RR eins – zwei – sechs. Klingt irgendwie nach Roboter. Ist aber keiner. Wäre Star Wars in Italien statt in Kalifornien entstanden, die Saga wäre nicht nur auf technische Errungenschaften und naives Weltraummärchen programmiert worden. Man stelle sich vor: Achille Castiglioni, Ettore Sottsass und Gaetano Pesce hätten gemeinsam als Filmarchitekten und Ausstatter für einen italienischen Sciencefiction-Film gearbeitet. Nach dem Italo-Western hätte man in Cinecittà den Amerikanern auch noch diese Art des Aufbruchs zur „last frontier“ streitig gemacht. Doch wir schweifen ab, zumal Science-Fiction und Italien nicht trotz, sondern gerade wegen der Futuristi und ihrer Poetisierung der Maschine eine Unmöglichkeit darstellt.
Fest steht: Die RR126 kam für die mit Stars Wars aufgewachsene Generation viel zu früh. Und technoid kommt sie obendrein auch nicht daher. Gestaltet haben den „Radiofonografo“ die Brüder Achille und Pier Giacomo Castiglioni nämlich bereits 1966 für Brionvega. Es handelt sich um eine Hifi-Komplettanlage aus dem Geiste des Pop, die wie ein sympathisches technoides Haustier auf Rollen auftritt. Samt Knopfaugen, halbkreisförmigen Brauen, einer Zahnreihe als Mund – und zwei Ohren mit vielen runden Löchern.
Nach all den bräsigen nussbaumfurnierten Musiktruhen (Ironie: Auch die RR126 gab es in Nussbaum, das allerdings ganz nach Kunststoffunier aussah) und biederen Phonomöbeln der Fünfziger wirkte die RR126 wie ein Eindringling vom „outer space“. Oder eben wie eine Rock-Musik-Revolution im Wohnzimmer, in dem sich damals überhaupt vieles zu verändern begann. Eine solche Anlage war, schon aufgrund ihres Preises, ein Statussymbol und diente besonders den betuchten Ästheten unter den Salon-Revoluzzern zur Distinktion.
Gegründet wurde die Firma Brionvega 1945 in Mailand zunächst unter dem Namen B.P.M. von Giuseppe Brion und dem Ingenieur Pajetta. Bekannt wurde Brionvega vor allem durch seine Zusammenarbeit mit so bekannten Gestaltern wie Mario Bellini, Richard Sapper, Marco Zanuso, den Brüdern Castiglioni und Ettore Sottsass. Was Hifi-Stereo Anlagen, aber auch tragbare Radiogeräte und Fernseher angeht, so muss das Brionvega-Design in seinen besten Zeiten in einem Atemzug mit Firmen wie Braun (mit Hans Gugelot und Dieter Rams), Wega (mit Verner Panton und Hartmut Esslinger) oder Bang&Olufsen (mit Jacob Jensen und David Lewis) genannt werden. Was Frische, Mut, Originalität und eben typisch italienisches Design angeht, kann es allerdings nur Wega – und auch das nur für kurze Zeit – mit Brionvega aufnehmen. Statt, wie Rams es ausgedrückt hat, „Gutes Design ist so wenig Design wie möglich“, wird hier munter und in Farbe gestaltet. Nicht von ungefähr zählen Produkte wie das RadioCubo TS502 von 1963 und die von Richard Sapper und Marco Zanuso entworfenen transportablen Fernseher „Doney“ (1962) und „Algol“ (1964) längst zu den Designklassikern.
Das Glück spielerisch-ironisch und gestalterisch selbstbewusst auftretender Musikmöbel der Unterhaltungselektronik währte freilich nur kurz. Ab Mitte der 1980er Jahre und mit dem Erstarken der japanischen Elektroindustrie kam das Design unter die Räder. Fortan dominierten an die Studiotechnik erinnernde Bausteine, einfache Kisten mit Frontplatte, manchmal noch mit Holzgehäuse. Man wundert sich schon: Viele Hifi-Fans scheinen nur mit den Ohren zu sehen. Auch im High-End-Bereich wird zwar technisch ungeheuer viel investiert, es bleibt aber, ob schwarz oder in Aluminium gebürstet, mit oder ohne Display, im Prinzip bei den, mal besser, mal schlechter gelungenen, aber im Prinzip doch immer gleichen Schuhkartons oder Bauklötzen. Erst in jüngster Zeit ist wieder (etwa mit Firmen wie Geneva) etwas gestalterischer Ehrgeiz in die Branche zurückgekehrt.
Wie anders ist da die wenig zurückhaltende RR126. Es ging den Castiglionis aber auch um Modularisierung. Und: Die RR126 ist ein variables räumliches Objekt, das drei verschiedene Möglichkeiten bot, im Raum aufgestellt zu werden: die Lautsprechern links und rechts, beide huckepack obenauf montiert oder getrennt von der Steuereinheit irgendwo frei und mitten im Raum platziert. Mario Bellini hat das Prinzip 1970 aufgegriffen und – auch für Brionvega – mit der kubischen „Totem RR130“ auf seine eigene Weise interpretiert. Man sieht’s sofort: Damals war schon weniger Pop-Art, dafür aber mehr Minimal art angesagt.
Heute bestehen Maschinen hauptsächlich aus Silizium und verbergen ihre Funktionen in einer Black Box. Meist fehlt ihnen, was Carlo Mollino „die Moralität des Fühlens“ genannt hat. Doch nichts von der Schönheit mechanischer (oder früher elektrischer und elektronischer) Maschinen ist verloren, alles noch vorhanden. Es gäbe noch viele Beispiele zu erwähnen, von der Lambretta bis zur Moto Guzzi, von einem Staubsauger namens „Spalter“ bis zu einer Nähmaschine namens „Mirella“. Wir aber sagen: Ciao, bella macchina, ciao! Arrivederci!
www.brionvega.it
www.fondazioneachillecastiglioni.it
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