer Teile aus Zellstoffform gebildet werden. Die Möbel können so kostengünstig in Massenproduktion hergestellt werden und lassen sich komplett wiederverwerten. Die Konzepte der Studierenden der von Prof. Stefan Diez geleiteten Abteilung Industrial Design der Universität für angewandte Kunst Wien dachten Elemente der Architektur neu, um den ökologischen Fußabdruck des städtischen Lebens zu verringern. Über den ersten Platz des SaloneSatellite Award 2023 durfte sich die Gruppe Honoka freuen: Ausgezeichnet wurde ihr "Tatami Refab Project". In dessen Rahmen nutzen sie traditionelle Tatami-Matten aus Binsengras sowie biologisch abbaubares Harz als Grundlage, um aus diesem mit Hilfe eines 3D-Druckers aktuelle Einrichtungsobjekte wie Möbel oder Leuchten herzustellen. Stylepark hatte die große Ehre zum zweiten Mal Teil der Jury für die Vergabe des SaloneSatellite Awards sein zu dürfen, die diesjährig von der Kuratorin und Autorin Paola Antonelli geleitet wurde. Parallel zeigte die Sonderausstellung "Sate-light. 1998-2022 SaloneSatellite young designers", wie erfolgreich der SaloneSatellite seit seiner Gründung durch Marva Griffin als Sprungbrett für JungdesignerInnen fungiert und reihte eine Vielzahl der Leuchten auf, die von TeilnehmerInnen entworfen sowie in Kooperation mit HerstellerInnen realisiert wurden. Zwischen den Ausstellungen des SaloneSatellite und der Euroluce ergaben sich so thematische Übergänge.

"The City of Lights" lautete das Motto der Lichtbiennale und der große Andrang in den Hallen verdeutlichte einmal mehr, wie sehr diese vom Fachpublikum vermisst wurde und wie hoch allgemein der Bedarf weiterhin ist, das große Angebot des Salone del Mobile.Milano zu nutzen, um sich über den Status quo zu informieren, zu vernetzen und auszutauschen. In diesem Jahr wurde auch die interdisziplinäre Zusammenarbeit in der Branche hervorgehoben: Von den kuratierten Schauen seitens Beppe Finessi bis zu den zahlreichen Talks, die von Annalisa Rosso organisiert wurden, bot die Euroluce ein Kaleidoskop aus Design, Architektur, Kunst, Fotografie, Wissenschaft, Technik und Literatur. Mit einem Bistro und gehobenen Restaurant von Piero Lissoni kam auch die Kulinarik nicht zu kurz.

SaloneSatellite

Zu den eindrucksvollsten neuen Leuchten in diesem Jahr gehört die Hängeleuchte "Cono di Luce" von Ron Arad für Lodes: eine schlanke Kegelstumpfform aus hitzebeständigem Pyrexglas, in dessen Innern eine Leiterplatte mit vielen kleinen LEDs platziert wurde. Um den Entwurf der ersten Zusammenarbeit mit Ron Arad zu realisieren, entwickelte das Team von Lodes eine neuartige Produktionsweise sowie eine elektrische Schaltung mit insgesamt mehr als 200 LED-Chips. Die Leiterplatte (PCB) ist das Ergebnis eines Prozesses mit 33 verschiedenen Schritten: ein Aggregat aus mehreren Lagen Glasfaser und Kupfer für die elektrischen Schaltkreise der LED-Chips, das von Natur aus lichtdurchlässige und matte Bereiche aufweist. Auf einer Glasfaserplatte, die extrem dünn, flexibel und isolierend ist, wird in diesem Zuge eine Kupferbahn verteilt, die als Leiter der elektrischen Polarität fungiert und es den LEDs ermöglicht Licht auszustrahlen. Das strukturierte Design der Leiterplatte prägt so auch die Ästhetik der Leuchte. Flos zeigte mit "Black Flag" von Konstantin Grcic eine auf 3,5 Metern ausziehbare Wandleuchte, die aus einem vertikalen und drei horizontalen Stäben besteht und so konzipiert ist, dass sie im geschlossenen Zustand ein Minimum an Platz einnimmt und im geöffneten Zustand ein Maximum an Beleuchtung bietet. Marset präsentierte mit "Fris" von Joan Gaspar eine Kollektion aus Wand- Decken und Pendelleuchten, dessen Licht dank einer flexiblen Glasröhre in jede beliebige Richtung gedreht werden kann. Das System mit unterschiedlichen Montage- und Aufhängerzubehörteilen ermöglicht es zudem individuelle Lichtstrukturen zu gestalten. ClassiCon bot eine neue Version der "Plissée Pendant Lamp" von Sebastian Herkner als Pendelleuchte, die dank der stofflichen Wirkung des mundgeblasenen Glases wie eine Himmelslaterne anmutet. Zudem stellte das Unternehmen die Tischleuchte "Forma" von Christian Haas vor, der die klassische Schreibtischleuchte der 1940er und 1950er Jahre in eine Version aus Massivholz in Esche oder Nussbaum übersetzt. Der große, leicht geneigte Schirm mit einer eingesetzten satinierten Glasscheibe und einem integrierten, dimmbaren LED-Ring in warmweißer Lichtfarbe sorgt dabei für angenehm blendfreies Licht.

Luceplan präsentierte mit "LIIU" von Vantot ein leichtes wie flexibles Hängelampensystem mit einer Grundstruktur aus elektrifizierten Metallkabeln, die an der Decke verankert sind und durch Gegengewichte in konstanter Spannung gehalten werden. Dank der beiden leichten Arme, die den Leuchtenkopf tragen und an deren Ende sich eine Spirale befindet, können diese an den Seilen befestigt werden. Die Leuchten sind zudem je nach Aufgabe entlang der elektrifizierten Seile in ihrer Position versetzbar. Mit der Verteilung durch einen konischen Diffusor ist die Beleuchtung indes angenehm weich. Yomei zeigte auf seinem Stand in Kooperation mit Ambright und dem Designer Simon Busse die Pendelleuchten "Paris" sowie eine Version mit treppenförmigem Aufbau. Die Modelle vermittelten ideal die große Varianz ihrer Grundlage, die schlanken Korpuse der SparkShapes von Ambright. Martinelli Luce präsentierte die industriell anmutende LED-Pendelleuchte "Dia" von Simon Schmitz aus Glas wie "Infinita" von Marta Sansoni – das zentrales Rohr der Leuchte in drei unterschiedlichen Längen kann mit unterschiedlichen Volumen ausgestattet werden, wie einem Zylinder, einer Scheibe, einer Glocke oder einem Rhomboid. Glas als Material für die Leuchtenkörper und minimalistische, flexible, technisch ausgeklügelte Systeme konnten zahlreich auf der Euroluce, wie in den Showrooms der Leuchtenhersteller auf der Milan Design Week begutachtet werden.

Ausstellungsdesign von Formafantasma für die Euroluce

Im Bereich der Möbel wurde der Ruf nach maximaler Flexibilität in multifunktionalen Flächen und modulare Aufbauten übersetzt: Arper stellte mit "Ralik" von Ichiro Iwasaki ein modulares System mit sechs Sitzkomponenten und abnehmbaren Bezügen in satten Farben vor, welches bestehend aus Pouf, Sitz mit Rückenlehne und Bank viele Elemente bietet, die ohne Werkzeug je nach Bedarf kombiniert oder getrennt werden können. Die Sitzelemente und die dazugehörigen Tische verfügen zudem über Ladestationen. Die Kollektion ist im Sinne der Nachhaltigkeit vollständig zerlegbar sowie besteht durchweg aus nachhaltigen Materialien. Expormim präsentierte mit den Bugholzstuhl "Loop" von Norm Architects einen Entwurf, der bereits bei seiner Einführung das Zeug zum Klassiker hat: Mit kompakter Größe, geschwungener Form und einer angenehm dehnbaren Rückenlehne aus Rattan bietet er einen eleganten Mehrzweckstuhl. Alberto Brogliato und Federico Traverso haben indes für Magis den Massivholzstuhl neu gedacht und ihn mit "Trave" soweit wie möglich reduziert: Als zentrales Element dient ein Balken aus gebogenem Holz, an dem die Stuhlbeine wie zwei Stoffkissen für die Sitz- und Rückenfläche befestigt sind. Sowohl für die Art des Holzes wie den Bezug sind mehrere Ausführungen wählbar. Inspiriert vom klassischen Safari Chair entwickelten Konstantin Grcic und Hella Jongerius für Magis den außergewöhnlichen Sessel "Twain", der einem Sitzmöbel aus 1001Nacht gleicht: Eschenholzspindeln werden von einem Zurrgurt mit Ratsche verbunden und in Spannung gehalten, als Armlehnen fungieren zwei Streifen aus Leder, das chromfrei gegerbt und an den Kanten weiß oder schwarz gefärbt ist. Der textile Teil besteht aus drei Lagen: zwei tragende Tücher für die Sitzfläche und die Rückenlehne, ein Kissen, das als Sitzfläche dient und schließlich eine Decke mit vier ungewöhnlichen Mustern, die Hella Jongerius eigens für das Projekt entworfen hat. Die Rückenlehne kann entsprechend der Sitzposition verändert werden.

Brunner kooperierte erstmals mit atelier oï und präsentierte einen wegweisenden Prototypen aus der Entwicklung des neuen Raumgestalters "foild": Basierend auf einem filigranen Scherengestell und Textilbahnen, kann dieser von einer sehr platzsparenden Ausgangssituation schnell auf die gewünschte Länge ausgezogen werden. Sowohl das Textil wie der Aufbau aus Metall ist individualisierbar – neben unterschiedlichen Stoffen kann das Gestell gerade, sanft gebogen oder in Wellenform gewählt werden. "OTO" ist das Ergebnis der ersten Zusammenarbeit zwischen Mattiazzi und Studio OE, eine Kollektion bestehend aus einem Beistelltisch, zwei Konsolen und einer Bank aus Okoumé-Holz, die in drei Farbausführungen erhältlich ist. Die geradlinige Gestaltung der universell einsetzbaren Objekte wirkt wie eine stützende Erweiterung der Architektur, die durch weiche Kurven einen spannenden Kontrast erfährt. Multifunktional einsetzbar ist auch der Tisch "Anemos" von Pio & Tito Toso für Pedrali, der mit einer klaren architektonischen Form aufwartet: Zwei separate Betonschalten, die sanft gewunden eine natürliche Dynamik bieten, tragen die Tischplatte mühelos. Mit einer matten Oberfläche ist dieser ebenso in der Haptik angenehm.

Beton und Naturstein waren zwei Materialien, die vielmals in überraschenden Strukturen und Stärken zu sehen waren – wie beim Tisch "Tweed Marble" von Garcia Cumini für Zanotta, dessen in zwei Teile getrennte, 20 Millimeter starke Platte aus weißem Striato Olimpico Marmor in Form wie Struktur einem Buchenblatt ähnelt. Antonio Lupi präsentierte fünf Waschbecken in Marmor und Stein, die bisher aus Flumood gefertigt werden: "Tuba", "Ago85", "Simplo85", "Fusto" und "Albume". Atlas Concorde präsentierte in Zusammenarbeit mit Piero Lissoni zum ersten Mal eine Schau auf dem Salone del Mobile.Milano und gab einen umfangreichen Einblick in die Produkte der gesamten Markenfamilie: Von den hochwertigen Keramik- und Feinsteinzeugfliesen von Atlas Concorde über die großformatigen Platten für Einrichtungselemente von Atlas Plan, bis zur Einrichtung von Badezimmern von Atlas Concorde Habitat.

Ein weiterer Schwerpunkt der AusstellerInnen lag auf dem Blick zurück – zu den Wurzeln des eigenen Unternehmens, zur Natur in Form, Farbe und Material, zu einer Gestaltung, die die vermeidliche Sicherheit und Beständigkeit der "guten alten Zeit" ausstrahlt – mit sanften Rundungen bei Tischplatten und Stuhllehnen, bodennahen Sitzmöbeln, filigranen Gestellen und kegelförmigen Füßen. Dazu gehörten zahlreiche Jubiläen: Richard Lampert feierte zum einen das 30jährige Jubiläum, zum anderen den seit 70 Jahren erfolgreichen Entwurf des Eiermann-Tisches. Zanotta zelebrierte mit der farbenfrohen Version "Sciangai 50" das 50jährige Jubiläum des Kleiderständers von DDL-Studio von 1973. Sancal präsentierte anlässlich des 50jährigen Jubiläums eine experimentelle Hommage an den Stil der Memphis-Gruppe und kreierte mit "Bold" einen skulpturalen Tisch von Studiopepe mit unregelmäßigen Umrissen aus den drei Grundgeometrien und einem überdimensionalen Profil. Knoll stellte in einer nachhaltigen Standarchitektur, die einem Haus in Palm Springs ähnelte und komplett demontiert und wiederverwendet werden kann, die "Lissoni Outdoor Collection" von Piero Lissoni aus, der für seine zwei- und dreisitzigen Sofas, Sesseln, Hockern und Couchtischen eine lineare Gestaltung und eine Struktur aus Aluminium wählte. Inspiration bot hierfür der modernistische Stil der historischen Knoll Collection von Richard Schultz aus dem Jahr 1966. Pedrali fokussierte die eigene Ausstellung auf das Motto "#PedraliBacktoNature": "Wir feiern in diesem Jahr unser 60jähriges Bestehen, und unsere Anfänge liegen in der Gestaltung von Außenmöbeln. Wir haben so verschiedene Szenen realisiert, in denen die Outdoor-Elemente mit den Indoor-Elementen in Dialog treten und die Natur stets präsent ist", so Monica Pedrali, CEO von Pedrali. Dazu gehörte auch ein Design von Andrea Pedrali, dem Enkel des Gründers aus der Provinz Bergamo: der Outdoor-Sessel "Narì" greift die Elemente der ersten schmiedeeisernen Gartenstühle aus der Pedrali-Kollektion der 1960er Jahre auf und kombiniert die solide Stahlstruktur mit einem witterungsbeständigen Geflecht aus extrudiertem PVC mit einem Nylonkern, das fächerförmig um die Armlehnen und die Rückenlehne gewickelt ist.

Ein sinnvolles Verknüpfen von bestehenden Ideen mit aktueller Technologie und dem heutigen Bewusstsein für einen nachhaltigen Kreislauf unterstrich auch Paola Lenti mit einem unkonventionellen Flagshipstore in einem ehemaligen Industriekomplex im aufstrebenden Maciachini-Viertel: Auf 4000 Quadratmetern wurden so im Rahmen der Milan Design Week eine Auswahl der Innen- und Außenkollektionen gezeigt. Die offizielle Eröffnung des Showrooms der zukünftig Architektur, Design, Kunst, Gastfreundschaft und Kulinarik zu einem ganzheitlichen Erlebnis verknüpfen soll, ist für Ende des Jahres geplant. Zum aktuellen Portfolio von Paola Lenti gehört so eine Neuauflage der geschwungenen Liege "Linea", eines der ersten Projekte, die Anfang der 2000er aus der Zusammenarbeit zwischen dem Designer Francesco Rota und Paola Lenti entstanden. Das Muster des Bezugs stammt aus den 1990er Jahren, die aktuell eine Wiederentdeckung in der Mode wie im Design erfahren. Die aktuelle Sitzmöbel-Serie "Kiori" des Designers hingegen besteht aus Sassafraskernholz und Streifen aus Ulmenkernholz, die verbunden mit einer Korkunterlage elastisch wie robust sind. Ebenso wird ein sanft gekurvter Raumtrenner aus dem natürlichen Materialmix gefertigt. Object Carpet zeigte parallel mit "Mediterraneo" die erste komplett wiederverwertbare, wasserabweisende Innen- und Außenoutdoor-Teppichkollektion von Matteo Thun und Antonio Rodriguez, die aus recyceltem Polyester besteht. Besonders ist auch die Haptik des Teppichs, der trotz seines robusten Charakters eine geschmeidige Oberfläche bietet. Das Recycling der Materialien, die bereits produziert worden sind – eine Arbeitsweise, die erfreulicherweise viele HerstellerInnen und Kreative auf dem Salone del Mobile.Milano und der Milan Design Week proklamierten.

Durchgehend nachhaltige Standarchitekturen boten indes unter anderem Ondaretta mit einem Entwurf von Note Design Studio in dessen Kontext auch die minimalistischen Drehstühle "Supra" aus ihrer Feder mit einer einteiligen Schale aus Spritzguss gezeigt wurden. Für die Sitzmöbel- und Tisch-Kollektion "Ginger" kombinierte Sebastian Herkner für Ondaretta viele Kontraste zu einem harmonischen Gesamtbild – gerundete Formen, voluminöse Polster, klare Metallstrukturen und gebogene Holzschalen. Filigranes Stahlrohrgestell, großzügiges Polster: Eine Verbindung, die Hoffmann Kahleyss Design für Freifrau in das Stuhlmodell "Marie" übersetzten. Die Hülle der Rückenschale wird mit einem Reißverschluss verschlossen und mitsamt der Sitzschale auf das Gestell geschraubt. So ist es möglich, den Bezug wechseln zu lassen und der Stuhl kann am Ende seiner Lebensdauer ohne großen Aufwand in seine einzelnen Bestandteile zerlegt werden. Midgard wählte wie auf den Fachmessen zuvor auf eine vorbildlich nachhaltige Präsentation, die in ihrer Klarheit einen musealen Charakter hat. Arper überzeugte erneut mit einer luftigen Standarchitektur aus weißen Stoffbahnen. Unternehmen, die hingegen an der einmalig verwendbaren Auslegeware und dem traditionellen Aufbau von kompletten Wohnszenarien festhielten, unterstrichen zumindest die verwendeten Materialien im Nachgang in der eigenen Produktion wiederzuverwerten. Inwieweit das tatsächlich erfolgt, ist natürlich kaum zu kontrollieren, aber zumindest lässt sich festhalten, dass die stetige und verstärkte Nachfrage nach einer umweltbewussteren Denkweise in den letzten Jahren quer durch die Branche bei den AusstellerInnen Eindruck hinterlassen hat.

Auch die künstlerischen Installationen kamen auf den Messeständen des Salone del Mobile.Milano nicht zu kurz: Cleaf realisierte eine sich um die eigene Achse drehende Schau von Bestetti Associati, Lasvit das atmosphärische Werk "Cloud" von Maxim Velčovský. Driade schaffte mit einem Tunnel in Regenbogenfarben einen Messestand, der pure Lebensfreude ausstrahlte. Bei Fermob durfte man durch eine liebevoll kreierte Mini-Ausstellung wandern, die die Jahreszeiten repräsentierte. Ebenso waren viele der Showrooms auf der Milan Design Week unkonventionell: Laufen unterteilte unter dem Titel "How dare you" das Obergeschoss des eleganten Gebäude in der Via Manzoni in zwei Teile, um sowohl der puren Capsule-Collection "LAUFENXNM3" aus Edelstahl vom Designstudio NM3 wie der Mikrokollektion der Künstlerin Monique Baumann aus Keramik eine Bühne zu bieten, für die drei ihrer Grafiken auf ausgewählte Stücke der Kartell by Laufen Kollektion übertragen und in die Keramikglasur eingebrannt wurden. Cassina tauchte das Untergeschoss des neoklassizistischen Palazzo Broggi komplett in ihre Signaturfarbe Hellrot und präsentierte die Exponate in der Atmosphäre eines Maniac Mansions, die auch dem Filmregisseur Dario Argento gefallen hätte: Kuratiert von Patricia Urquiola und Federica Sala bot "Echoes, 50 Jahre iMaestri" von Designskizzen über Fotografien bis zu den finalen Produkten einen faszinierenden Einblick in den kreativen Prozess der Entwicklung von Ikonen der Gestaltung wie Vico Magistretti, Gio Ponti, Carlo Scarpa, Le Corbusier oder Charles und Ray Eames. Die Aufteilung der Schau in fünf Bereiche orientiert sich an dem Buch "Echoes: Cassina. 50 Years of iMaestri" von Ivan Mietton, das in diesem Jahr erscheinen wird. Fantini stellte mit einer von Piero Lissoni (dank seiner zahlreichen Kooperationen war der italienische Designer eine Hauptfigur der diesjährigen Schauen in Mailand) die Ex.Series-Kollektionen vor: Drei Projekte, die bereits seit einiger Zeit Teil der Boffi-Serie sind und ab 2023 Teil des Aboutwater-Katalogs sein werden, der eine Zusammenarbeit der Marken Boffi und Fantini darstellt: "Pipe" von Marcel Wanders, "Eclipse" von Studiocharlie sowie "Garden" von Piero Lissoni. Die szenografische Installation bot einen verspiegelten Tunnel mit trapezförmigem Querschnitt, der je nach Tageszeit das Sonnenlicht wie die Objekte im Raum vielfach reflektierte. Zanat stellte unter dem Titel "Teatro Zanat: The Art of Creation" handwerkliche Produktionsprozesse im Teatro Litta vor, parallel zu Neuheiten von unter anderem Jean-Marie Massaud, Monica Förster, Sebastian Herkner und Patrick Norguet.

Das Ingo Maurer Design Team ließ den mittelalterlichen Torbogen "Porta Nuova" mit einer Inszenierung aus Licht, Farben und Reflexion erstrahlen und veranschaulichte, wie man mit einfachen Mitteln eine fantastische Atmosphäre voller Freude schaffen kann: Ein gut 30 Meter langer, fluoreszierenden Teppich, wurde durch den Bogen verlegt und über ihm reflektierendes Material gespannt, das die Farben der Umgebung widerspiegelte. Kombiniert mit Livemusik, Köstlichkeiten von Laila und Nadia Gohar aka Gohar World und Sitzgelegenheiten wurde die Installation schnell zum Live-Event. Parallel konnten in sieben Räumen der zwei angrenzenden Nebengebäude des Tores die außergewöhnlichen Leuchten des Herstellers entdeckt werden, wie "pic-a-stic". USM kooperierte mit dem Sozialunternehmen The Skateroom und der Künstlerin Claudia Comte um eine limitierte Kollektion modularer USM Möbel mit dynamischen Schwarz-Weiß Muster und Skateboard-Kunst-Editionen zu gestalten. Ausgestellt wurden diese im legendären Fahrradgeschäft Rossignoli.
Occhio bot unter dem Titel "new horizons – an immersive experience" im Glaspavillon der prächtigen Villa Necchi Campiglio eine multisensorische Produktpräsentation. Unter dem Titel "A Creative's Journey" gab BMW Design Einblicke in den kreativen Gestaltungsprozess – von einer modernen Plastik des Exterieurdesigns des BMW 3.0 CSL aus dem Jahr 1973 bis zu einer Reise durch die verschiedenen Design-Disziplinen anhand Farb- und Materialwelten, Skulpturen, Studien und Exponaten. Teil dessen war die "Phygital Experience", eine interaktive Installation, die das Fahrzeugmodell in eine dynamische Leinwand verwandelt und visualisiert, wie Fahrzeuge in Zukunft auf emotionale und personalisierte Weise mit dem Menschen interagieren. Dedon stellte im lauschigen Garten Senato "Spirit of Design: Inspired by Nature" aus, in dem die Gäste sowohl die Kollektionen wie neue Fasertechnologien erkunden durften. Jung ließ die BesucherInnen mit der Installation "Invisible" in eine abstrahierte Welt der Smart Home Technologie eintauchen, inklusive kostenlosem NFT. Entwickelt wurde die Schau seitens Prof. Tina Kammer von InteriorPark um Unternehmens- und Produktaspekte künstlerisch greifbar zu machen, die sonst nur in Worte gefasst werden können. Dazu kamen viele weitere Eventflächen und interdisziplinäre Ausstellungen, wie die unabhängige Plattform Alcova, die in diesem Jahr einen neuen spannenden Ort aktivierte: das Gebäude des ehemaligen Schlachthof Porta Vittoria in der Via Molise.

Der Salone del Mobile.Milano und die Milan Design Week 2023 kreierten so ein facettenreiches Programm, das inmitten von weltweiten Krisen einen geschützten Raum für Kreativität, Reflektion und Inspiration gewährte. Viele Arbeiten, besonders die der JungdesignerInnen, zeigten mit Blick auf schwindende Ressourcen, Klimawandel und Inflation eine lösungsorientierte Gestaltung. Zu dem stürmischen Drang nach einer nachhaltigen Veränderung mischte sich allerdings in diesem Jahr in Objekte übersetzt auch der Wunsch nach beständiger Sicherheit, nach einer gewohnten Gestaltung, die aus einer vergangenen Zeit stammt und im Rückspiegel leicht romantisiert werden kann. Das etablierte zu feiern ist sicher nicht verkehrt, dennoch bleibt zu wünschen, dass sich nach dem Begehen der Jubiläen der Fokus der Branche wieder nach vorne richtet.