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STYLEPARK PEDRALI
Sanfte Stärke

Die Architekten und Designer Pio und Tito Toso haben für Pedrali den Tisch "Anemos" entworfen, der das Material Beton auf eine neue Weise zum Ausdruck bringt: Zwei Schalen haben die Brüder aus ihm geformt, die leicht gedreht die Basis für die gerundete Tischplatte bilden. Tito Toso erklärt uns die Idee in einem Interview.
12.05.2023

Anna Moldenhauer: Tito, wie kam es zu der Zusammenarbeit mit Pedrali?

Tito Toso: Für uns ist es eine große Ehre, mit Pedrali zu arbeiten, da das Unternehmen demokratisch arbeitet. Unserer Meinung nach besteht der Traum eines Industriedesigners darin, etwas zu entwerfen, das nicht nur für einen kleinen, wohlhabenden Teil der Bevölkerung bestimmt ist. In der Zusammenarbeit mit Pedrali hatten wir die Möglichkeit, das Produkt so zu entwickeln, dass wir das Beste aus der Idee herausholen konnten. Pedrali ist mutig, sie nehmen Herausforderungen im Design an, und das ist für uns eine große Freude, weil es nicht selbstverständlich ist. Außerdem ist die zwischenmenschliche Beziehung zwischen dem Entwicklungsteam von Pedrali und uns sehr herzlich.

Inwieweit war das Material Beton eine Inspiration für "Anemos"?

Tito Toso: Beton ist ein Material mit einer sehr langen Geschichte, das die Menschen seit Jahrhunderten begleitet. Der Ausgangspunkt seiner Herstellung ist fließend, da er aus einer Mischung aus Wasser, Sand und Steinen besteht, und diese Dynamik des fließenden Ursprungs haben wir für die Form des Tisches beibehalten. Die sanfte Drehung im Sockel wirkt wie eine natürliche Bewegung, die an Segel, Wellen und Wind erinnert.

Der Tisch ist solide, aber dennoch für den universellen Einsatz gedacht – wie habt ihr diesen Kontrast gelöst?

Tito Toso: Bei der Gestaltung haben wir uns von den großen Werken des italienischen Bauingenieurs und Architekten Pier Luigi Nervi inspirieren lassen, der Stahlbeton nicht im klassischen architektonischen Sinne betrachtete, sondern eher als eine Membran, als eine Oberfläche. Dieser Ansatz ist für uns sehr interessant, weil er die Möglichkeit eröffnet, dem Material eine unerwartete Weichheit zu verleihen, wie man sie jetzt beim Berühren der Tischplatte von "Anemos" spüren kann. Für uns ist es entscheidend, eine Beziehung zwischen dem Benutzer, der Umgebung und dem Produkt herzustellen. Wir wollen mit unserer Arbeit nicht einen Stil verfolgen, sondern eine neue Verbindung, eine neue Art von Funktion schaffen. Die Materialität steht für uns im Mittelpunkt, und dadurch wollen wir eine Poesie vermitteln.

Tito Toso im Gespräch mit Anna Moldenhauer, Stylepark

"Anemos" besteht aus zwei Betonschalen, die an der Tischplatte befestigt sind; die Dicke des Betons ist minimal. Minimalistische Formen sind meiner Meinung nach schwieriger zu realisieren, weil nichts versteckt werden kann. Das Design muss auf den Punkt gebracht werden. Warum habt ihr euch für diese Formen entschieden?

Tito Toso: Das war eine Herausforderung für uns. Wir wollten einen Kontrast zwischen dem massiven Material und seiner Stärke schaffen. Um eine minimale Stärke zu finden, die dem Tisch dennoch die nötige Stabilität verleiht, haben wir viele Prototypen entwickelt und die Kräfte ausbalanciert. Außerdem wollten wir eine Form schaffen, die einerseits vertraut ist und andererseits eine neue, noch nie dagewesene Ebene aufweist. Das Vertraute im Neuen zu finden, ist eine Stärke des Designs. Es muss mit der Umgebung harmonieren. So bringt "Anemos" Einflüsse aus der Architektur in seine Form.

Du arbeitest mit deinem Bruder Pio zusammen. Wie spiegeln sich eure unterschiedlichen Persönlichkeiten in der Gestaltung wider?

Tito Toso: Für mich geht es bei Beziehungen immer darum, den tieferen Wert einer Person zu erkennen, ihre Haltung und ihr Feingefühl, und so ist es auch bei meinem Bruder und mir. Wir haben eine andere Art, das Leben zu betrachten, und daraus können sich Ideen ergeben, wie die Kontraste in "Anemos" für Pedrali zeigen.

Ihr habt beide Architektur studiert. Wie hat diese Ausbildung deine Auffassung von Design beeinflusst?

Tito Toso: Man denkt über Aspekte nach, die man als Designer nicht sofort in Betracht ziehen würde, daher sehe ich es als eine Form der Bereicherung.

In der Architektur ist Beton ein Material, das man aktuell eher versucht zu vermeiden und nach möglichen Alternativen forscht. Im Design hingegen werden, wie bei eurer Arbeit, die Grenzen des Materials mit neuen Formen ausgelotet. Warum ist das deiner Meinung nach der Fall?

Tito Toso: Ich denke, wir haben eine andere Herangehensweise an die Verwendung von Beton in Innenräumen, weil er in dieser Verwendung sehr langlebig ist und flexibel an den Bedarf angepasst werden kann.

Pio und Tito Toso (v.l.n.r.)

Ich habe auf der Website von Pedrali ein Zitat von euch gelesen, in dem es heißt: "Ein Tisch muss funktional sein, ohne sich der Umgebung aufzudrängen. Im Gegenteil, er muss die Architektur seines Umfelds zum Vorschein kommen lassen." "Anemos" ist sehr skulptural, dominiert aber nicht den Raum. Wie erreicht ihr dieses Gleichgewicht?

Tito Toso: Unser Anspruch ist es, das Element auf seine Essenz zu reduzieren. Wir sehen uns als Dienstleister, der den Alltag der Menschen, die unsere Möbel und Produkte nutzen, verbessern soll. Das Design muss universell zugänglich und funktional sein.