Clubbing mit allen Sinnen
Linda Pezzei: Cleaf produziert innovative Oberflächen und Lösungen für die Möbelindustrie und den Innenausbau – woher nehmen Sie die Inspiration für Ihre Kollektionen?
Roberto Caspani: Inspiration zu finden, bedeutet für uns Beobachtung, Analyse und Austausch. Wir haben genau im Auge, was um uns herum geschieht und versuchen uns parallel von der Möbelbranche zu distanzieren. Wir bewerten Erkenntnisse, wie Menschen in Innenräumen leben und teilen unsere Gedanken mit den Möbelherstellern und den ArchitektInnen, mit denen wir zusammenarbeiten. Die Inspiration kommt in einem dieser Momente. Es folgt eine Kodifizierung und die Weitergabe an das F&E-Team, das die technische Bewertung vornimmt und mit der Designentwicklung beginnt.
Wie haben sich die Ausrichtung und das Selbstverständnis des Unternehmens seit seiner Gründung 1975 verändert? Und wohin geht die Reise in Zukunft?
Roberto Caspani: Die Leidenschaft für Möbel war eine Konstante im Lauf der Zeit, ich würde sagen, sie ist sogar gewachsen. Seit dem Übergang von einem Handels- zu einem Produktionsunternehmen Anfang der 90er Jahre widmet sich unser Engagement der Erforschung von Oberflächen für Möbel und den Innenausbau. Die Produktions- und Forschungsprozesse haben sich dank der technologischen Evolution und den immer avantgardistischeren Wünschen der Möbelhersteller und ArchitektInnen entsprechend weiterentwickelt. In der Gegenwart – und auch in Zukunft – arbeiten wir zudem hart an der Perfektion auf dem Gebiet der Dienstleistung, die immer wichtiger wird, um im globalen Kontext konkurrenzfähig zu bleiben.
Sie arbeiten auch mit anderen Unternehmen wie Egger zusammen – wie wichtig sind solche Kooperationen für Cleaf und wie kommen sie zustande?
Roberto Caspani: Die Partnerschaft mit Egger ist weit über das Geschäftliche hinaus eine echte Herzensangelegenheit. Unsere Familien sind seit Jahrzehnten freundschaftlich verbunden: im Sinne der gegenseitigen Wertschätzung haben wir beschlossen, unseren KundInnen durch eine Kooperation die Expertise beider Unternehmen zu bieten. Die Zusammenarbeit begann mit einer Handelspartnerschaft in sechs Ländern und führte schließlich zu einer Minderheitsbeteiligung Eggers von 27,5 Prozent an Cleaf. Es ist ein bereichernder Austausch für beide Seiten und, wie ich meine, auch für unsere KundInnen.
Wie ist die Idee für den Cleaf Club entstanden und welche Rolle spielt der Showroom für den Verkauf?
Roberto Caspani: Die Idee wurde aus der Zeit der Pandemie heraus geboren: Der Clubsektor geriet durch die Zwangsschließung in eine Krise. Unser Ziel war es, den Clubs, dem Epizentrum für Experimente in der Jugend- und Gegenwartskultur, Tribut zu zollen. Orte, an denen es keine Grenzen zwischen Musik, Architektur, Mode und Design gibt. Unsere KundInnen und BesucherInnen haben es zu schätzen gewusst, dass wir das Bedürfnis aufgegriffen haben, das wir alle verspürt haben: wieder in einer entspannten Situation zusammenzukommen, zu tanzen und mit Freunden Spaß zu haben. Unser Ausstellungsraum ist der Ort, an den wir tagtäglich unsere PartnerInnen – ArchitektInnen, Möbelhersteller, TischlerInnen, JournalistInnen, StudentInnen – einladen, um ihnen unsere Produkte zu präsentieren und Anregungen für ihre Projekte zu geben. Der Cleaf Club manifestiert den derzeitigen Höhepunkt unserer Angebotspalette.
Campos Costa Arquitetos haben den Cleaf Club im CCube installiert – wie kam es zu der Zusammenarbeit? Was war die Grundidee hinter der Installation und wie spiegeln sich die Cleaf-Materialien darin wider?
Roberto Caspani: Campos Costa Arquitetos sind der Gewinner der ersten Ausgabe von “Shaping Surfaces”, einem Wettbewerb, den wir 2020 ins Leben gerufen haben und der sich an ArchitektInnen weltweit richtet, die Innenräume mit unseren Oberflächen realisiert haben. Campos Costa Arquitetos hatten damals mit dem “Banema Studio Concept Store” in Lissabon gewonnen. Der Innenraum erstreckt sich über eine einzige Etage und wird von einer überraschenden Installation aus unserer Yosemite-Textur bestimmt. Der Preis für die GewinnerInnen besteht stets darin, uns bei der Entwicklung der wichtigsten Projekte des Jahres zu unterstützen: der Gestaltung unseres Unternehmens-Showrooms und des Messestandes auf dem Salone del Mobile. Das Gespräch mit dem Gründer Pedro Campos Costa und seinem Team war fantastisch und sehr bereichernd. Wir haben ihnen das Briefing zum Thema Clubbing gegeben und die ArchitektInnen haben unseren Corporate Showroom in einen Club verwandelt sowie eine neue Präsentation unserer Produkte vorgeschlagen.
Auf welche neuen Produkte können wir uns in diesem Jahr freuen und gibt es ein bestimmtes Thema für 2023?
Roberto Caspani: In den letzten Jahren ist die Tiefe der Texturen nicht mehr der Hauptantrieb, was die Forschungsarbeit für unsere Oberflächen angeht. Natürliche, taktile Empfindungen zu schaffen, steht jetzt im Vordergrund. Im April werden wir auf dem Salone del Mobile in Mailand einige neue Oberflächen vorstellen, die in diese Richtung weisen.
Fünf Fragen an den Architekten Pedro Campos Costa
Linda Pezzei: Sie haben für Cleaf den Cleaf Club im Showroom in Lissone entworfen – was war das Besondere an diesem Projekt und wo lagen die größten Herausforderungen?
Pedro Campos Costa: Wir hatten zwei große Herausforderungen: zum einen den Raum – zu groß und offen – und zum anderen die Funktionalität – zu wirr, um das Produkt zu verstehen. Der Raum motivierte nicht dazu, auf Entdeckungsreise zu gehen, denn schon beim Betreten lag bereits alles offen. Der offene Raum gestaltete sich in der Handhabung gerade bei mehreren gleichzeitig stattfindenden Meetings zudem als schwer zu handhaben. Das Produkt hatte keine klare und sichtbare Ordnung für den Kunden. Zwei Wände zonieren nun den Raum, sie wecken die Neugierde, die Räume dazwischen zu entdecken, und lösen technische Aspekte. Was die Sichtbarkeit der Organisation des Produktes betrifft, haben wir dieses in vier Materialeffekte unterteilt: Stein, Holz, Metall und Stoff. Auf diese Weise gibt es eine Basisorganisation, die den KundInnen und VerkäuferInnen hilft.
Wie haben Sie die Cleaf-Oberflächen konkret in Szene gesetzt?
Pedro Campos Costa: Wir denken, die beste Art etwas zu zeigen, ist die konkrete Anwendung. Wir haben also verschiedene Situationen geschaffen, wie sie auch in Realität aussehen könnten: eine Bar in Holzoptik, eine Toilette in Steinoptik, eine Tanzfläche in Metalloptik und eine Lounge in Stoffoptik. Natürlich ist es immer noch ein Showroom, der letztlich unterschiedliche Materialien zeigen soll.
Was erwartet die BesucherInnen vor Ort? Regt die Installation zur Interaktion an?
Pedro Campos Costa: Die Installation regt zum Entdecken an, zum Erforschen, was sich hinter den Wänden verbirgt und was für ein Raum sich dort befindet, welche Art von Farbe und was für eine Umgebung. Ich würde sagen, dass das Raumerlebnis die stärkste Erfahrung ist – das ist es, was man aus dem Besuch der Installation mitnehmen kann.
Konnten Sie während des Projekts durch die intensive Auseinandersetzung mit den Cleaf-Produkten neue Aspekte entdecken, die Sie in Ihre tägliche Arbeit mitnehmen können?
Pedro Campos Costa: Die Cleaf-Produkte sind sehr interessant in Bezug auf die Bandbreite der Möglichkeiten. Indem man die visuelle Flexibilität der Materialien nutzt, lassen sich viele verschiedene Kombinationen schaffen. Ich denke, dass der Ausstellungsraum einige mögliche Anwendungen deutlich erkennen lässt, obwohl diese sicher endlos sind. Das ist wirklich faszinierend. Obwohl es möglich ist, würde ich persönlich Cleaf nicht für "normale" oder alltägliche Situationen verwenden. Für mich liegt der Reiz der Oberflächen darin, Erfahrungen taktiler und visueller Art zu sammeln.
Wenn Sie den CCUBE im Jahr 2023 noch einmal gestalten könnten: Was wäre Ihr Lieblingsmotto und warum?
Pedro Campos Costa: Gute Frage. Es wäre toll, ein Motto zu wählen, das ein großer Wunsch aller ist: make love not war!
CLEAF CLUB
A project by Cleaf
Corporate showroom and installations by Campos Costa Arquitetos
Via Bottego 15
20851 Lissone MB Italy
Phone: +39 039 2074
Bis 17. März 2023