Zwei in Eins
2.630 Meter misst die Berliner Kantstraße, die durch den sonst so edlen Stadtteil Charlottenburg eine urbane Schneise zieht. Hier reihen sich Imbisse, Cafés und Nagelstudios an Kuriositäten wie ein altes Filmtheater oder das rund um die Uhr geöffnete Schwarze Café. In dieser Nachbarschaft liegt das neue Zuhause eines Physikers und seiner Kunstsammlung, die Street Art und alte MeisterInnen vereint. Wie die Kunst, steht auch die Architektur des Apartments für unterschiedliche Epochen: Ende des 19. Jahrhunderts erbaut, wandelte man den ehemaligen Wäscheboden des Hauses in den 1990er Jahren in Wohnraum um. Nun sollte aus zwei benachbarten Apartments ein weitläufiges Penthouse werden. Das ebenfalls in der Hauptstadt ansässige Architektur- und Designbüro Coordination erhielt den Auftrag für Umbau und Umgestaltung der insgesamt 131 Quadratmeter großen Fläche.
Für die Verbindung der Räume ließ Flip Sellin, leitender Designer des Projekts, die Wand zwischen Nord- und Südseite einreißen. Eine Zweiteilung behielt er dennoch bei. Während sich zum Hof hin eine offene Küche und ein Essbereich ausrichten, sind die privateren Zonen aus Wohn-, Bade- und Schlafzimmer in Richtung Straße orientiert. Eine deckenhoch verglaste Messingtür trennt das Wohnzimmer von der Küche, die mit einer besonderen Herausforderung der Bestandsarchitektur aufwartete: Zwischen Koch- und Essbereich erhebt sich ein massiver Quader, der circa ein Viertel der gesamten Fläche bedeckt. "Es handelt sich hier um das darunter befindliche Badezimmer, das man nicht hätte zurück bauen können", erklärt Sellin. Als Bar oder Arbeitsbereich sei der Klotz aufgrund seiner stattlichen Maße ungeeignet gewesen. Doch der Industriedesigner war findig und nutzte ihn als strukturgebendes Element, das als Sichtschutz dient. Außerdem brachte er die Technik der Fußbodenheizung darin unter. Nicht zuletzt interpretierte er das marmor- und messingverkleidete Volumen als Podest für die Kunst.
"Schon früh gab es die Idee, die Kunstwerke des Bauherren als Inspiration für die Innenarchitektur zu heranzuziehen“, sagt Sellin. Zu der umfangreichen Sammlung gehörten so unter anderem eindrucksvolle Arbeiten der Bildhauer Georg Kolbe und Auguste Rodin. Ein schwarz-weißes Gemälde aus dem 17. Jahrhundert war der Ausgangspunkt für das Esszimmer, dessen Farbgebung sich nun in der kontrastreichen Möblierung und Beleuchtung widerspiegelt. Im Schlafzimmer definieren maritime Darstellungen ein sanftes Blau für die Wände, das sich im angrenzenden Bad in leuchtendes Dunkelblau fortsetzt.
"Mir war wichtig, dass die Räume keine eindeutigen zeitlichen Referenzen darstellen oder ausschließlich heutige Trends abbilden“, sagt Sellin, der einige Möbel selbst entwarf und dazu Objekte Berliner DesignerInnen auswählte. Vielmehr sollte alles wie zusammengewachsen erscheinen. Das Ergebnis: Eine elegante wie urbane und lokale Ausstattung, die sogar zu ihrer Charlottenburger Adresse passt.