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Mustergültige Transparenz

Seit zehn Jahren sorgt die Nolita-Kollektion von Pedrali mit Leichtigkeit und Eleganz für sommerliche Gefühle und farbenfrohe Momente. Erstmals auf dem Salone del Mobile 2015 vorgestellt hat sich der subtile Stahlrohrstuhl zur zeitlosen Designikone entwickelt. Ein Gespräch mit seinen Schöpfern von CMP Design über stabile Verbindungen, essenzielle Nachhaltigkeit, magisches Teamwork und natürlich über den Sommer.
06.03.2025

Nolita feiert Jubiläum – welche Wünsche möchtet ihr eurem Design zum 10. Geburtstag mitgeben?

Antonio Pagliarulo: Als ich zehn Jahre alt wurde, hatte ich den Wunsch zu reisen und die Welt zu sehen. Damals endete meine Vorstellungskraft noch bei Madagaskar und Finnland. Ich wünsche Nolita, dass es noch lange existiert. Auf jeden Fall bis zu dem Tag, an dem Grenzen zwischen Nationen keine Rolle mehr spielen und die Welt ein einladender, freundlicher Ort ist, an dem man sitzen und ihre lebendige Vielfalt beobachten kann.

Simone Mandelli: Ich wünsche mir, dass Nolita den Menschen weiterhin ein gutes Gefühl gibt. Denjenigen, die es mit Hingabe herstellen, ebenso wie den Menschen, die es verwenden. Möge es mit seiner Lebhaftigkeit, seiner Eleganz und seiner Gelassenheit immer für Wohlbefinden sorgen. Danke, Nolita!

Hier ist die Sommersehnsucht groß – also der perfekte Moment für ein Interview zu Nolita. Für welches Lebensgefühl wurde der Stuhl entworfen?

Simone Mandelli: Nolita wurde für die Geselligkeit im Freien konzipiert, für diese typisch menschliche Angewohnheit, eine Pause einzulegen, sich hinzusetzen und gemeinsam zu plaudern, zu diskutieren, zu lachen. Vielleicht besteht Nolita auch gerade deshalb mehr aus Luft, als aus Metall. Es verschwindet eher, als dass es in Erscheinung tritt und wurde dafür kreiert, Menschen in Transparenz zu zeigen.

Antonio Pagliarulo: Nolita ist ein Sommerobjekt. Und da der Sommer mit seiner Sonne, seinem üppigen Grün und der Ferienzeit einen eindrücklichen Charakter besitzt, ist er in unserer Vorstellung zu jeder Jahreszeit präsent. Für einen Moment innezuhalten und sich zu setzen ist eine sommerliche Handlung, die in jedem der zwölf Monate für Wärme und Farbe sorgt.

Mit welcher Aufgabenstellung kam Pedrali damals auf euch zu?

Simone Mandelli: Der Entwurfsprozess für Nolita begann mit einer Zeichnung, die ein glücklicher Zufall begünstigte: Es war die perfekte Hommage an das 50-jährige Bestehen des Unternehmens und erinnerte an dessen ursprüngliche Kompetenz – die Herstellung von Gartenstühlen aus Eisen.

Nolita ist ein wahrer Multifunktionskünstler – gerne draußen, wetterfest, leicht zu bewegen, stabil, stapelbar und all das in filigraner, zeitloser Optik. Ein Stuhl, der für die Zukunft entworfen wurde und doch eng mit der Geschichte von Pedrali verbunden ist. Welche Elemente der Unternehmensgeschichte waren für euren Entwurf essenziell?

Simone Mandelli: Pedrali stellt seine Artikel selbst her. Somit verfügt es über einen großen praktischen Erfahrungsschatz, der über die Zeit immer weiter gewachsen ist. Als unser Projektvorschlag eintraf, blickte das Unternehmen bereits auf fünfzig Jahre Expertise in der Metallverarbeitung mit modernsten Maschinen zurück, die zum Teil sogar selbst hergestellt wurden.

Antonio Pagliarulo: Darüber hinaus wurden das Know-how und das historische Gedächtnis des Unternehmens im Dialog "Wir erinnern uns" zusammengefasst. Mit Freude denken wir an die Leidenschaft und das Vertrauen zurück, mit denen die ersten Prototypen geschaffen wurden.

Was macht in euren Augen zeitloses Design aus?

Antonio Pagliarulo: Für uns ist es essenziell, von einem zeitlosen Objekt auszugehen. Was natürlich keine Garantie dafür ist, ob wir das auch schaffen. Ein Paradoxon, das sich mit folgender Formel auflösen lässt: Für einen Designer oder eine Designerin ist es notwendig, einen zeitlosen Blick zu haben und die Dinge so zu betrachten, als hätten sie alle die gleiche Bedeutung und Würde.

"Seine Idee ist so einfach, dass es sich anfühlt, als hätte es schon immer existiert", heißt es in eurem Zitat. "Einfach" klingt nur einfach. Wie lange hat die Entwicklung gedauert und wie kompliziert war der Prozess – auch bezüglich der Bequemlichkeit des Stuhls?

Simone Mandelli: Der Entwicklungsprozess von Nolita hat mehr Zeit in Anspruch genommen als jeder andere. Von der ersten Zeichnung bis zur öffentlichen Präsentation vergingen etwa drei Jahre. Diese Zeit des Feinschliffs war jedoch notwendig, um die Formen weicher und das Ganze harmonischer zu gestalten. Die Einheit von tragender und gestützter Struktur bildet den organischen Verlauf der Rohre und Stäbe, der der idealen Oberfläche eines sitzenden Menschen nachempfunden wurde.

Antonio Pagliarulo: Dieser Prozess erfolgte gemäß trial and error – eine Reihe von Hypothesen, die durch Modelle empirisch nachgewiesen werden müssen. Es gibt Erwartungen, viele Beteiligten und Diskussionen zu den Prototypen. Einige Details werden während dieser Diskussionen festgelegt, andere entstehen intuitiv, während man gerade auf die Herstellung eines Bauteils wartet. Der gesamte kreative Prozess entfaltet sich von der ersten Zeichnung bis zum fertigen Produkt.

Gab es Vorbilder, die euch für euer Design inspiriert haben?

Antonio Pagliarulo: Seit unserer Studienzeit haben wir einen persönlichen Olymp an meisterhaften DesignerInnen zusammengestellt. Wir verfolgten ihre Spuren, beobachteten ihre legendären Unternehmen und verehrten ihre Schöpfungen. Nach und nach wuchs in uns der prometheische Drang, diesen Olymp auf die Erde zu holen und zu unserem eigenen Alltag zu machen. Also begann sich die ganze Reihe von Zeichen- und Bildsprachen, die wir bis dahin aus ehrfürchtiger Distanz betrachtet hatten, mit unseren eigenen Biografien zu verbinden und eine eigene Sprache zu formen. Auch hier half trial and error. Unter all diesen Versuchen und Irrtümern entsteht dann hin und wieder etwas völlig Eigenes – wie im Fall von Nolita.

Simone Mandelli: Es braucht eine Menge Leidenschaft. Wir haben viel von Holz-, Tischler-, Keramik- und Weberei-HandwerkerInnen gelernt, unsere Lehrmeister.

So zurückhaltend und schwerelos das Design, umso verspielter sind die Farben, die ihr gewählt habt. Welche Geschichten erzählen sie?

Simone Mandelli: Die Frage enthält zweifelsohne einen Teil der Antwort. Bei den meisten menschlichen visuellen Wahrnehmungen gibt es eine Hierarchie der Elemente. Anders gesagt: Etwas sticht zuerst ins Auge. Nolita wird oft aufgrund seiner Farbe wahrgenommen. Was an der schlanken und minimalen Struktur liegt, die es dem Blick erlaubt, den architektonischen Kontext wahrzunehmen, in dem der Stuhl steht. Es scheint, als würde Nolita nur aus dünnen farbigen Linien bestehen. Es ist also die Zurückhaltung der Form, die die Farbe spielerisch macht!

Antonio Pagliarulo: Die Wahl der Farben ist wie ein Spiel. Wir stellen uns Kombinationen vor, in denen wir Stühle in verschiedenen Farben stapeln, vergleichen Stoffe und kreieren dann harmonische Paletten rund um markante, ausgewählte Farben. Im Laufe dieses Jahrzehnts haben wir beobachtet, dass Nolita in vielen verschiedenen Kontexten verwendet wurde. Die Farbe spielte dabei oft eine wichtige Rolle, um auf Details der Architektur oder die visuelle Identität eines Ortes oder eines Unternehmens hinzuweisen.

Wie läuft ein Prozess bei euch ab? Übernimmt jeder eine andere Funktion?

Simone Mandelli: Jedes Projekt ist das Ergebnis eines alchemistischen Prozesses. Eine Reihe von Beiträgen, Ideen, Intuitionen, Kritiken, Zweifeln, Überzeugungen, die von jedem der Beteiligten kommen, landen in dem Reagenzglas, das am Ende unseren Entwurf destilliert. Die Magie dieser Chemie ist eine Art Geheimnis. Sie entsteht durch jeden von uns gleichermaßen.

Antonio Pagliarulo: Die Vollständigkeit der endgültigen Form unserer Projekte ist das Maß unserer Einheit.

Ihr arbeitet bereits seit 2012 mit Pedrali zusammen, was schätzt ihr besonders an dieser Kooperation?

Simone Mandelli: Unsere Zusammenarbeit mit Pedrali begann mit einem mutigen Vorschlag unsererseits, der das Interesse des Unternehmens weckte. Monica und Giuseppe haben uns von Anfang an ermutigt. Wir durften unser Bestes geben und fest an das glauben, was wir taten. Seitdem ist der gegenseitige Respekt noch weiter gewachsen und der Raum für ungewöhnliche Ideen größer geworden, selbst wenn sie große Investitionen oder eine radikale Umstrukturierung der Produktion erforderten. Wie bei Nolita.

Maximaler Komfort bei minimalem Materialeinsatz, heißt es bei eurem Stuhl – welche Rolle spielt das Thema Nachhaltigkeit in euren Entwürfen?

Antonio Pagliarulo: Ein japanisches Sprichwort, an das sich Bruno Munari erinnert, besagt: Schönheit ist die Konsequenz von Gerechtigkeit. Als wir damals mit unserem jugendlichen Idealismus auf diesen Satz stießen, machten wir ihn zu unserem Credo. Seitdem stellen wir uns immer wieder die Frage: Was ist gerecht? Diese Frage ist an sich schon eine Sehnsucht nach Nachhaltigkeit. Für uns bedeutet Nachhaltigkeit Zweifeln – etwas, das uns dazu bringt, Gestaltungswege zu verwerfen, noch tiefer zu forschen, eine Idee oder auch unseren eigenen Beruf zu hinterfragen. Es ist das Gewissen, das uns davon abhält, ungerechte Dinge zu tun, und das nur dann schweigt, wenn wir sicher sind, dass wir das Minimale maximiert haben.

Simone Mandelli: Wenn man sich Nolita anschaut, stellt man fest, dass das Material nicht weiter reduziert werden kann. Und dass die Komponenten genau so angeordnet sind, dass sie in der Statik des Objekts zusammenwirken, ohne Redundanzen. Wie zum Beispiel die hinteren Beine, die eine Art gebogene Brücke bilden, die den Sitz stützt und die Stangen miteinander verbindet. Dadurch wird das Ganze so solide wie ein Balken. Eine nachhaltige Entscheidung, weil sie funktionale Elemente in der kleinstmöglichen Anzahl von Komponenten zusammenführt!

"Zu 100 Prozent aus Italien" – trifft dieses Motto von Pedrali auch auf Nolita zu?

Antonio Pagliarulo: Für Nolita gilt sogar "Zu 100 Prozent von Pedrali", da der Stuhl tatsächlich vollständig in der Pedrali-Fabrik in Mornico al Serio in Italien hergestellt wird.

Nolita ist ein Stuhl, der keine Schatten wirft, sondern Linien im Raum vervielfacht. In einigen Restaurants ist das Sitzensemble zu einem visuellen Markenzeichen geworden. Wie wichtig war dieser Aspekt schon in der Entwurfsphase?

Antonio Pagliarulo: Um ehrlich zu sein, haben wir den grafischen Effekt, der durch die Wiederholung der Nolita-Linien und ihre Vervielfachung in der Transparenz entsteht, erst entdeckt, nachdem wir den Stuhl entworfen hatten. Genauer gesagt ist uns aufgefallen, dass die Nolita ein Muster aus farbigen Linien bilden, das als visueller Anziehungspunkt für einen Veranstaltungsort dienen kann. Seitdem berücksichtigen wie diesen Aspekt bereits von Anfang an.

Nolita steht und lebt in privaten Außenbereichen ebenso wie in Bistros und Cafés, Museen und Universitäten, Hotels und Luxusresorts – habt ihr einen Lieblingsplatz?

Antonio Pagliarulo: Einen bestimmten Lieblingsplatz habe ich nicht, aber ich freue mich immer, wenn ich beim Spazierengehen auf der Straße oder auf einem Platz darauf stoße, sowohl in meiner eigenen wie in einer weit entfernten Stadt. Dann habe ich das Gefühl, dass wir einen kleinen Beitrag zu dieser Ecke der Welt geleistet haben.

Sessel, Lounge-Versionen, modulare Sofasysteme, eine Chaiselongue bis zum Hocker – inzwischen hat die Produktfamilie jede Menge Zuwachs bekommen. Wenn ihr ein Charakter eurer Nolita-Produktfamilie wärt, welcher wäre das?

Antonio Pagliarulo: Stuhl mit niedriger Rückenlehne, schöne Proportionen.

Simone Mandelli: Sessel mit hoher Rückenlehne, schöne Proportionen.

Antonio Pagliarulo: Da sind wir uns nicht einig.

Simone Mandelli: Gott sei Dank! Wir haben sogar darauf bestanden, beide zu entwickeln, und sie waren beide sehr erfolgreich.

Wann ist das Maximum einer Produktfamilie erreicht? Ist noch Luft nach oben bzw. zwischen den Stäben?

Simone Mandelli: Sicher, es gibt immer Raum für Verbesserungen. In regelmäßigen Abständen nehmen wir die Nolita-Zeichnungen zur Hand, verfolgen die Wendepunkte der wichtigsten Entwurfsentscheidungen zurück und stellen sie in Frage, indem wir uns eine andere, alternative Entwicklung vorstellen. Wer weiß, vielleicht kommt ja eines Tages etwas dabei heraus.

Wo seht ihr Nolita in 20 Jahren?

Antonio Pagliarulo: Nolita sollte ein zeitloses Objekt werden, kein Modetrend. Wir hoffen, dass die nächsten zwanzig Jahre das bestätigen und Nolita ein Objekt für alle wird.

Pedrali @ Salone del Mobile
8. – 13. April 2025
Hall 24 | D30 D38