top
Liu Jiakun

Gebaute Poesie

Liu Jiakun erhält den renommierten Pritzker-Architekturpreis. Mit der 1979 von Jay A. Pritzker und Cindy Pritzker gegründeten Auszeichnung sollen ArchitektInnen geehrt werden, deren Bauwerke eine einzigartige Kombination aus Talent, Vision und Engagement darstellen und mittels der Architektur einen bedeutenden Beitrag für die Menschheit wie die gebaute Umwelt geleistet haben.
10.03.2025

"Architektur sollte etwas offenbaren – sie sollte abstrahieren, destillieren und die inhärenten Eigenschaften der Menschen vor Ort sichtbar machen. Sie hat die Kraft, menschliches Verhalten zu formen und Atmosphären zu schaffen, die ein Gefühl von Gelassenheit und Poesie vermitteln, Mitgefühl und Barmherzigkeit hervorrufen und ein Gefühl der Gemeinschaft fördern.", so Liu Jiakun. Geboren 1956 in Chengdu, Volksrepublik China, startete er 1999 mit seinem Büro Jiakun Architects in die Selbstständigkeit. Sein Werk umfasst bisher mehr als dreißig Projekte, die von akademischen und kulturellen Einrichtungen bis hin zu öffentlichen Räumen, Geschäftsgebäuden und Stadtplanung in ganz China reichen. Zu seinen wichtigsten Bauten zählen aktuell das Uhrenmuseum, Jianchuan Museum Cluster (Chengdu, China, 2007), die Designabteilung des neuen Campus des Sichuan Fine Arts Institute (Chongqing, China, 2006), das Lodging Center of China International Practice Exhibition of Architecture (Nanjing, China, 2012), das Chengdu High-Tech Zone Tianfu Software Park Communication Center (Chengdu, China, 2010) und das Songyang Culture Neighborhood (Lishui, China, 2020).

Mit seiner Architektur greift Liu Jiakun den Genius Loci, den Geist des Ortes auf, achtet das Handwerk und die lokalen Traditionen. Er schafft mit seinem Team auch auf dicht besiedelten Flächen neue Orte für die Gemeinschaft im öffentlichen Raum, die fern von Selbstbeweihräucherung den BürgerInnen im Alltag dienen und neben rein funktionalen Aspekten auch das Wohlbefinden des Menschen ansprechen. "Durch ein herausragendes Werk von tiefer Kohärenz und konstanter Qualität entwirft und konstruiert Liu Jiakun neue Welten, frei von jeglichen ästhetischen oder stilistischen Zwängen. Anstelle eines Stils hat er eine Strategie entwickelt, die sich nie auf eine wiederkehrende Methode stützt, sondern vielmehr auf die unterschiedliche Bewertung der spezifischen Merkmale und Anforderungen jedes Projekts. Das heißt, Liu Jiakun nimmt die gegenwärtigen Realitäten und bearbeitet sie so weit, dass er manchmal ein völlig neues Szenario des täglichen Lebens bietet. Neben Wissen und Techniken sind gesunder Menschenverstand und Weisheit die mächtigsten Werkzeuge, die er dem Werkzeugkasten des Designers hinzufügt", so ein Auszug der Jury-Begründung für 2025.

Ebenso stellt die Jury fest, dass Liu Jiakun das Individuum wie das kollektive Zugehörigkeitsgefühl zu einem Ort berücksichtigt. Er greift die chinesische Tradition als Sprungbrett für Innovation auf, ohne Nostalgie oder Zweideutigkeit. Für ihn bezieht sich Identität auf die Geschichte eines Landes, die Spuren seiner Städte und die Relikte seiner Gemeinschaften. Mit beispielsweise dem Suzhou Museum of Imperial Kiln Brick oder dem Shuijingfang Museum in Chengdu, schafft er so eine neue Architektur, die gleichzeitig eine historische Aufzeichnung, ein Stück Infrastruktur, eine Landschaft und ein bemerkenswerter öffentlicher Raum ist. Beim Hu Huishan Memorial in Chengdu geht er davon aus, dass Identität sowohl eine Frage des kollektiven als auch des persönlichen Gedächtnisses ist, und erhebt die individuelle Perspektive zu einem grundlegenden Element der Ortsbildung, um eine gemeinschaftliche Dimension wiederzubeleben. Liu Jiakun strebt auch ein technisches Niveau an, das jeweils "angemessen ist", sprich auf lokalem Wissen sowie auf den verfügbaren Materialien und handwerklichen Fähigkeiten basiert.

Parallel kreiert er neue Landschaften – vom West Village über die Renovierung des Tianbao-Höhlenviertels in der Stadt Erlang in Luzhou bis hin zum Luyeyuan-Museum für Steinskulptur in Chengdu existieren die gebaute und die natürliche Umgebung in einer wechselseitigen Beziehung und im Einklang mit der ältesten chinesischen Philosophie und Tradition. "Er zeigt uns wie Architektur zwischen Realität und Idealismus vermitteln kann und erhebt lokale Lösungen zu universellen Visionen. Er entwickelt eine Sprache, die eine sozial und ökologisch gerechte Welt beschreibt", so die Jury* in ihrem Statement.

*Zu der neunköpfigen Jury des diesjährigen Pritzker Architecture Prize unter der Leitung von Alejandro Aravena gehören unter anderem die ArchitektInnen Anne Lacaton, Kazuyo Sejima, Deborah Berke und Hashim Sarkis.

A Person, An Architect