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Gewebe aus Ziegel
Altes mit Neuem verbinden: Es gibt wohl wenige Materialien, die das so gut können, wie der Ziegel. Das liegt einerseits daran, dass er einer der ältesten Baustoffe der Menschheit ist. Anderseits lässt seine Form Fügungen und Verzahnungen zu, bei denen etwas Neues entstehen kann, ohne die vorhandenen Zeitschichten zu negieren. Ein perfektes Beispiel ist die Restaurierung und Erweiterung des Museums De Lakenhal im niederländischen Leiden. Hier haben die ArchitektInnen von Happel Cornelisse Verhoeven zusammen mit Julian Harrap Architects ein Gesamtensemble geschaffen, in dem die fast 400 Jahre alte Baugeschichte mit neuen Räumen verwoben wird. Dazu entschieden sich die PlanerInnen für Ziegel von Petersen Tegl, die mit ihrer Farbigkeit und Struktur das Vorhandene aufgreifen und ihm gleichzeitig etwas Neues hinzufügen.
"De Lakenhal" ist das städtische Museum von Leiden und wurde über die Jahrhunderte immer wieder erweitert. Der älteste Teil, die Laecken-Halle, 1641 vom niederländischen Architekt Arent van ’s-Gravesande entworfen ist ein dreiflügeliges Gebäude in H-Form mit einem Eingangshof vor dem Hauptflügel zum Kanal Oude Singel und einem Hof auf der Rückseite, dem Achterplaats. Nachdem der Bau ursprünglich zur Inspektion und zum Handel des berühmten Leidener Wolltuchs erbaut worden war, wurde er im Jahr 1874 schließlich zum Museum umgewidmet und 1890 sowie 1922 um den Hartevelt-Saal und den Pape-Flügel erweitert. Heute beherbergt das De Lakenhal eine umfangreiche Sammlung an Kunst, Kunsthandwerk und historischen Objekten.
Bei der Restaurierung und Erweiterung in Form des neuen Van-Steijn-Gebäudes, stand die Sichtbarkeit der architektonischen Zeitschichten im Vordergrund, die durch Baumängel sowie Um- und Anbauten verunklart worden waren. Gleichzeitig sollten die Funktionalität und Sicherheit des Baus ertüchtigt werden. Die neuen Räumlichkeiten umfassen nun zwei große Ausstellungssäle, Büroräume, eine Bibliothek, einen Raum zur Verwaltung der Kunstobjekte und einen Bereich für das Museumscafé. Zudem wurde der Achterplaats, der Hof auf der Rückseite des Museums, mit einem Glasdach überdeckt. Er wird nun als zentraler Übergangs- und Veranstaltungsbereich genutzt, während eine neue Ziegelfassade nicht nur eine visuelle Verbindung zwischen Innen und Außen schafft, sondern zusätzlich als Akustikwand inklusive Belüftungs- und Entwässerungssystem dient. "Wir haben ein Konzept für die Restaurierung erarbeitet, bei der es um Einheit und Vielfalt geht. Die vier Gebäude – Laecken-Halle, Hartevelt-Saal, Pape-Flügel und Van-Steijn-Gebäude – sind verschieden, haben jedoch eine gemeinsame DNA: Sie sind großzügig in ihren Proportionen und aus Ziegeln gebaut, wenn auch in unterschiedlichen Farben. Wir wollten moderne Elemente hinzufügen, die den Charakter der einzelnen historischen Gebäude unterstreichen und gleichzeitig einen Enkel aus dem 21. Jahrhundert hinzufügen", sagt Architektin Ninke Happel von Happel Cornelisse Verhoeven über das Konzept.
Um dies zu erreichen, arbeiteten die ArchitektInnen mit Ziegeln von Petersen Tegl, die auf vielschichtige Weise mit dem Bestand interagieren: So bilden die Steine der neuen Südfassade des Cafés ein sich wiederholendes Reliefmuster, das an gewebten Stoff erinnert. Ein altes Sandsteintor fügt sich dabei wie selbstverständlich in das Gesamtbild ein. "Wie bei den historischen Gebäuden haben wir bei der Erweiterung Ziegel verwendet, jedoch auf eine moderne Art und Weise. Der D190 ist ein blau gebrannter Ziegel. Das bedeutet, dass er nach dem ersten Brand in einer sauerstoffarmen Atmosphäre erneut gebrannt wird. Dadurch erhält der Stein seine grau-gelbe Farbe, die es im 17. Jahrhundert nicht gab, aber wiederum eine farbliche Verbindung zu den Bentheimer Sandstein-Ornamenten der älteren Gebäude herstellt. Durch die Kombination aus Beton, dunklem Eichenholz und Messing bilden die Ziegel eine Materialkomposition, mit der die Gebäude zeitübergreifend verbunden werden", erläutert Ninke Happel den gestalterischen Ansatz der Fassade.
Insgesamt neun Spezialanfertigungen wurden von Petersen Tegl für das Projekt entwickelt, handgefertigte Ziegel nach Maß, die dem Gebäude seinen besonderen Charakter verleihen. Das neue Van-Steijn-Gebäude im Norden wirkt wie ein Solitär, der sich mit seinen vier Geschossen über die niedrigeren Gebäude des Gesamtensembles erhebt. Seine ornamentale Fassade weist einen breiten Unterbau und einen sich verjüngenden, dreigeschossigen Überbau auf, der durch expressive Erker rhythmisch gegliedert wird. "Wir wollten ein Gebäude ohne Ornamente bauen, das aber in seiner Materialität ornamental erscheint. Aus diesem Grund haben wir uns für einen Sägezahnverband aus Formsteinen mit einem Winkel von 30 Grad entschieden. Jeder Stein hat fast die gleiche Form, wie ein kleines Haus. Es handelt sich um die Nordfassade, die vom Morgen- und Abendlicht beschienen wird. Der 30 Grad-Winkel sorgt dafür, dass die Fassade das Licht einfängt", erklärt Ninke Happel. So ist mit wenigen Mitteln ein Gesamtensemble entstanden, das die verschiedenen zeitlichen Schichten wie selbstverständlich zusammenfügt und dem Museum eine neue Präsenz verleiht.