Zukunft studieren
Anna Moldenhauer: Frau Prof. Konopek, Sie leiten an der HBK Essen das Fachgebiet Digitales Produktdesign. Der Bachelorstudiengang wird erst seit kurzem angeboten, was genau erwartet die StudentInnen?
Prof. Aleksandra Konopek: Zu dem klassischen Produktdesignstudium vermitteln wir die virtuelle Darstellung von Produkten, wie in Form von Avataren. Zudem wird ein Fundament in den Bereichen Elektronik und Programmierung angeboten, da reicht die Bandbreite von den grundlegenden Syntax gängiger Programmiersprachen, über die künstliche Intelligenz bis zur Entwicklung erster Funktionsprototypen. Das sind Kenntnisse, die meiner Meinung nach für die ProduktdesignerInnen der Zukunft ganz entscheidend sein werden.
Warum genau?
Prof. Aleksandra Konopek: Immer mehr Produkte erhalten elektronische Komponenten, werden eingepflegt in das "Internet of things", sprich das "Das Internet der Dinge". Ein Sammelbegriff für Technologien, die es ermöglichen, physische und virtuelle Objekte miteinander zu vernetzen und sie somit zusammenarbeiten zu lassen. Je mehr DesignerInnen verstehen, welche Schritte in der Elektrotechnik und Informatik bei der Produktentwicklung nötig sind, umso besser funktioniert die Zusammenarbeit. Zum Beispiel arbeiten bei dem chinesischen Handyhersteller Huawei ProduktdesignerInnen, die auch programmieren können. Die sind sehr gefragt, weil das Verständnis wie elektronische Komponenten in das Produkt eingebettet werden, für die Entwicklung ganz zentral ist. Zudem gibt es den Kreativen die Möglichkeit, bei jedem Schritt der Gestaltung mitwirken zu können.
Abgesehen vom Verständnis für technische Abläufe – warum sollten sich DesignerInnen mit Themen wie der künstlichen Intelligenz aktuell auseinandersetzen?
Prof. Aleksandra Konopek: Die künstliche Intelligenz wird zukünftig bei der Fragestellung mitmischen, was gute Gestaltung ist. Ein Beispiel wäre, das diese in der Produktentwicklung aufzeigt, dass die Mimik des Menschen bei der Nutzung der Form A entspannter ist, als bei der Form B. Die DesignerInnen stehen dann vor der Frage, wer nun das Entscheidungsrecht hat für die Gestaltung. Und darauf müssen wir unseren Nachwuchs vorbereiten. Spannend finde ich parallel die Forschungen im Bereich "Generatives Designs", bei dem das Ergebnis nicht mehr direkt durch die DesignerInnen erzeugt wird, sondern durch einen programmierten Algorithmus. Die Prozesse werden automatisiert, der Entwicklungszyklus verkürzt.
Elektrotechnik, IT – das sind Disziplinen, die nicht gerade den Ruf haben niederschwellig zu sein. Wie kann ich mir die Vermittlung im Studium Digitales Produktdesign vorstellen?
Prof. Aleksandra Konopek: Der Zugang zu neuen Technologien ist einfacher geworden. Bedienerfreundlichkeit und leicht verständliche Tutorials haben Einzug in diese hochspezialisierte ingenieurwissenschaftliche Welt gehalten. Die Bürger als potentielle Innovatoren sind entdeckt worden. Somit öffnen sich auch die Fachbereiche mehr, werden diverser. Das ist eine Erkenntnis, die ich auch während meiner Fortbildung in der FabAcademy des MIT in Boston erfahren durfte und die die Entwicklung des Studiengangs für die HBK Essen mitgeprägt hat. Der Umgang mit neuen Technologien und Forschungen findet in die Studien des Industriedesigns, des Produktdesigns oder auch des Mediendesigns vermehrt Einzug. Wie das Erlernen der Software "Arduino", mit der sich einzelne Bauteile steuern lassen. Das können zum Beispiel Lichtsensoren, LEDs oder Bildschirme sein. Wenn ich den Aufbau verstanden habe, kann ich ihn verändern und der eigenen Gestaltung anpassen.
Sie arbeiten als Industriedesignerin und Professorin für digitales Produktdesign sowohl in den analogen wie den digitalen Disziplinen. Eine Diskussion, die an diesen Grenzen aktuell stark polarisiert, ist der Hype um NFTs, sowohl in der Kunst wie auch im Design. Was halten Sie davon?
Prof. Aleksandra Konopek: Unsere Existenz ist physisch, da wir einen Körper haben, werden wir ohne physische Produkte nicht leben können. Ich finde die Spezialisierung auf digitale Produktavatare durchaus interessant, aber als Zwilling zum analogen Produkt. Da ist eine Visualisierung durchaus hilfreich.
Einige der surrealen Möbelentwürfe werden nun real produziert, wie von Andrés Reisinger in Zusammenarbeit mit Moooi. Sehen sie das als kurzlebigen Trend oder stehen wir am Anfang einer Revolution im Design?
Prof. Aleksandra Konopek: Das Thema ist sehr komplex und hat für mich unterschiedliche Perspektiven. Zum einen wäre da die wahnsinnige Ressourcenverschwendung. Die Energie, die die NFTs und die Kryptowährung verbrauchen, ist aktuell katastrophal hoch. Ein ökologisches Desaster. Auf der anderen Seite sind neue Strömungen in Kunst und Design wichtig, denn sie bedeuten eine Weiterentwicklung unserer Kultur, ein neues Denken. Wenn sich KünstlerInnen und DesignerInnen in diese High-Tech-Bereiche vorwagen, können wir davon auch profitieren, da sie neue Aspekte miteinbringen. Ich halte es für wichtig, offen für neue Entwicklungen zu sein. Wir müssen nur aufpassen, wie wir im Prozess mit unserer Umwelt umgehen.
Die digitalen Werke einzelner Kreativer konnten dank des Hypes in den letzten Wochen in Auktionen utopische Summen erzielen, wie umgerechnet von Kryptowährung in Dollar 512,000 für das NFT digital house von Krista Kim, die Collage von Beeple erreichte den Preis von 69,346,250.00 Dollar, die virtuellen Möbel von Andrés Reisinger wurden für umgerechnet 450,000 Dollar verkauft. Das sind Preise, von denen KünstlerInnen und DesignerInnen die analog produzieren, überwiegend nur träumen können. Wie vermitteln Sie diese Gegensätze den Studierenden im Fachbereich?
Prof. Aleksandra Konopek: Wir befinden uns in einer Zeit des lebenslangen Lernens, Berufe verändern sich mit der Weiterentwicklung der Technologie stetig. Wenn ich dafür offen bin, kann ich die Gesellschaft mitgestalten. Die Frage für die Kreativen ist meiner Meinung nach eher was ihr inneres Anliegen ist – geht es darum während eines Hypes die Nachfrage zu bedienen um schnelle, kurzfristige Bekanntheit zu erlangen? Oder möchten sie die Gesellschaft als Teil der Kulturschaffenden über einen langen Zeitraum aktiv beeinflussen und prägen? Das ist eine Frage, die ich den Studierenden stelle.
Sehen Sie im Hype um NFTs auch eine Gefahr für die Künste?
Prof. Aleksandra Konopek: Gefahr wäre zu viel gesagt, aber es zeigt sich durchaus, dass das Handwerk bei der jungen Generation nicht mehr so stark gefragt ist wie einst. Ich fände es gut, wenn DesignerInnen bereits handwerkliche Erfahrungen oder zumindest ein intrinsisches Interesse mitbringen, bevor sie sich der digitalen Entwicklung widmen. Fehlt der Bezug zum Handwerk, fehlt auch der Sinn für mechanische Bewegungen oder für die Richtigkeit von statischen und fügenden Elementen. Die Gruppierungen aus dem digitalen und analogen Design werden auch in Zukunft zusammenarbeiten müssen, daher ist es gut, wenn man die Perspektive der jeweils anderen Seite versteht.
Gibt es seitens der Studierenden ein Interesse an der Diskussion um NFTs und digitale Objekte?
Prof. Aleksandra Konopek: Nach meiner Erfahrung wird der Hype von den Studierenden durchaus registriert, aber ich habe nicht das Gefühl, das sie diesen auf ihre Arbeit beziehen. Der Studiengang "Digitales Produktdesign" an der HBK bietet als zusätzliche Säule den Themenbereich "Design für Alle", da geht es darum Produkte nicht nur inklusiv zu denken, sondern auch so zu gestalten. Die Studierenden sind in meiner Erfahrung eher an nachhaltigen Lösungen interessiert.
Also im Sinne einer lebensnahen, praktischen Orientierung des digitalen Designs. Aus der Gesellschaft, für die Gesellschaft.
Prof. Aleksandra Konopek: Genau.
Es gibt im Moment vermehrt Experimente für digitale Ausstellungen von Kunst und Design, sei es mit Abbildern der analogen Objekte oder komplett digital kreiert. Sehen Sie die Angebote als zukünftige Ergänzung zu physischen Ausstellungen oder findet da eine Verschiebung der Präsentation ins Digitale statt?
Prof. Aleksandra Konopek: Unsere Sehnsucht nach physischen Veranstaltungen ist nach meiner Einschätzung wahnsinnig groß geworden – gleichzeitig gibt es spannende Entwicklungen im Bereich Augemented Reality und VR. Die Präsentation über einen Bildschirm ist auf Dauer unbefriedigend, Virtual Reality ist da eindrücklicher, denn bei der Rezeption werden laut den aktuellen Forschungen die gleichen Gehirnareale aktiviert, wie bei dem realen Erleben. Ich denke also das beide Angebote der Präsentation in Zukunft Bestand haben werden, physisch und digital.