Featured
Eins und viele
Anna Moldenhauer: Was hat Sie an einer Zusammenarbeit mit Pedrali interessiert?
Yusuke Kawai: Ich hatte schon immer den Wunsch eine Leuchte zu entwerfen, aber es ist mir schwergefallen ein passendes japanisches Unternehmen dafür zu finden. Die Art und Weise wie das Team von Pedrali kommuniziert, nicht nur durch ihre Produkte, sondern auch mittels ihrer Grafiken, Emotionen, Farben, hat mich bei meiner Recherche schnell angesprochen. Dazu habe ich bemerkt, dass sie bisher noch nicht viele Leuchten im Sortiment hatten, das hat mir die Hoffnung gegeben, dass ich eine Chance hätte mein Design bei ihnen vorstellen zu dürfen. Und so war es dann auch.
Was war eine Erkenntnis bei Ihrer Suche nach dem passenden Unternehmen?
Yusuke Kawai: Ich habe gelernt, dass es sehr wichtig ist über das Unternehmen nachzudenken. Mein Design muss für sie einen Nutzen haben, es muss in das Portfolio passen. Also habe ich mich über den Markt und die Bedürfnisse der Menschen informiert. Das Ergebnis war, dass eine modulare Beleuchtung am besten dazu passen würde und auch eine nachhaltige Lösung ist. Ein Modul kann in viele verschiedene Szenarien eingebaut werden und überall dort eingesetzt werden, Licht gebraucht wird. Theoretisch muss man nur eine Version entwickeln, mit der alle Bedarfe erfüllt werden können. Mein Entwurf war also das Ergebnis eines längeren Prozesses und Marktanalyse. Pedrali hat meine Idee glücklicherweise sofort gut gefallen.
"Kawara" ist von den gleichnamigen traditionellen japanischen Dachziegeln inspiriert – was hat Sie an deren Form fasziniert, dass Sie in den Innenraum bringen wollten?
Yusuke Kawai: Die Form der Ziegel an sich ist mir schnell aufgefallen, ich finde sie sehr ästhetisch. Und sie passte gute zu dem Themen Nachhaltigkeit wie modulare Beleuchtung, die ich bei meiner Gestaltung im Sinn hatte. Die traditionellen Dachziegel haben eine unverwechselbare Schönheit und wunderbare Texturen. Sie lassen sich auch gut mit anderen Fliesen kombinieren. Das in der Summe war eine gute Basis für ein modulares Beleuchtungssystem. Anschließend habe ich die Form modern interpretiert und einige Funktionen hinzugefügt, die für eine Beleuchtungsvorrichtung erforderlich sind.
Zur Auswahl stehen verschiedene Beleuchtungssystemkonfigurationen (horizontale/vertikale Aufhängung, freistehend). Jede Leuchte der Kollektion "Kawara" ist gleichzeitig ein individueller Charakter innerhalb einer Familie. Was war Ihre Idee dahinter?
Yusuke Kawai: Wenn das Design von einem Element ausgeht, kann man es auf viele Charaktere ausweiten.
Es lässt sich also an jeden Raum und jeden Bedarf anpassen. Dafür stehen mehrere matte Aluminium-Beschichtungen sowie Ausführungen in Messing, Champagner und Satinbronze zur Auswahl, die jeweils ein homogenes Bild ergeben – welche Idee lag die Auswahl der Individualisierungsoptionen zugrunde?
Yusuke Kawai: Das man nichts mehr hinzufügen muss, sondern einfach aus dem auswählen kann, was man hat.
Die Beleuchtung mit LED-Streifen ist dimmbar und der Leuchtenreflektor lässt sich um 45 Grad schwenken, je nachdem, wo das Licht fallen soll. Dadurch und auch durch die Rillenstruktur der Oberfläche entsteht eine haptische Interaktion mit den NutzerInnen. Warum war Ihnen das wichtig?
Yusuke Kawai: Vielleicht liegt es daran, dass ich als Industriedesigner ausgebildet bin, da hat man einen starken Bezug zu der Haptik von Materialien. Die Textur einer Oberfläche ist für meine Arbeit sehr bedeutsam. Ich bin zudem überzeugt davon, dass es auch den Wert eines Produkts erhöht, wenn man die Details nicht außer Acht lässt. Wenn man ein Produkt nicht berühren kann, lassen sich meiner Meinung nach auch die Materialeigenschaften und die Verarbeitung nicht komplett erfassen.
Sie haben es bereits erwähnt – viele Jahre hinweg haben Sie als Industriedesigner technische Geräte entworfen – wie haben diese Erfahrungen und Ihre Ausbildung Ihren kreativen Stil beeinflusst?
Yusuke Kawai: Zu Beginn meiner Karriere habe ich viele technische Geräte wie Laptops und Smartphone gestaltet. Diese Arbeit ist sehr präzise, da man teils mit Abmessungen von 0,1 Millimeter arbeitet. Ebenso die Oberflächen – bei technischen Geräten ist die Haptik und die Varianz der Farben wichtig. Das hat mich sicher geprägt, da diese Art zu gestalten sehr viel Aufmerksamkeit erfordert. Meine Arbeit in Deutschland hingegen drehte sich mehr darum das Ganze zu sehen, die Herangehensweise in der deutschen Designkultur geht von der großen Idee aus. Meine Handschrift ist demnach heute eine Mischung aus japanischem, detailorientiertem Design und dem deutschen Bedürfnis nach einer ganzheitlichen Betrachtung.
Wie ist demnach ihre Herangehensweise, starten Sie mit einem Moodboard, einer Skizze oder direkt beim Modell?
Yusuke Kawai: Mit einer Recherche. Diese Informationen geben mir viele Ideen mit auf den Weg, die ich dann zu Papier bringe und diese auf eine Tafel hänge, um sie aus einer Distanz aus zu betrachten. So lässt sich schnell erkennen, ob der Charakter stark genug ist oder ob ihm noch etwas fehlt. Es ist für mich wichtig, schnell zu arbeiten, um nicht an zwei oder drei kleinen Details hängenzubleiben.
Sie unterrichten an der Musashino Art University in Tokio – was ist neben der Theorie die wichtigste Botschaft aus der Praxis, die Sie der jüngeren Generation vermitteln möchten?
Yusuke Kawai: Viele Studierende halten lange an ihrer ersten Idee fest, die sie für eine Aufgabe haben. Das ist riskant, denn oft ist die erste Idee nicht die beste. Ob sie das ist, lässt sich nur herausfinden, wenn man weitere entwickelt und diese dann gegenüberstellt. Das finale Resultat kann auch eine Kombination aus all den unterschiedlichen Wegen sein. Wichtig ist, sie zu gehen.
"Kill your Darlings" gewissermaßen.
Yusuke Kawai: Genau. Es zählt der Blick auf das Resultat, was man erreichen möchte. Das verbessert die Qualität des Designs und gibt den Studierenden parallel mehr Selbstvertrauen in ihre kreativen Fähigkeiten. Dafür braucht es das Experiment, das ist meiner Ansicht nach für die Gestaltung essenziell.