Stück für Stück
Terrazzo war schon bei den alten Römern ein beliebtes Material um Oberflächen zu veredeln. Abwechslungsreich und in seiner finalen Optik immer einzigartig, blieb der dekorative Sichtboden lange Zeit gern gesehen, vor allem wenn es darum ging die Paläste der Gutbetuchten mit einem robusten wie besonders leichten Material auszustatten. Welche Bruchstücke in die Basis aus Zement gesetzt wurden, variierte über die Jahrhunderte und je nach Region stark – von Keramik und Marmor bis zum Kiesel. Designer der Memphis-Bewegung brachten für die außergewöhnliche Optik gar Glas ins Spiel. In der Herstellung per Hand recht aufwendig, drängten nach und nach neue Trends wie vorgefertigte Terrazzo-Platten und Beläge aus Teppich, PVC oder Holz den traditionell gefertigten Boden für eine Weile in den Hintergrund.
Dass dieser nun eine neue Blüte erfährt, ist auch Robin Grasby zu verdanken. Der Möbel- und Industriedesigner aus London fertigt seinen Terrazzo namens "Altrock" zum Großteil aus recycelten Materialien der Marmorindustrie, wie Staub, Späne und Bruchstücke. Als Bindemittel dient ihm Harz statt des klassischen Estrichs. Farbpigmente von Schwarz bis zartem Rosé sorgen für ein grafisches Resultat. Für die Versiegelung verwendet der Designer Wachsöl, was dem Terrazzo ein mattes und wasserdichtes Finish verleiht.
Anna Moldenhauer: Robin, was ist das Besondere an "Altrock"?
Robin Grasby: Dank seiner Komponentenmaterialien und seines Herstellungsverfahrens bekommt "Altrock" eine einzigartige Ästhetik. Es ist vielseitig einsetzbar und es gibt nahezu unendliche Farbvarianten, so dass die Oberfläche farblich perfekt an Interieur- und Branding-Elemente angepasst werden kann. Zudem entsteht das Resultat aus Abfällen der Steinindustrie, so dass "Altrock" von Natur aus nachhaltiger ist als viele andere Materialien.
Warum schätzt du den traditionellen Terrazzo?
Robin Grasby: Terrazzo-Oberflächen wie "Altrock" unterscheiden sich in ihrer rohen Schönheit stark von Oberflächenmaterialien wie Granit und Marmor. Marmorplatten tragen viel assoziatives Gepäck: traditionell, auffallend und verbunden mit Begriffen von Luxus und Extravaganz. "Altrock" ist anders – er zeigt immer noch die natürliche Pracht des Marmors, aber auf eine viel frischere, modernere und sehr grafische Weise.
Warum überlässt du die Optik dem Zufall?
Robin Grasby: Die materielle Authentizität ist entscheidend für die Altrock-Ästhetik, die weitgehend durch eine zufällige Anordnung von Bruchsteinen bestimmt wird. Ich könnte die Steine in Form schneiden, aber das Brechen bringt die Materialität und Textur des Marmors als Naturmaterial in den Vordergrund. Ich könnte die Steine auch regelmäßig arrangieren, aber die Entscheidung für eine "chaotische" Anordnung spiegelt die Unvorhersehbarkeit der Verläufe und Fragmentierung der Bruchstücke wider. Oder, um es anders auszudrücken: Ich finde, es sieht schöner aus.
Warum hast du dich entschieden, Farbe ins Spiel zu bringen?
Robin Grasby: Marmor gibt es natürlich in einer Vielzahl von Farben und visuellen Texturen. Die Tatsache, dass das Harzbindemittel so empfindlich auf Pigmentierung reagiert, bedeutet, dass wir auf die natürliche Ästhetik des Steins reagieren können, indem wir verschiedene Farbkombinationen schaffen. "Altrock" bietet daher endlose Möglichkeiten für maßgeschneiderte Farbgebungen, was es für Architekten und Designer sehr attraktiv macht, die individuelle Oberflächen für bestimmte Schemata suchen.
Welche Projekte planst du derzeit?
Robin Grasby: Ich habe gerade 35 Tischplatten für das Provisioners Restaurant im neu eröffneten Dixon Hotel in der London Tower Bridge entworfen. Es gibt eine große Vielfalt an Farben und Texturen zu sehen – das Restaurant ist praktisch eine Altrock-Musterbox. Ich arbeite auch mit einigen anderen Restaurants und Cafés zusammen, sowie mit der Herstellung und Lieferung von maßgeschneiderten Küchenoberflächen für Privathaushalte. Ich hoffe auch, in naher Zukunft eine Möbelserie zu entwickeln.