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Plötzlich ist Spanien japanisch und Japan etwas spanisch
von Silke Gehrmann-Becker | 01.11.2010

„Tens of hundreds of thousands of years ago... you might not have heard of it...but the lands had a different shape. Far away, so far from here... There was a place called... JAPAIN"

Weder die Grimmschen Märchen, noch Momotamo oder Don Quijote standen Pate für den Einstieg in eine Welt, in der die gemeinsamen Vorlieben für Saiteninstrumente, Blumen, die Farbe Rot und die subtile Sprache der Fächer Eingang in das jeweilige kulturelle Erbe finden. Was das in Valencia ansässige Designkollektiv CuldeSac als Präsentation spanischen Designs für ICEX - das Instituto Español de Comercio Exterior - im Rahmen der Tokyo Designers Week ersonnen hat, geht weit über das übliche Maß an Ausstellungsgestaltung hinaus. Mit „Made in JAPAIN - The true story of Spanish Design" riskiert CuldeSac im Geburtsland der Mangas und Animes einen Salto ohne Netz und doppelten Boden: Ein Comic als Vermittler einer fantastischen Geschichte, in der Großmutter Hana ihren - nach einem durch Stromausfall geschuldeten Spielkonsolencrash - gelangweilten Enkel Leo durch eine Welt führt, die von Camper Schuhen, Manolo Blahniks oder dem Beetley Bridge von Jaime Hayòn bevölkert werden. All diese Gegenstände tauchen auf und bewegen sich wie Pflanzen, wie lebendige Wesen mit Flügeln oder Beinen. Das ist gewagt, aber noch lange nicht das Ende dieses vielfältig angelegten, crossmedial aufbereiteten Projektes, das die ganzheitliche Arbeitsweise von CuldeSac treffend veranschaulicht. Die Illustrationen des Comics als Ausgangspunkt der Reise stammen aus der Feder von Paco Roca, 2008 Gewinner des National Comic Award, der durch den Bildhauer Alfredo Llorens von Lladró unterstützt wurde. Die Animation von Vicent Mallols - unter anderem auf Youtube unter dem Stichwort JAPAIN oder auf der Website von CuldeSac zu finden - ist in japanischer Sprache mit englischen Untertiteln zu sehen.

Der japanische Manga-Stil des „Trailers" ist authentisch umgesetzt und entbehrt glücklicherweise jeglicher Übertreibung - sowohl in seiner Bildsprache als auch in Pinselführung und Farbgebung. Dabei hätte ein solches Unterfangen im Land der aufgehenden Sonne leicht einen anbiedernden Beigeschmack erhalten können, das Europa dank Osamu Tezuka, dem „Gott der Mangas" bereits 1965 „Kimba", den weißen Löwen, oder dank Isao Takahata in den 1970ern eine dunkelhaarige „Heidi" (das Titellied von Gitti und Erika dürfte noch jedem im Ohr sein...) und viele weitere Kinderserien bescherte.

„JAPAIN" besticht durch seine eigenständige Bildsprache und macht - mit der vorab in diversen Social Networks lancierten Geschichte - überaus neugierig: Die Ausstellung in der Spanischen Botschaft in Tokyo, die vom 29. Oktober bis zum 3. November 2010 anlässlich der Tokyo Designers Week zu sehen sein wird, schenkt dem Besucher die Erfahrung der beiden Comic-Protagonisten. Wachsende Objekte, die sich blumengleich aus dem Boden zu schieben scheinen, fliegende Leuchten und tänzelnde Möbel ziehen den Betrachter in die Geschichte hinein, machen das verlorene Land „JAPAIN" lebendig und die Illusion eines gemeinschaftlichen Erbes der beiden Kulturen Spanien und Japan zum hintergründigen Erlebnis.

Fest steht also: Ein aussichtsloses Unterfangen sieht definitiv anders aus. Blickt man auf die bisherigen Projekte und Aufträge von CuldeSac, sind wohl eher Erfolg und „en vogue" die maßgeblichen Attribute für das Designkollektiv. „Cul-de-Sac", was im Französischen „Sackgasse" heißt, aber auch für ein aussichtsloses Unterfangen steht, wurde 2002 gegründet. Alberto Martinez, Pepe Garcia und Lucia del Portillo wurden dabei von der Idee geleitet, ein Studio als Kreativlabor, als Plattform für den Austausch und Zusammenschluss von Wissen zu formieren. Dabei ist die Leuchte „Sofa Lamp" in Zusammenarbeit mit Héctor Serrano für Mooi wahrscheinlich das bisher bekannteste Produkt des Kollektivs, neben dem Atlantic Sofa für Bernhardt Design.

Unterteilt in die Bereiche „Kreativraum", „Kommunikation" und „Erlebnis" hat CuldeSac Produkte, Interior Design, strategische Markenführung und Kommunikation, PR und Events anzubieten. Zu den Kunden zählen unter anderem H&M, Swarovski, Aston Martin oder Vodafone, für die bereits ebenso spektakuläre wie durchdachte Event-Präsentationen mit Liebe zum Detail gestaltet wurden. Neben den sechs Gründungspartnern Alberto Martinez, Pepe Garcia, Juan Poveda, Xavi Sempere, Garen Moreno und Sophie von Schönburg, sind heute mehr als zwanzig freie Mitarbeiter des ThinkTank damit beschäftigt, kreative Höchstleistungen zu erbringen. „JAPAIN" ist eine davon, und man darf gespannt sein, welche Welten CuldeSac noch durcheinanderwirbeln wird - der 25. Geburtstag der Tokoyo Designers Week wird nicht die letzte Gelegenheit für eine spanisch-interkulturelle Symbiose gewesen sein. Schließlich liegt der Schlüssel zum Erfolg bei CuldeSac nicht darin, einen persönlichen Stil zu kreieren, sondern auf der Grundlage eines bestimmten Lebensstils Kreativität als Form der Erfahrung und als Verbindung von Menschen und Ideen zu begreifen.

JAPAIN - The true story of Spanish design
Tokyo Designers Week
29.10.-3.11.2010
Spanische Botschaft Tokyo
1-3-29 Roppongi Minatu-ku
Tokyo 106-0032

www.culdesac.es
www.madeinjapain.com

Renderings der Ausstellung "Made in Japain"
Making of: Zeichner Paco Roca
Making of: Alfredo LLorens von Lladró
Spanisches Designbüro CuldeSac
Made in Japain - The True History of Spanish Design von CuldeSac zur Tokyo Designers Week