Was den Anstoß gegeben, das Ganze in Gang gebracht hat, weiß keiner. Es ist ins Rollen gekommen. Also geht es voran, in einer einzigen Stafette, von einem zum anderen: Es rollt ein Reifen, es fällt ein Stuhl, dann zündet eine Lunte, sprüht ein Funke und brennt ein Eimer. Und plötzlich fällt die Leiter, füllt sich die Flasche, kippt die Ebene, rollt der Zylinder, zischt die Rakete – auf dass ein Wagen fahre, ein Brett kippe, sich Stoffe mischen und brodeln – damit alles fließe und sich der Impuls fortzeuge von Ding zu Ding. So muss der Fortschritt selbsttätigen Produzierens wohl aussehen. Und nichts und niemand scheint sich für ein Resultat erwärmen zu können. Nur Aktion und Reaktion zählen. Das Ausgebrannte und Verzehrte, das Tote und Verbrauchte, es bleibt einfach zurück. Was aus ihm wird, ist nicht sichtbar. Unbekümmert stürmt alles weiter und stolpert voran. Es ist ein großer Spaß, aber auch ein chaotisches Fortzeugen durch Verausgabung und Zusammenbrechen, Verglühen und Verschütten, samt Gurgeln und Zischen, Rumpeln und Pfeifen.
Was wir beobachten, wenn wir den „Lauf der Dinge“ verfolgen, den die beiden Schweizer Künstler Peter Fischli und David Weiss – ihr Video machte sie einst zu den Publikumslieblingen der documenta 8 im Jahr 1987 – losgetreten haben, ist ein System, das sich stabilisiert, weil seine Elemente andauernd kollabieren. Eine Feierstunde der Entropie. Aber auch wenn das System lustig anzusehen ist, so ist es doch ein Zwangssystem, eine Kette aus nichts als Systemzwang, weshalb der Betrachter schon bald wie gebannt darauf wartet, dass irgend etwas schiefgeht, die Kette endlich unterbrochen wird, dass es aufhört – endlich. Hat nicht Walter Benjamin davon gesprochen, die Katastrophe bestehe nicht darin, dass sich etwas ändere, sondern darin, dass es immer so weitergeht? Hier geht es immer weiter, in dieser Kette aus Katastrophen. Nur manchmal verlangsamt sich das Geschehen, verhüllt Nebel das Unaufhaltsame, füllt sich ein Blech mit dampfendem Schaum. Dann ruhen Aktion und Blick für einen Moment, und die endlose Verkettung, der nimmer endende Impuls, der von einem zum anderen weitergereicht wird, geht auf in einem Schaumteppich, der ein kurzes Innehalten bewirkt – bevor sich die Aktion von neuem spannt und die Dinge sich nach Gesetzen der Physik und chemischer Reaktionen weiter anstößig fortbewegen.
All das wirkt heiter und improvisiert, handgemacht und störanfällig. Es gewinnt sofort unsere Sympathie, weil der Lauf der Dinge, trotz der Unausweichlichkeit, mit der sich das Geschehen vollzieht, spielerisch und zerbrechlich, jeder Zustand unendlich labil wirkt. Ganz anders in der Werbung, wo der Lauf der Dinge mit fast zwanzig Jahren Verspätung auftaucht. Dass in einem 2003 von der britischen Agentur „Wieden & Kennedy“ produzierten und von Antoine Bardou-Jacquet inszenierten Werbespot für den Honda Accord schamlos auf dem Trittbrett der Kunst gefahren wird, mag man noch großzügig als Homage durchgehen lassen und sich darüber amüsieren, dass der Spot eben nicht in einem Guss entstanden ist, sondern aus rund 600 takes zusammengesetzt ist und angeblich sechs Millionen Dollar Produktionskosten verschlungen hat. Dass man es dem Zweiminutenfilm am Ende aber nicht einmal ansieht, dass er nicht am Computer entstanden ist, und sich das Weiterreichen eines Impulses als klinisch reines Abspulen eines Prinzips vollzieht, verzeiht man ihn nicht. Natürlich hat er trotzdem zahlreiche Preise eingeheimst.
Klar wird im Vergleich aber auch: es hilft nichts, Ideen zu klauen und sie in einen anderen Kontext zu transferieren, an das Spielerische und Improvisierte des künstlerischen Originals reicht all das nicht heran. Die Autoteile, die wie von Geisterhand getrieben dem fertigen Fahrzeug entgegenstreben, das am Ende wie eines seiner Teile von einer Rampe rollt, wirken glatt und kalt, alles scheint beherrschbar und bedarf scheinbar keinerlei Anstrengung, um realisiert zu werden. Es ist also auch keiner Anstrengung wert. Weshalb also sollte man ein Fahrzeug kaufen, das keinerlei Anstrengung bedarf, um in seinen Besitz zu gelangen? Dass die Reifen an einer Stelle eine Rampe hinaufrollen, weil sich in ihrem Inneren ein Gewicht verbirgt, das sich nach erfolgtem Impuls abwärts, und den Reifen folglich aufwärts bewegt, ist da schon die spannendste Entdeckung. Mit Magie hat aber auch das nichts zu tun. Es ist bloßer Effekt.
Diese kleptomanische Form von Redesign verwaltet also nur ihren eigenen Mangel an Originalität. Und was der Spot an Erstaunen produziert, vertraut einzig darauf, dass der, der ihn sieht, das Original nicht kennt. Wo Redesign aber nichts als die Ausbeutung ungenannt bleibender Quellen betreibt, gleicht es dem Verfahren balzender Vögel, die sich mit fremden Federn schmücken, um die eigene Tristesse zu kaschieren.
Da halten wir uns lieber wieder an Fischli und Weiss. Und an einen anderen, nicht minder treffenden und unterhaltsamen Film, in dem sich folgender Dialog findet: „Wie einfach im Grunde alles ist“, brummt der Bär. Worauf die Ratte entgegnet: „Keine verbreitete Ansicht.“ Also verkündet der Bär: „Die armen Verwirrten haben keine Ahnung!“ – „Die Reichen auch nicht“, kontert die Ratte. Oder, wie es am Ende des Werbespots heißt: „Isn’t it nice, when things just work?“