Münchner Stoff Frühling 2018
Münchner Stoffgeflüster
Der Münchner Stoff Frühling, der seit 21 Jahren jeden März die Crème de la Crème der europäischen "Heimtextiler" an der Isar versammelt, ist ein exklusiver Klub. Ein Showroom-Event, das sich über vier Tage und die ganze Stadt erstreckt und rund 2000 Fachbesucher – Innenarchitekten, Raumausstatter und Möbelhändler – anzieht. Wer hier ausstellen möchte, kann schon einmal ein paar Jahre warten, bis die Macher ihm grünes Licht erteilen.
Ein Unternehmen, das dieses Mal die Runde der insgesamt 33 Aussteller erweitert, ist Backhausen. Vor vier Jahren hat Dr. Louise Kiesling, VW-Aufsichtsrätin und Nichte von Ferdinand Piëch, die in finanzielle Schieflage geratene Weberei aus dem österreichischen Waldviertel gekauft und seitdem rundum neu aufgestellt. Eine Herzensangelegenheit sei das für sie, erklärt Kiesling, die auch einen 20 Prozent-Anteil am Architekturbüro Coop Himmelb(l)au hält und sich als Österreicherin und studierte Modedesignerin besonders für das Firmenarchiv mit Entwürfen von Josef Hoffmann, Otto Wagner und Koloman Moser begeistert. Letzterer steht im Mittelpunkt der aktuellen Kollektion. Die grafischen Musterdrucke in schwarz-weiß sind markante Hervorbringungen des Wiener Jugendstils, den Koloman Moser als Mitbegründer der Wiener Secession und der Wiener Werkstätten entscheidend prägte. Doch auf die Tradition allein will sich Kiesling nicht verlassen, wie die Kooperation mit Mode-Shooting-Star Arthur Arbesser – ebenfalls ein Österreicher – unter Beweis stellt.
Darüber hinaus herrscht Glanz und Coloria auf dem Münchner Stoff Frühling: Die Kollektionen sind ebenso opulent und herausgeputzt wie das Ambiente, in denen sie vorgestellt werden – sei es das Künstlerhaus am Lenbachplatz oder das Prisco-Haus, indem sonst die Mode gastiert. Hier trifft man auf die Spitzenhersteller für Vorhangs- und Polsterbezugsstoffe ebenso, wie auf diejenigen für Teppiche und Wandverkleidungen.
Und für die feinsten Seiden-Damaste der Welt: Während Rubelli auf eine mehr als 150-jährige Tradition zurückblicken kann und selbst in der Gegend um Venedig produziert, ist Dedar als Verleger aktiv und bringt auch die Hermès Home-Kollektion heraus. In den vergangenen Jahren haben beide Marken viel unternommen, ihre traditionellen Damaste zu aktualisieren. Dedar ist da eine Spur weiter, mit neuen Farbstellungen für die Evergreens aus dem Programm und nicht zuletzt mit einer betont progressiven Bildsprache. Rubelli zieht nun nach mit der neuesten Kollektion „In Technicolor“ (alte Stoffe, neue Farben – das Konzept ist bekannt) und einem Trendbuch, an dem der Modefotograf Giovanni Gastel mitgearbeitet hat. Dass es sich hierbei um absolute Luxusgüter handelt, zeigt Rubelli mit „Aurum“, einen mit Goldfäden gewebten Stoff, den die Italiener ursprünglich für das Bolschoi-Theater in Moskau kreiert haben und für den nicht weniger als 500 Kilogramm Gold versponnen wurden.
Neben den Seidenwebstoffen ist Samt das Aushängeschild der beiden Italiener – ein Umstand, der den Marken aktuell sehr zupasskommt, da die Beliebtheit von Samt im Interior Design ungebrochen ist. Rubelli bietet ihn aus Seide (schwer, besonderer Schimmer) oder Baumwolle an, Dedar will mit „Adamo & Eva“ den glänzendsten im Programm haben, dessen besondere Merkmale sein hohes Gewicht und sein geringer Sitzspiegel sein sollen. Beide Marken drehen das Thema weiter, zieren den Samt mit Karomustern (Rubelli) oder wimpernartige Fransendetails (Dedar). Gleich nebenan zeigt Sahco unter dem Titel „Proof“ einen Samt, der durch seine Robustheit überzeugen will: 100.000 Scheuertouren hält er angeblich Stand. Dabei fällt auch immer wieder der Begriff „Martindale“ – ein spezieller Test, bei dem der Samt mit einem vorgegebenen Gewicht gegen einen wollenen Standardstoff gerieben wird. Je höher die „Martindale“-Zahl, desto abriebfester ist er.
Im Showroom von Kvadrat bemüht man sich, den Markenkern aus Textil-Knowhow, Design-Appeal und Gestaltungsqualität zu vermitteln. Die Dänen haben sich in den vergangenen Jahren durch die stringente Ausrichtung an Architektur, Design und Kunst zum Musterschüler der Branche entwickelt. Während die Polsterstoffe bei anderen schwer an den Bügeln hängen, präsentiert Kvadrat sie als zusammengelegte Ministapel auf Regalböden in Augenhöhe. Nur ein Beispiel dafür, was Kvadrat anders macht.
Immer um ein schlüssiges Gesamtkonzept bemüht, hat Kvadrat nun die Teppiche von Danskina und Kinnasand unter dem Markennamen „Kvadrat Rugs“ vereint. „Pieces“ von Isa Glink führt diesen Zusammenschluss besonders schön vor Augen, in dem sie Stücke eines handgewebten Kelims aus Indien (Kinnasand-Kompetenz) mit Teilen von handgeknüpften Teppichen mit persischem und mit tibetischen Knoten (Danskina-Kompetenz) kombiniert. Teppiche, ob geknüpft oder gewebt, stehen auch bei anderen hoch im Kurs: Jab Anstoetz zum Beispiel setzt auf seine neue Kollektion von handgetufteten Stücken aus neuseeländischer Schurwolle in vielen, satten Uni-Farben.
Wolle ist aber nicht mehr nur bei Teppichen oder Polsterbezügen zu finden, sondern auch als Vorhangstoff. Gardinen, die sich warm und flauschig anfühlen wie der Lieblingspullover für den Winter: Bei Christan Fischbacher ist es ein Modell aus Baby-Alpaka, Loro Piana zeigt Modelle in warmen Brauntönen aus Cashmere oder Vicunja – die feinste und teuerste Wolle der Welt. Wie Seide ist übrigens auch Wolle schwer entflammbar und entspricht der B1 Norm der deutschen Brandschutzverordnung für öffentlichen Räume. Nebenbei bemerkt: Auch das Angebot an objekttauglichen Stoffen aus speziellen Kunstfasern und Garnen wie Trevira CS ist deutlich vielfältiger geworden – und viele loben, dass sich diese Stoffe deutlich verbessert hätten, sich natürlicher und geschmeidiger anfühlten.
Die schallabsorbierenden Eigenschaften von Stoff werden derzeit bei vielen Herstellern weiterentwickelt. Bei Création Baumann lässt sich das besonders gut nachvollziehen, wo man zwischen zwei Vorhänge geführt wird, die den Schall bis zu 0.9 aw absorbieren und die Raumakustik deutlich dämmen, genauer gesagt um bis zu 16 Dezibel, so als wäre man in Watte eingepackt. Ist man ja fast auch: Denn bei dem neuen Vorhang „Acoustic Divider Vario“ liegt zwischen zwei Lagen Stoff ein flammhemmendes Molton mit einer Spezialfolie.