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Prof. Karl Leo

Biegsames Licht

Prof. Karl Leo ist Halbleiterphysiker und forscht an der Technischen Universität Dresden mit seinem Team an hocheffizienten OLED-Displays. Seine Forschung und den Status quo der OLED-Technologie erläutert er uns im Interview.
01.03.2022

Anna Moldenhauer: Herr Prof. Leo, Sie forschen seit 1993 an organischen Halbleitern, was ist Ihr Antrieb für dieses Thema?

Prof. Karl Leo: Ich bin Physiker und Grundlagenforscher. Daher wollte ich in erster Linie nicht unbedingt ein Produkt entwerfen. Mein Antrieb entsprang eher der Neugier, organische Halbleiter besser verstehen zu wollen, denn diese zeigen ganz andere Eigenschaften als die klassischen Halbleiter. Die Anwendung von OLED und auch von Solarzellen haben sich en passant ergeben.

Mit dem Unternehmen Novaled, das mittlerweile von Samsung übernommen wurde, konnten Sie sehr erfolgreich Forschung und Markt verknüpfen, was in der Physik nicht häufig passiert. Was war Ihnen dabei wichtig?

Prof. Karl Leo: Wir haben aus der Grundlagenforschung heraus gesehen, dass unsere Erkenntnisse kommerzielle Relevanz haben und im Grunde recht naiv das Unternehmen Novalis gegründet. Trotz holprigem Start hat sich das Projekt sehr gut entwickelt – unsere Technik ist nun international in Milliarden von Elektronikprodukten wie Handys oder Fernsehern integriert. Das passiert nicht so häufig in der Physik. Dafür bedarf es des richtigen Themas, denn in der Forschung gibt es viele Bereiche, die keine unmittelbare Anwendungsrelevanz haben. Außerdem muss bei den ForscherInnen ein Interesse für den Anwendungsbereich vorhanden sein. Das war bei meinem Team aber immer der Fall und deshalb haben wir uns mit unseren Erkenntnissen an die Industrie gewandt.

Sie haben eine OLED Technologie entwickelt, die für mehr Bildhelligkeit, höhere Farbauflösung und bessere Energieeffizienz sorgt. Wie haben Sie das geschafft?

Prof. Karl Leo: Den entscheidenden Punkt den wir beigetragen haben, war die sogenannte Dotierung. Das ist ein simpler Effekt, denn ein Halbleiter ist in reinem Zustand ein schlecht leitendes Material. Anhand von Beimischungen kann man diese Leitfähigkeit aber stark erhöhen. Das war bei Silizium bereits bekannt und ist auch schon seit Jahrzehnten in der Anwendung. Im Kontext der OLED-Forschung wurde es bislang eher kritisch gesehen. Wir haben dann aber in der Forschung herausgefunden, dass dieser Vorgang die Effizienz der Bauelemente massiv verbessert.

Organische Solarzelle

Viele KollegInnen haben Ihre Forschung Ende der 1990er-Jahre eher belächelt. Warum war das so?

Prof. Karl Leo: Ich kam bei der Halbleiterforschung neu dazu – und wenn man von außen kommt, findet man mitunter Lösungsansätze vor, die etablierte ForscherInnen von vorneherein verworfen haben. Auch von Seiten der deutschen Industrie gab es wenig Interesse. Am Ende war es dann die koreanische Industrie, die uns unterstützt hat und mit der wir unsere Forschung zum Erfolg führen konnten.

Was fehlt OLEDs noch, um in der Lichtindustrie zum Standard zu werden?

Prof. Karl Leo: Ein ganz wichtiger Aspekt sind die Kosten, die derzeit noch zu hoch sind. Zudem benötigt die OLED-Technologie als Flächenlichtquelle im Gegensatz zur LED eine gewisse geometrische Größe um einen gewünschten Lichtfluss zu erreichen. Die LED-Leuchten sind im Grunde genommen nur deshalb so günstig, weil man einen winzig kleinen Chip hat, der aber einen großen Lichtfluss erzeugt. Der zweite Faktor ist, dass die Beleuchtungsindustrie weitgehend von Punktquellen ausgeht, die OLED aber eine biegsame Flächenquelle ist und sowohl im Design wie in der Verwendung anders aufgebaut ist. Die OLED kann man nicht als neue Lichtquelle in eine bestehende Fassung einschrauben, sie bedingt neue Konzepte.

Sind Sie der Meinung, dass die OLED die LED langfristig ablösen könnte?

Prof. Karl Leo: Nein, das glaube ich nicht. Man braucht einfach im Alltag des Öfteren Punktlichtquellen und das kann die OLED nicht leisten. In der Automobilbeleuchtung werden OLEDs beispielsweise bereits in den Hecklichtern verbaut, weil dort eine flächige Wirkung gefragt ist. Bei den Frontlichtern hingegen muss ein kontrollierbarer Lichtstrahl erzeugt werden, und dazu ist die OLED das falsche Mittel. Dennoch – die Effizienzen gehen kontinuierlich nach oben und ich denke die allerbesten LEDs werden von der Sättigung bald nicht mehr weit von der OLED entfernt sein.

OLED bietet ein natürliches, blendfreies Licht. Wäre auch eine HCL-Anwendung denkbar?

Prof. Karl Leo: Das ist ein wichtiger Aspekt. Die Qualität des OLED-Lichts ist im Wesentlichen weicher und breiter als die LED-Spektren, was für die Beleuchtung eine wichtige Rolle spielt. Wir haben dazu bereits einige Arbeiten erstellt und gezeigt, dass auch eine flächige Lichtquelle ein großes Spektrum abbilden kann.

OLEDs sind stromsparend, recycelbar und frei von giftigen Substanzen. Inwieweit würden Sie sagen, dass die Technologie ganzheitlich gesehen nachhaltiger ist?

Prof. Karl Leo: Die OLED ist eine natürliche Lichtquelle. Wenn man den Aufbau der OLED aus mehreren Schichten anschaut, bildet die eigentliche organische Schicht eher den kleineren Teil. Der entscheidende Aspekt ist das Substrat, das momentan meist aus Glas ist, aber auch eine recycelte oder recycelbare Kunststofffolie sein könnte. Für den Aufbau einer OLED braucht es sehr wenig Material, da die Schichten sehr dünn sind. Alle Bestandteile können zudem gut recycelt werden.

Die University of Minnesota hat kürzlich mit einem 3-D Drucker ein flexibles OLED-Display gedruckt und möchte dies nun auch Laien ermöglichen. Forschen Sie auch im Bereich des 3-D Drucks?

Prof. Karl Leo: Wir haben vorwiegend an einem Vakuumverfahren gearbeitet, in dem die organischen Materialien unter Temperatur verdampft werden, nah am Standard der Industrie. Natürlich gibt es ein Interesse daran, OLED und weitere organische Bauelemente zu drucken, denn zeitlich und räumlich bietet dieser Vorgang mehr Flexibilität. Allerdings geht das zu Lasten der Lebensdauer der Bauelemente. Ich denke es wird langfristig möglich sein, OLEDs zu drucken, aber die Vorstellung, dass man schnell mal eine OLED aus dem hauseigenen Drucker holt, ist von der Realität noch sehr weit weg.

Die Qualitätssicherung dürfte dann auch schwierig werden.

Prof. Karl Leo: Ja, das ist ein ganz wichtiger Aspekt! Die organischen Materialien sind gegenüber der Luftfeuchtigkeit sehr empfindlich und müssen verkapselt werden. Das ist kein trivialer Vorgang.

RGB OLED

OLEDs reagieren neben der Luftfeuchtigkeit auch empfindlich auf Sauerstoff. Gibt es aus Ihrer Sicht noch Verbesserungsbedarf im Schutz der organischen Elemente?

Prof. Karl Leo: Da hat sich schon viel getan. Als wir angefangen haben, waren Glasverkapselungen der einzige Weg. Heute ist es so, dass man das mit Dünnschichtsystemen wesentlich besser hinbekommt und regelmäßig Displays aus Kunststofffolie macht. Für die Beleuchtung müssten aber noch die Kosten gesenkt werden.

Sie forschen auch im Bereich der Solarzellen, könnte man beide Technologien miteinander verknüpfen?

Prof. Karl Leo: Daran forschen wir bereits einige Jahre: Eine transparente Solarzelle, die tagsüber Energie erzeugt und abends könnte man diese dank der OLED als Lichtquelle betreiben, die das Tageslicht simuliert. Rein physikalisch gesehen ist das möglich, es ist aber ebenfalls eine Kostenfrage. In Bereich der Beleuchtung wäre die Kombination aus Solarzelle und OLED sicher eine sehr attraktive Anwendung.

Ihre Forschung hat international für Aufsehen gesorgt. Warum sind Sie an der Technischen Universität Dresden geblieben?

Prof. Karl Leo: Ich verstehe mich als Grundlagenforscher und da bin ich an der Universität sehr gut aufgehoben. Vor allem an der TU Dresden, da die Region Dresden für Halbleiterelektronik der führende Standort in Europa ist. Zudem ist die Förderung der Forschung seitens der Stadt, dem Land und der EU nicht so leicht zu übertreffen.

Für Ihre Forschung zur Optimierung der OLED-Technologie haben Sie vor allem im letzten Jahr zahlreiche Preise bekommen, unter anderem den Europäischen Erfinderpreis des Jahres 2021 in der Kategorie "Lebenswerk" und als erster deutscher Preisträger den Jan-Rajchman-Preis der Society for Information Display (SID). Woran arbeiten Sie aktuell?

Prof. Karl Leo: Wir arbeiten an unterschiedlichen Projekten und es wäre wünschenswert, dass das ganze Team diese Preise verliehen bekommt, anstatt eine einzelne Person. Aktuell forschen wir sehr intensiv an mehreren großen Themen: an optischen Sensoren und an einem organischen Transistor im Bereich der Polymerelektronik. Außerdem arbeiten wir mit MedizinerInnen zusammen – zum Beispiel um ein organisches Bauelement zu entwickeln, das nach Operationen im Mittelohr eine Zeitlang den Druck messen kann. Dieser Gelatineschnipsel wäre nur etwa zwei Millimeter groß und würde im Ohr verbleiben, um die Körperfunktionen zu überwachen. Die Daten könnten mit entsprechender Elektronik ausgelesen werden und nach dem Ende der Nachkontrolle baut der Körper den bioelektronischen Chip selbst ab. Die Forschung kann so auf vielen Ebenen helfen.

Karl Leo - Weiterentwicklung von organischen Halbleitern