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Sitzen auf Bambus: Samy Rio verwendet den natürlichen Rohstoff auf unterschiedlichste Art und Weise.

Der Mann mit dem Bambus

Designer Samy Rio arbeitet an der ökologischen Wende in der Massenproduktion – mit nachhaltigen Materialien und verfeinerter Ästhetik.
von Jasmin Jouhar | 30.11.2018

Es hat Vor- und Nachteile, sich als Gestalter intensiv mit einem bestimmten Material zu beschäftigen. Natürlich ist die eigene Arbeit dadurch wiedererkennbar, man ist dann die mit dem Kupfer oder der mit dem transluzenten Kunststoff. Andererseits droht eine Gefahr, die auch jeder Tatort-Kommissar fürchtet: Man wird auf eine bestimmte Rolle festgelegt, künftige Auftraggeber erwarten das immer Gleiche. Samy Rio jedenfalls ist der mit dem Bambus. Der junge Designer aus Paris hat zwar auch schon mit Glas, Keramik, Holz oder Metall gearbeitet. Aber den bislang größten Erfolg feierte er mit einem Projekt, das die Möglichkeiten des asiatischen Süßgrases auslotet: Für seinen Abschluss an der Pariser Designhochschule Ensci Les Ateliers entwickelte er Bluetooth-Lautsprecher und Fön mit einem Gehäuse aus den Röhren der Bambusstengel. Diese Arbeit brachte ihm auch den Großen Preis des südfranzösischen Festivals „Design Parade“ ein, zahlreiche Publikationen folgten. Eine Reihe weitere Projekte aus Bambus hat er seitdem realisiert, etwa Leuchten und eine Bank für draußen. Im nächsten Jahr wird er sechs Monate in Kyoto verbringen, als Stipendiat in der Villa Kujoyama. Sein Projekt für den Aufenthalt bereitet er gerade vor, es geht – genau – um Bambus.

Ein Haartrockner zählt zu Rios ersten Arbeiten aus Bambus.
Eine aus Bambus gefertigte Laterne

Samy Rio kennt das Tatort-Kommissar-Problem: „Warum ich mich immer wieder mit Bambus beschäftige? Das ist die Frage, die jeder stellt“, sagt er lachend. Aber er hat gute Gründe: „Ich arbeite sehr gerne damit, denn das Material bietet beinahe unendliche Möglichkeiten.  Außerdem ist es nachhaltig.“ Wichtig für ihn angesichts der notwendigen ökologischen Wende. Zumal das Potenzial von Bambus nicht annähernd ausgenutzt werde. Die Industrie schneidet und verklebt das Material in der Regel zu Platten, ähnlich dem Sperrholz. Aber das koste viel Energie. Er sieht die Herausforderung deshalb darin, Verwendungsmöglichkeiten für die Röhren als Halbzeug zu entwickeln. Sein Ansatz: industrielle Fertigungsmethoden auf den natürlichen Werkstoff anwenden, um so Plastik oder Metall zu ersetzen. Präzision ist dabei das zentrale Stichwort. Samy Rio bearbeitet Bambusröhren etwa mit einer 5-Achs-CNC-Fräse, um sie zu glätten und die Durchmesser auf ein Maß anzugleichen. So stellt er nicht nur exakte Verbindungen her, wie sie in der Serienproduktion gebraucht werden. Er nimmt dem Süßgras auch seine bisweilen knorrige Öko-Optik. 

Leider bislang nicht in Serie gegangen: Samy Rios Lautsprecher aus Bambus.

Die verfeinerte Ästhetik seiner Entwürfe hat Samy Rio nach dem Hochschulabschluss den Zugang zur Welt des limitierten Editionsdesigns eröffnet. In Designgalerien wie Kreo oder Archik zeigt er kostbare, handgemachte Objekte in kleinen Auflagen. Dafür arbeitet er mit Glasbläsern oder Keramikern zusammen, Meistern ihres Fachs, deren Können er in Workshops und bei Studienaufenthalten kennenlernt. Für den jungen Designer sind diese Aufträge einerseits ein Glück, denn schließlich brauche er Geld, wie er lachend sagt. Außerdem kann er dabei weiter mit Materialien experimentieren und Erfahrungen mit der handwerklichen Arbeit sammeln. Aber: Dieser Karriereweg bedeutet für ihn auch eine gewisse Frustration. Zeigte sich doch, dass die Industrie als Auftraggeber noch nicht reif ist für andere, nachhaltigere Konzepte. Sein Eindruck: Viele Unternehmen wollten kein Risiko eingehen. „Mein Bluetooth-Lautsprecher aus Bambus ist nicht auf dem Markt. Obwohl er fertig entwickelt ist und mich schon ganz viele Leute danach gefragt haben“, so Rio. Aber er gebe nicht auf und arbeite weiter an Konzepten für neue Produktionsverfahren. Auf das kommende Jahr blickt er indes mit Zuversicht: Es habe rund drei Jahre gedauert seit der Gründung des Studios, aber jetzt gäbe es interessante Projekte, mit denen er wieder an die Themen seiner Abschlussarbeit anknüpfen könne. „Ich werde einen großen Schritt weiterkommen.“

Mal kein Bambus: Samy Rio arbeitet auch mit anderen Materialien
Spiegel-Objekt für die Galerie Kreo in Paris
Viel Handarbeit: Samy Rio versucht die Möglichkeiten des Bambus als Rohstoff immer weiter zu erkunden.