Zeichen der Zeit
Das erste Jahr ist um. Doch noch befinden wir uns am Anfang der Zwanzigerjahre, eine Dekade, die im letzten Jahrhundert viele Namen bekam. Während man sie in Deutschland die "Goldenen Zwanziger" taufte, spricht man in Frankreich, Italien und England von "verrückten" oder gar "brüllenden" Zeiten. Es ist offen, welche Bezeichnungen und Bilder uns später in Erinnerung bleiben werden. 1917 in Lengnau gegründet, beschäftigte Rado, damals noch Schlup & Co., diese und ähnliche Fragen schon früh: Wie beschreibt, interpretiert und gestaltet man die Zeit? Die Antworten überließen sie stets den Kreativen aus Kunst und Design. 1987, kurz vor seinem Tod, schuf Andy Warhol Bilder einer Armbanduhr. Sie zeigen die Rado "Anatom" in typisch quietschbunter Pop-Up-Manier. In Farbe kam auch 2019 die "True Thinline Les CouleursTM Le Corbusier" heraus, eine neunteilige Serie, die die Möglichkeiten der verwendeten Keramik ausreizt und für eine disziplinübergreifende Denke steht. "Rado hat immer außerhalb der Uhrenindustrie nach Inspiration gesucht", so das Unternehmen, das sich mit einer Vielzahl von Designpreisen schmückt und selbst Gestaltungswettbewerbe für den Nachwuchs auslobt.
Eine der Auszeichnungen erhielt das Redesign der "Ceramica", das Konstantin Grcic in 2016 entwarf. Der deutsche Industriedesigner setzte die streng geometrischen Modelle monochrom und minimalistisch um, wahlweise diamantenbesetzt und mit silberfarbenen Details. Wenige Jahre zuvor erschien dieselbe Uhr noch gänzlich dezenter. Während Designer Jasper Morrison den "sportlichen und leicht digitalen Charakter" seiner Uhr betont, sieht Rado darin die 2009 herrschende Rezession. "Die 'R5.5' spiegelt die Zeiten wider, für die sie entwickelt wurde sowie den zurückhaltenden, einfacheren Stil, der sich allmählich durchsetzte", so das Traditionshaus.
Zeit für Neues
Für die Neuauflage der "True Square", rief Rado gleich vier Designer und Designerteams auf den Plan: Formafantasma, YOY, Thukral & Tagra und Tej Chauhan interpretierten das Keramik-Modell mit quadratischem Zifferblatt auf ihre jeweils eigene Art. So unterschiedlich ihre Designs auch sind, sie alle spielen mit Bildern von Zukunft und Vergangenheit. Und machen Lust auf die Dinge, die da kommen.
True Square Undigital
Eine analoge Uhr in digitalem Look war das Ziel von Naoki Ono und Yuki Yamamoto. Damit setzen die Produktdesigner von YOY aus Tokio einen Gegenpol zur immer digitalen werdenden Welt, in der Produkte normalerweise die umgekehrte Entwicklung durchlaufen. Der Clue der komplett in Schwarz gehaltenen Undigital, sind die weißen Zeiger. Sie erinnern an die Anzeigen von Digtaluhren. Damit erlauben sich die jungen, japanischen Gestalter eine humorvolle Interpretation des Rado-Klassikers. In ihrem 2011 gegründeten Studio entwirft das Duo normalerweise Einrichtungsobjekte, Möbel und Leuchten. Auch eine Wanduhr findet man unter ihren Entwürfen. Mit dieser Armbanduhr, deren Gehäuse und Armband aus Keramik gefertigt wird haben sie nun ein Objekt kreeirt, das den Träger*innen ganz nah ist und, laut Yamamoto, ein komfortables Tragegefühl auf der Haut bietet.
True Square Formafantasma
Andrea Trimarchi und Simone Farresin, zwei Absolventen der Design Academy Eindhoven, machten sich schon früh einen Namen mit ungewöhnlichen Materialexperimenten. Als Formafantasma kreierten die beiden in Amsterdam ansässigen Italiener bisher Geschirr aus Lebensmitteln, Leuchten aus Kuhblasen oder Wärmflaschen aus Fischhaut. Für Rado entwarfen sie nun eine Uhr aus Keramik, ein Werkstoff von zentraler Bedeutung bei Rado, der einst in Medizin und der Raumfahrt benutzt wurde, und besondere materielle Qualitäten aufweist: hart, leicht, kratzfest – und in diesem Fall außergewöhnlich elegant. Formell orientiert sich die "True Square Formafantasma" an klassischen Taschenuhren. In der Mitte des für die Serie charakteristischen Zifferblatts mit abgerundeten Ecken befindet sich ein kleines, rundes Fenster, das die Sicht auf die schwarzen Zeiger freigibt. Ein zeitloser Zeitmesser, der durchaus auch als Schmuckstück durchgehen würde.
True Square Tej Chauhan
Designer Tej Chauhan, der schon einmal einen weißen Autoreifen mit Sneaker-Sohle entwarf, erlaubte sich auch in der Zusammenarbeit mit Rado einen ungewöhnlichen Twist. Mit einem Blick auf die "True Square Tej Chauhan" wird man gleichzeitig in die Vergangenheit und die Zukunft katapultiert. "Wir wollten ein Gleichgewicht zwischen etwas Zeitgemäßem und etwas Traditionellem finden", sagt der in London und Helsinki arbeitende Chauhan. Popkultur- und Science-Fiction-Ästhetik lieferten ihm die Inspiration für ein knallgelbes Gehäuse und ein zirkulär gemustertes Zifferblatt mit blauen und roten Details. Während dieses wie alle anderen Entwürfe der Serie in Keramik umgesetzt wurde, strebte Chauhan mit einem weichen, plastischen Textil-Armband ein besonderes taktiles Gefühl an. Ein kleines Fenster auf der Rückseite gibt einen Einblick in das Uhrwerk des Traditionsunternehmens.
True Square Over the Abyss
Eigentlich beschäftigt sich das indische Künstlerduo Thukral & Tagra mit Malerei, Skulptur und Installation. Sie entwickeln detailreiche, surreale Landschaften und Objekte, die völlig losgelöst durch Raum und Zeit zu schweben scheinen und eine Vision der Zukunft darstellen sollen. Das gilt auch für ihren Uhrenentwurf für Rado mit dem Titel "Over the Abyss". Für die Schweizer gestalteten Jiten Thukral und Sumir Tagra, die in Delhi ansässig sind, ein farbiges Zifferblatt mit Motiven aus ihrer laufenden Bilderserie "Dominus Aeries". Mit den Zeigern wollten sie einen Bezug zu den verschiedenen Zeitzonen der Erde herstellen und etwas Einzigartiges in den Moment des Ablesens der Zeit bringen. Daher gaben sie diesen eine sternförmige Optik, die in Bewegung, ständig veränderliche Muster erzeugen. Das soll die Uhr zu einem spielerischen Objekt werden lassen, bei dem es immer wieder Neues zum Entdecken gibt.