Hauptsache schön?
"Was gut ist, ist schön und was schön ist, ist gut", so die Überzeugung des antiken griechischen Philosophen Platon. Für ihn war Schönheit ein moralischer Wert. Ist diese für uns, mehr als zweitausend Jahre später, noch ein Synonym für Qualität? Und wie definieren wir heute "Schönheit" in Design und Architektur? Das Duo Sagmeister & Walsh hat dem Schönen eine Ausstellung gewidmet. "Sagmeister & Walsh: Beauty" macht nach dem Start im MAK Wien Ende letzten Jahres nun Station im Museum Angewandte Kunst in Frankfurt am Main. Wie schon "The Happy Show", bei der Stefan Sagmeister und Jessica Walsh im Jahr 2016 das Thema "Glück" äußerst vielfältig in Szene setzten, kann man auch "Beauty" kaum auf einen Nenner bringen. Vielmehr wirkt es, als würde die Schau einen Zwischenstand kreativer Recherche dokumentieren: Mittels rund 70 Objektgruppen und sechs Themen ("Was ist Schönheit?", "Die Geschichte der Schönheit", "Im Auge des Betrachters", "Schönheit erleben", "Transformierende Schönheit" und "Contemplating Beauty") wird die Meta-Thematik auf ein interaktives Potpourri heruntergebrochen. Die Beispiele aus psychologischer Ästhetik, aus Geschichte, Philosophie und den Naturwissenschaften sowie Grafik, Produktdesign, Kunst, Architektur und Stadtplanung verbindet dabei das schlichte Credo: Die Schönheit ist Funktion genug. "Mit der Ausstellung im Museum Angewandte Kunst wollen wir beweisen, dass Schönheit in der Architektur und im Design keine Oberflächenstrategie ist, sondern zutiefst im menschlichen Sein wurzelt. Wir möchten einen längst überfälligen Diskurs um Schönheit anstoßen und demonstrieren, dass schöne Werke nicht nur mehr Freude machen, sondern auch viel besser funktionieren.", so Sagmeister & Walsh.
Um diese populistische These zu unterstreichen, werden den Ideen von Architekten wie Le Corbusier, Louis Sullivan oder Adolf Loos, die die Funktion als höchstes Ziel postulierten, jegliche Sinnhaftigkeit abgesprochen. Sagmeister & Walsh finden: Der Funktionalismus hatte katastrophale Auswirkungen auf die Gesellschaft und konnte sich zum Glück nicht durchsetzen. Stattdessen gilt die Formel: Schönheit gleich Lebensqualität. Auf einer Klapptafel zum Thema Architektur und Einheitlichkeit liest man so davon, dass der ehemalige Bauhaus-Schüler Fritz Ertl mit dem Entwurf der Baracken von Ausschwitz die ultimative Absage des Funktionalismus an die Menschlichkeit erdachte. Nebenan zeigt ein kurzer Film von Clemens Gritl in Schwarz-Weiß Le Corbusiers "Plan Voisin" von 1925, der die Vernichtung großer Teile der Pariser Altstadt zugunsten eine urbanistischen Konzeptes vorsah, bei dem Wohnen und Arbeiten streng separiert wurden. Ein Foto präsentiert das Detail einer Schmiedearbeit am Carson Pirie Scott Building in Chicago mit dem Vermerk, der Architekt Louis Sullivan habe zwar den Ausdruck "Die Form folgt der Funktion" geprägt, aber seine eigene Form folge keiner Funktion, sondern würde schlicht existieren. Wie geradlinig das Gebäude in der Gänze gesehen gemäß der Chicagoer Schule wirkt, und dass sich die innere Aufteilung durch eine klare Gliederung auszeichnet, wird nicht erwähnt. Im Schnellschritt durch die Architektur- und Kunstgeschichte erfährt man stattdessen ein wenig über die Wirkung der beiden Weltkriege auf den Sinn für das Schöne in den Künsten. Man darf sich Kaubonbons aus architektonischen Keramikmodellen wie der Wiener Staatsoper im Stil der Neorenaissance nehmen. Fotos und kurze Texte zu Projekten im öffentlichen Raum erklären, wie bunt bemalte Architektur im Stadtbild dem Menschen suggeriert, dass sie dank ihrer Verzierung nun wertvoll und somit schützenswert sei. Man passiert einen prunkvollen Kronleuchter aus Müll von Designer Thierry Jeannot und bemalte Schweinsblasen aus Guatemala, die wohl zeigen sollen, dass die Materialität im Design für ihre ästhetische Wirkung nicht wichtig ist. Anhand von drei unterschiedlich gefertigten Tassen darf auch erspürt werden, ob sich die Herstellungsweise anhand der Haptik zu erkennen gibt. Die Designexponate der ständigen Sammlung haben Sagmeister & Walsh zudem kurzerhand nach rein formalen Gesichtspunkten neu zusammengestellt. Funktion, Qualität oder Komfort wurden dafür nicht hinterfragt.
Angesichts all der kleinen Informationshäppchen, die wie Fast Food für den schnellen Konsum bereitgestellt werden, merkt man: Diese Ausstellung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder Tiefe. Sie beantwortet keine Fragen. Stattdessen stellt sie eine gewagte Hypothese auf, die mit lose aneinandergereihten Details aus den unterschiedlichsten Fächern belegt werden soll. Sagmeister & Walsh bleiben in "Beauty" wie gewohnt an der Oberfläche und laden den Besucher mainstreamtauglich dazu ein, das komplexe Thema der Schönheit spielerisch zu erkunden. Sie stellen vermeintlich Schönem vermeintlich Hässliches gegenüber, provozieren mit generalisierten Aussagen und versuchen zu belegen, wie Schönheit allein uns helfen kann, an Lebensqualität zu gewinnen. Die Ausstellung will "nicht Schönheit definieren, sondern schauen, was sie für uns in der Zukunft bedeuten kann", so Matthias Wagner K, der Direktor des Museums Angewandte Kunst.
Das die Schönheit als einziges Kriterium für Architektur und Design nicht ausreicht, wird indes bereits am Aufgang zur Ausstellung klar. Dort definieren Sagmeister & Walsh in großer Leuchtschrift den Begriff – als eine Kombination aus Form, Farbe, Komposition, Material und Struktur. Ein Puzzleteil allein genügt nun mal nicht, um ein stimmiges Ergebnis zu formen. Und sei es noch so schön.
Sagmeister & Walsh Beauty
Museum Angewandte Kunst
Schaumainkai 17
60594 Frankfurt am Main
11. Mai bis 15. September 2019
Öffnungszeiten:
Dienstag, Donnerstag bis Sonntag 10 bis 18 Uhr
Mittwoch 10 bis 20 Uhr