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The Fluted Emerald, Elgin Cafe, Amritsar, Indien

Moderner Schmelztiegel

Eine Renaissance von Architektur und Design – dieser Anspruch kennzeichnet sowohl den Ehrgeiz als auch den Arbeitsansatz des Studios Renesa aus New Delhi.
von Simone Kraft | 22.06.2023

Entwürfe aus verschiedenen architektonischen Epochen, Ideologien und Konzepten miteinander zu einem großen Ganzen verschmelzen lassen – diesen Ansatz, den das indische Architektur- und Designstudio Renesa bereits in ihrem Namen trägt übersetzt das Team in eindrucksvolle Inneneinrichtungen: zum Beispiel für das "Tin Tin" in Chandigarh. Das Interieur des panasiatischen Restaurants basiert so auf einer geometrischen Mosaikmatrix, die Wände, Portale und verschiedene Oberflächen prägt. Schwungvolle Bögen, konturierte Decken und ein Nebeneinander von festen und leeren Strukturen prägen das Layout und schaffen eine dynamische Atmosphäre. Renesa mit Sitz in Neu-Delhi wurde 2006 von Sanjay Arora gegründet, der nun von seinem Sohn Sanchit Arora als Studioleiter unterstützt wird, nachdem er in Indien, Großbritannien und Italien studiert hat. Zusammen mit einem Team von rund 20 KollegInnen bieten sie in ganz Indien kreative Dienstleistungen in allen Formaten an, von Innenräumen über Wohnprojekte bis hin zu Industriegebäuden. Grundlegend für ihre Arbeit ist das Engagement für soziale und ökologische Nachhaltigkeit. Das Studio ist sich des breiten Spektrums an Umwelten bewusst, in die die Bauindustrie eingreift, und setzt sich für eine sorgfältige Analyse der ökologischen und sozialen Auswirkungen jeder Projektphase ein.

Was sie auszeichnet, ist eine besondere Arbeitsweise. Renesa versucht, traditionelles Handwerk mit modernster digitaler Technologie zu verbinden. "Wir schätzen Innovation mehr als alles andere", sagt Sanchit Arora. "Wenn wir etwas entwerfen, beschränken wir uns nicht auf die Details der Ausführung, sondern konzentrieren uns auf die Schaffung von etwas, das Einfallsreichtum und Identität in sich trägt. Der Prozess fließt vom Papier zum Bildschirm und auf die Website." Eines ihrer jüngsten Projekte, "The Brick Bond" für Jindal Mechno Bricks, New Delhi, ist eine moderne Interpretation eines Ziegelofens. Die Grundidee bestand darin, einen Raum zu schaffen, der sowohl markenspezifisch als auch markenorientiert ist: Der Kunde ist Indiens führende Marke für modulare Ziegel und hat ein berühmtes Erbe seines Handwerks, das weitergeführt werden soll. Der Designimpuls drehte sich um die Konzeptualisierung eines resonanten architektonischen Markenethos", das das vorliegende Erlebniszentrum und die Veranstaltungsorte auf der ganzen Welt definieren könnte. Mit dem Fokus auf den Lebenszyklus eines jeden Ziegels, von seiner irdischen Entstehung bis zu seinem Brennen, wurden die Innenräume als ein zeitgenössisches Eintauchen in die Kammern eines klassischen Ziegelofens interpretiert.

The Brick Bond, Showroom, Jindal Mechno Bricks, New Delhi, Indien
The Brick Bond, Showroom, Jindal Mechno Bricks, New Delhi, Indien
The Brick Bond, Showroom, Jindal Mechno Bricks, New Delhi, Indien

Um diesen Ansatz umzusetzen, arbeiten sie nicht nur mit verschiedenen interdisziplinären Fachleuten zusammen, sondern setzen in ihrem Studio auch bewusst agile Arbeitsmethoden ein. "Wie jeder Designprozess ist auch der unsere eine nicht-lineare, iterative Angelegenheit. In erster Linie geht es darum, sich in die Bedürfnisse der KundInnen einzufühlen und für sie eine visuelle Vorlage zu erstellen, die ihre Gedanken materialisiert", erklärt Sanchit. "Wir arbeiten mit einigen wenigen Themen, zu denen ein Brainstorming durch alle Mitglieder gehört, da die Anfangsphase der Konzeption am wichtigsten ist. Danach leitet ein kleines Team die Umsetzung des Konzepts, wobei die Beiträge der übrigen Mitglieder bis zur letzten Phase berücksichtigt werden. Es gibt keine strikte Trennung der Rollen oder Ränge, jedes Mitglied spielt seine Stärken aus und bleibt bis zur Übernahme an der Arbeit beteiligt. Einige Funktionen werden zur besseren Überwachung einzeln übernommen, aber die Diskussion bleibt für das gesamte Team offen".

Innerhalb ihres Studios initiiert Renesa einen außerordentlich offenen Austausch zwischen Rollen und Disziplinen: Architekten, Landschaftsarchitekten, Innenarchitekten und Grafikdesigner arbeiten zusammen – und wechseln für kurze Zeit die Rollen. Ein Prozess, der mit einem Orchester vergleichbar ist, in dem die Musiker auf den Instrumenten der jeweils anderen proben, um die Herausforderungen und Möglichkeiten der anderen Teile besser zu verstehen. Letztendlich verbessert dieser neue Einblick die kollektive Qualität der Aufführung. Die Umsetzung im Architekturbüro bringt die Kollegen dazu, sich für eine gewisse Zeit aus ihrer Komfortzone herauszubewegen, und ermöglicht es ihnen, andere Aufgaben und Denk- und Arbeitsweisen kennenzulernen.

The Fluted Emerald, Elgin Cafe, Amritsar, Indien
Tin Tin, Restaurant und Bar, Chandigarh, Punjab, Indien

Die Räumlichkeiten von Renesa in Delhi sind entsprechend eingerichtet und folgen den Prinzipien der neuen Arbeit. Die Büros sind nicht hierarchisch aufgebaut, so dass alle MitarbeiterInnen, unabhängig von ihrer Funktion oder ihrem Beruf, in einem offenen Studio ohne festen Arbeitsplatz zusammensitzen können. Alle Schreibtische sind frei wählbar, unter einer einzigen Bedingung: Bevor sie das Büro am Abend verlassen, müssen alle ihren Arbeitsplatz aufräumen. Die Abläufe werden transparenter, was eine große Flexibilität und vor allem die Gleichberechtigung aller Kollegen ermöglicht. Mit diesem Ansatz ist Renesa in Indien sehr erfolgreich und findet auch international immer mehr Anklang.

Während die Anforderungen an Geschäfts- und Gaststättenräume aufgrund der Standardisierung des Marktes weltweit mehr oder weniger gleich sind, unterscheiden sich die Anforderungen an Wohnräume in Indien. "Wir haben eine andere Herangehensweise aufgrund unserer Familienmodule und unseres sozialen Gefüges", erklärt Sanchit. "Was die Ästhetik angeht, ist Indien ein relativ frischer Markt. Ich habe in London und Italien studiert und beobachtet, dass die Modulation der Franchise die Kreativität bei Gastgewerbeprojekten einschränkt. In Indien hingegen, wo wir neue Marken haben, die sich für unerforschte Markenidentitäten entscheiden, haben wir viel Raum für Innovationen."