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Versteckte Gegenwart
Fachwerkhäuser aus dem Mittelalter, ein prächtiger Dom und eine malerische Lage am Wattenmeer: In Ribe, der ältesten Stadt Dänemarks, scheint die Zeit stehengeblieben zu sein. Schon die Wikinger siedelten hier und der einst größte Hafen Dänemarks war lange der wichtigste Dreh- und Angelpunkt für den Handel des Landes. Heute ist es ruhiger geworden in der ehemaligen Königsstadt, die historischen Gebäude ziehen aber weiterhin Touristen aus aller Welt in ihren Bann.
Die Gestaltung des neuen Gemeindehauses „Kannikegården“ auf dem Marktplatz von Ribe stellte angesichts der prominenten Platzierung in der Stadt und des historischen Umfeldes eine besondere Herausforderung dar. Das Architektenbüro Lundegaard & Tranberg wählte daher eine rostrote Ziegelsilhouette, die dem Gebäude zwar einen eigenen Charakter verleiht, gleichzeitig aber in Form und Farbe an die übrigen Häuser angelehnt ist, um den Neubau authentisch in das Stadtbild einzufügen. Die dänische Ziegelei Petersen Tegl beherrscht als eine der wenigen Handwerksbetriebe weltweit neben dem Brennen der Ziegel mit Gas die Herstellung mit Kohle, das den Pfannen ein besonderes Farbenspiel in hellen und dunklen Nuancen verleiht. Daher fiel den Architekten die Entscheidung für das traditionsreiche Familienunternehmen nicht schwer, dass seit 1791 auf die Herstellung der Bauelemente spezialisiert ist.
Das komplette Obergeschoss wurde mit den jeweils 35 x 65 cm großen Ziegeln verkleidet, so dass nur das verglaste Erdgeschoss mit den Stützbalken und unbehauenen, geteerten Eichenbohlen frei einsehbar ist, die wie Lamellen schwenkbar sind. Die kleinen Fenster in der Verkleidung sind ganz nach Bedarf asymmetrisch angeordnet und erinnern an die Sichtschlitze einer Burgmauer. Auch die Ziegelplatten selbst sind uneben – ein gewolltes Detail, dass an die eigenwillige Ausrichtung der mittelalterlichen Giebelhäuser der Stadt angelehnt ist, in der Toleranzen noch eher pi mal Daumen in Zoll und Ellen gemessen wurden. Der rostrote Ton der Ziegel, der perfekt der Farbskala der Umgebung gleicht, wird mit minimalen Anpassungen der Sauerstoffzufuhr in den Öfen erreicht. Auch im Inneren des Gebäudes ist die Geschichte der Stadt sehr lebendig: Die archäologischen Spuren des Klosterhofes der Domherren aus dem 12. Jahrhundert, die während des Baus auf dem Grundstück entdeckt wurden, sind in ihrem Originalzustand ausgestellt. (am)