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Patrick Jouin

STYLEPARK PEDRALI
In Balance

Patrick Jouin gehört zu der Riege der DesignerInnen, die den ganzheitlichen Wandel der Branche mitprägen – von der Teilnahme am ersten Salone Satellite in Mailand bis zu seiner langjährigen Kooperation mit Pedrali. Was ein nachhaltiges Möbeldesign heute ausmacht, sagt er uns im Interview.
21.02.2023

Anna Moldenhauer: Du arbeitest bereits seit zehn Jahren mit Pedrali – das erste gemeinsame Produkt war der Stuhl "Ester". Wie kam es zu der Zusammenarbeit?

Patrick Jouin: Ich entwerfe mit meinem Team recht viel für Restaurants und arbeite seit mehr als 20 Jahren mit dem französischen Koch Alain Ducasse gemeinsam an Projekten. Wir suchten nach einer Idee für ein Restaurant in Dorchester, aus dem Namen habe ich später auch die Bezeichnung "Ester" für den Stuhl abgeleitet. Alain erwähnte im Gespräch Pedrali als möglichen Hersteller. Er sagte: "Würdest du sie gerne treffen und versuchen den Stuhl neu zu erfinden?" Und ich sagte: "Natürlich"! (lacht) Ich fuhr also nach Bergamo und sprach mit Giuseppe Pedrali über die Idee. Währenddessen habe ich begonnen zu skizzieren, um die Gedanken festzuhalten. Für mich ist zeichnen wie eine zweite Natur, es ist Teil des Gesprächs. Nach zwei Stunden hatten wir das finale Möbel auf Papier. Giuseppe hatte zudem sofort eine Vorstellung mit Blick auf die Technik, die wir dafür brauchen würden und die Produktion nahm schnell an Fahrt auf.

Kürzlich hast du für Pedrali die Kollektionen "Reva Cocoon" und "Héra Lounge" weiterentwickelt, was war hier die Idee?

Patrick Jouin: Etwas an "Héra" hat uns den Eindruck vermittelt, dass seine Geschichte nicht mit einem Sessel zu Ende erzählt ist. Das es weitere Elemente braucht, wie einen Loungesessel oder einen Hocker. Zudem wollten wir "Héra" einen lässigeren Charakter geben, der sowohl in Wohnräumen wie Hotels funktioniert. Das Möbel sollte die Freude am Zusammensein symbolisieren und einen fantastischen Komfort bieten. Die elegante Struktur von "Héra Lounge" ist aus gebogenem Eschenholz gefertigt, der Sitz besteht aus Polyurethanschaum und wird über elastische Gurten gestützt. Mit "Reva Cocoon" haben wir hingegen ein Sofa für den Außenbereich entworfen, das viele Möglichkeiten für eine individuelle Konfiguration bietet. Edelstahl und Aluminium sind die Basis für eine kunstvolle Flechtstruktur aus witterungsbeständigem Polypropylen, die komplett in Italien hergestellt wird. Für die Polster haben wir ein wasserdichtes Futter und Outdoor-Stoffe ausgewählt. Es geht wie bei allen Entwürfen für Pedrali um hohe Qualität und maximalen Nutzen.

Zeichnungen von Patrick Jouin: "Elliot"
"Elliot"
"Hera"
"Rev

Was ist dir in der Zusammenarbeit mit einem Hersteller wie Pedrali wichtig?

Patrick Jouin: Der Startpunkt ist immer der Wunsch des Unternehmens, das ich als kreative Person für sie entwerfen darf. Es geht darum eine Beziehung zueinander zu entwickeln, eine respektvolle Basis, die man in der Zeit darauf mit jedem neuen Entwurf ausbauen kann. Die Beziehung zu Pedrali ist freundschaftlich, wir vertrauen einander. Das ist der Kern für den gemeinsamen Erfolg.

Deine Entwürfe zeigen vornehmlich weiche, fließende Formen – dazu kommt jeweils ein Dreh, der die Gestaltung besonders werden lässt und die BetrachterInnen neugierig macht. Was möchtest du mit deinen Designs erreichen?

Patrick Jouin: Im Grunde möchte ich zwei Dinge gleichzeitig erreichen – eine neue Form zu erfinden und ein Gleichgewicht in den Rahmenbedingungen zu schaffen, wie hinsichtlich des Gewichts oder dem Preis. Das Produkt soll nicht nur ästhetisch ansprechend sein, sondern muss auch einen Zweck erfüllen, quasi schön und essenziell in einem sein. Ebenso soll es zum Wohlgefühl beitragen, das ist wichtig. Das alles in einer Gestaltung auf den Punkt zu bringen ist nicht einfach, denn der Spielraum etwas Neues zu schaffen, das es so noch nicht gab, ist sehr klein geworden. Das zu erreichen ist meine Aufgabe. Der Prozess ähnelt im Grunde der Komposition eines Songs. Die Prototypen stelle ich mit meinem Team in Handarbeit her, denn nur mit ihnen lassen sich wirklich alle Möglichkeiten der Gestaltung ausloten. Die Produkte für Pedrali sollen zudem einen Charakter haben, der auch für die Möblierung eines ganzen Restaurants funktionieren kann. Es geht um Eleganz, nicht darum Aufsehen zu erregen. Die sanften Töne sind dabei oft schwieriger zu entwerfen als die lauten.

Pedrali ist seit der Gründung ein sehr nachhaltiges Unternehmen. Ausgehend von objektiven Daten legt das Unternehmen Ziele für eine kontinuierliche Optimierung fest, was die volle Unterstützung der von den Vereinten Nationen geförderten Agenda bedeutet. Inwiefern ist dir eine nachhaltige Gestaltung wichtig?

Patrick Jouin: Ich wurde 1967 geboren, zu einer Zeit, in der die KonsumentInnen wie GestalterInnen verrückt nach Produkten aus Plastik waren. Der schnelle, unbedachte Konsum gehörte damals zur Kultur. Mein Vater war Maschinenbauingenieur und hat für die Industrie gearbeitet, daher bin ich parallel auch mit der Technik rund um die Verarbeitung von Plastik aufgewachsen. Kunststoff ist eine erstaunliche Erfindung, aber hat auch eine schreckliche Seite für die Umwelt. Als DesignerInnen und ArchitektInnen tragen wir große Verantwortung, die uns heute mehr bewusst ist als damals. Heute würde ich kein Möbel mehr aus Kunststoff entwerfen. Kreative müssen ihre Arbeitsweise den Anforderungen der Zeit entsprechend verändern. Das betrifft nicht nur das Material, sondern auch die Form: Bei "Héra" haben wir zum Beispiel entschieden, die Stuhlbeine gerade zu gestalten. Somit sind sie leichter und wir brauchen weniger Holz, verlieren beim Schneiden kaum Material. Komplexe Formen hingegen produzieren mehr Verschnitt. Auch die Rückenlehne haben wir möglichst leichtgewichtig werden lassen. Wir versuchen somit Dinge zu entwerfen, die keine neuen Zwänge mit sich bringen. Und diese neuen Richtlinien in der Gestaltung schaffen auch parallel eine neue Ästhetik. Als GestalterInnen sind wir genau in der Mitte der Gesellschaft und Teil der Prozesse rund um den Konsum. Wir sind also Teil des Problems und müssen versuchen Produkte zu gestalten, die zur Balance beitragen, die sinnvoll sind.

Ich würde nicht nur sagen, dass DesignerInnen Teil des Problems sind, sondern das sie auch die Grundlage bieten für einen ganzheitlich nachhaltigen Entwurf. Ihre Vorgaben hinsichtlich Form, Farbe und Material beeinflussen den gesamten Prozess.

Patrick Jouin: Das stimmt, und deshalb ist es mir wichtig, mit der gewählten Form die Schönheit des natürlichen Materials zu betonen, um die Besonderheit von Massivholz ideal zu vermitteln. Ebenso wichtig ist das parallele Engagement von Pedrali für ökologische Nachhaltigkeit. Die Holzelemente von Héra lounge sind FSC® C114358 zertifiziert und mit Beschichtungen auf Wasserbasis versehen.

Es gibt ein Zitat auf der Webseite von Pedrali von dir, das in diesen Kontext gut passt, wie ich finde: "Als Designer müssen wir im Angesicht von Widrigkeiten unverschämt sein. Es ist nicht die Zeit, um Gedichte zu schreiben, aber wenn wir das täten, müssten wir betroffene Dichter sein". Kannst du diesen Gedanken etwas erläutern?

Patrick Jouin: Für mich als Designer ist das ultimative Ziel nicht nur einen Stuhl zu entwerfen, sondern Menschen mit meinem Entwurf zu berühren, mit ihnen über die Gestaltung verbunden zu sein, obwohl ich sie nie treffen werde. Ich denke ähnlich ist es bei KünstlerInnen oder MusikerInnen. Wir möchten mit unserer Kreation Emotionen erzeugen. Für mich ist die beste Seite des Menschen ihr Wille ihrer Schöpfung eine größere Bedeutung zu verleihen. Ich hoffe daher, dass mein Design dazu beiträgt der Person, die es verwendet einen positiven Moment zu schenken. Unsere Geschichte, unsere Kulturen stecken in dem Design, das wir über die Jahrhunderte geschaffen haben. Die Objekte sind quasi eine Abkopplung von uns selbst. Ich glaube es braucht gar nicht viel, um zu verstehen das etwas Größeres hinter eine Gestaltung steht, um zu spüren das ein Objekt gut ist, sowohl für die Umwelt wie für einen selbst. Ich bin ein großer Fan von Dieter Rams und habe seine zehn Thesen für gutes Design immer in meinem Kopf, wenn ich entwerfe. An diese versuche ich mich zu halten und gleichzeitig meine eigene Sprache der Gestaltung hinzuzufügen, wie bei den Möbeln für Pedrali. Die Waage aus der Erfüllung der Richtlinien zugunsten der Nachhaltigkeit und meiner eigenen Handschrift ist das, was mein Design heute ausmacht.

Patrick Jouin tells Reva Cocoon
Patrick Jouin tells Héra Lounge

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