Im Rausch der Farben
Einzelausstellungen lebender (Produkt-)DesignerInnen in renommierten Museen sind eher eine Ausnahme. Umso mehr freute sich Claudia Caviezel, als sie die Gelegenheit bekam, ihr umfangreiches Werk im Museum für Gestaltung Zürich zu präsentieren. Einige Zeit zuvor hatte Christian Brändle, der Direktor des Museums, sie in ihrem Atelier in St. Gallen besucht, erzählt die 46-jährige. Während die Welt im Corona-Lockdown war, erarbeitete die Schweizer Designerin zusammen mit dem Kurator Damian Fopp das Konzept der Schau, die bewusst nicht chronologisch angelegt ist. "Ich wollte mit der Ausstellung vor allem ein Gefühl vermitteln", sagt Caviezel.
Experimentierfreude
Dass die Designerin Farben, Muster und Texturen liebt, ist nicht zu übersehen. Der rund 300 Quadratmeter große und sehr hohe Ausstellungsraum im Museum für Gestaltung auf dem Toni-Areal ist in intensive Farbtöne getaucht, Blumen und Tiere wabern über die Wände, Fotos sind mit Klebestreifen provisorisch an die Wand gebracht, ein wenig Glamour und Glitter darf auch nicht fehlen. Dass Caviezel beinahe kalte Füße bekommen hätte, weil ihr der Ausstellungsraum damals zu groß und für ihre Arbeiten beinahe unbespielbar erschien, sieht man der Schau nicht an. Dabei wurde der Raum nicht wie für vorherige Ausstellungen unterteilt. Zudem hat Caviezel einige Werke speziell für die Ausstellung geschaffen, wie am Entree des Museums zu sehen. An der Eingangswand der großen Halle der Hochschule für Gestaltung befinden sich riesige Stoffbahnen mit einem abstrakten Muster. Beim Entwerfen des Großformats namens "Calliope" habe ihre vierjährige Tochter mitgeholfen, erzählt sie. Die Designerin liebt es spontan und experimentell zu arbeiten, bewegt sich scheinbar mühelos zwischen traditionellem Handwerk und digitaler Technik.
Caviezels ungewöhnlichen gestalterischen Ideen ist es zu verdanken, dass die Ausstellung so lässig und luftig wirkt. So gibt es ein Regal, das mit Garnspulen gefüllt ist, Sitzbänke aus Teppichrollen und Pappschachteln mit Stoff- und allerlei anderen Proben. Alles kommt aus Caviezels Maisonette-Atelier in ihrem vom Architekturbüro Fuhrimann Hächler gestalteten Haus in St. Gallen, das sie vor fünf Jahren bezogen hat. Auffallend am Ausstellungslayout sind auch die hintereinander aufgereihten großen Tische, die das Auge tief in den Raum hineinführen. Es sind originale Siebdrucktische, die sie in einer Druckerei entdeckt hat, erzählt Caviezel. Für die Schau wurden diese mit Siebdruckrahmen versehen und dienen dort als Vitrinen für Entwürfe, Skizzen und Dokumente. Das Ausstellungsdesign ist damit nachhaltig und "nichts wurde für die Tonne produziert", ergänzt sie.
Von Klebebändern und Kissenschlachten
Die Ausstellung beginnt zeitlich dort, wo der Werdegang der Designerin begann: mit ihrem Diplomprojekt an der Hochschule Luzern – Design & Kunst, für das sie 2003 mit dem Schweizer Designpreis vom Bundesamt für Kultur ausgezeichnet wurde und welches der Startschuss für eine fulminante Karriere war. Die Designerin hatte mit "Tape it" experimentelle Arbeiten entwickelt, in denen geleimte Nähte und Klebeband statt Fäden zum Einsatz kamen. Neben dem dekorativen Effekt waren die Entwürfe für die Anwendung in der Mode ebenso gedacht, wie für den Einsatz im Interiordesign. Der Mode blieb Caviezel in den nachfolgenden Jahren treu. Sie entwarf Stoffe für die Kollektionen des St. Gallener Textilherstellers Jakob Schlaepfer und arbeitete für das Schweizer Modelabel Akris. In den Tischvitrinen sind die Schlaepfer-Entwürfe, wie "Westwood Cats", aus den Prêt-à-porter-Kollektionen 2009 und 2011 von Vivienne Westwood zu sehen. Oder mit "Nebula" ein Entwurf für Akris – ein Dessin, für das sich die Designerin der fotografischen Gestaltungsmethode des Fotogramms bediente, welches auf Licht und Schatten basiert. Neben ihrer Tätigkeit als angestellte Designerin arbeitete Caviezel parallel immer auch als freie Gestalterin, wobei Arbeiten für Atelier Pfister unter der Direktion von Alfredo Häberli entstanden – darunter Vasen, Schalen und Bettwäsche. Dass auch diese ausgesprochen farb- und musterintensiv sind, zeigt in der Ausstellung ein mit Kissen vollgeladener Materialwagen, der zu einer Kissenschlacht einzuladen scheint.
Claudia Caviezel fasste schnell Fuß im Textildesign, auch weil bereits ihre Diplomarbeit viel Aufmerksamkeit erregt hatte und ihr "Tür und Tor öffnete", wie sie sagt. "Ich hatte einfach Glück", so die Designerin und ergänzt, dass das Textildesign sehr facettenreiche Arbeitsmöglichkeiten böte – von der Mode bis zu Architektur und Interiordesign: "Diese Vielfältigkeit fand ich schon immer ziemlich cool."
Claudia Caviezel: Caleidoscope
Bis zum 7. Januar 2024
Museum für Gestaltung Zürich
Toni-Areal
Pfingstweidstrasse 96
8005 Zürich
Öffnungszeiten:
Dienstag–Sonntag 10 bis 17 Uhr
Donnerstag 10 bis 20 Uhr
Montag geschlossen