Wissenstransfer
Ziel des "Mentorship Milano" ist es ein Netzwerk zu schaffen, das junge Frauen bei der Berufswahl unterstützt und ihnen für die ersten Schritte in dem jeweiligen Themenfeld eine Orientierung bietet. Ebenso möchte die Stadt Mailand mit dem Programm das Bewusstsein für die Gleichstellung der Geschlechter schärfen, ihre Rolle in der Gesellschaft stärken und insgesamt zur Überwindung der Geschlechterkluft am Arbeitsplatz beitragen. Insgesamt wurden gut 270 Mentorinnen aus den unterschiedlichsten Branchen ausgewählt, um die Autonomie junger Frauen bei der Berufswahl zu fördern – die Designerin und Architektin Patricia Urquiola ist eine von ihnen.
Esther Strerath: Was war Ihr erster Gedanke, als die Gemeinde Mailand Sie um Ihre Teilnahme bat?
Patricia Urquiola: Dass es wichtig ist, meine Erfahrungen als Ausgangspunkt und nicht als Ziellinie zu teilen. Als Beispiel für die nächste Generation von Frauen, wie man sein Potenzial zum Ausdruck bringen kann, ohne Kompromisse einzugehen. Indem man ein Gleichgewicht sucht, eine Laufbahn, die nur persönlich sein kann und keine Vorgabe, die man verfolgen muss. Ich freue mich, dass ich mich für den Gefallen revanchieren kann, den mir Mailand vor 40 Jahren erwiesen hat, als ich hier empfangen wurde.
Wie definiert sich Ihr Mentoring? Können Sie uns erklären, wie sie im Einzelnen aussieht? Was können Sie uns über Ihre ersten Erfahrungen mit jungen Frauen in Ihrer Rolle als Mentorin erzählen?
Patricia Urquiola: Mentorship Milano ist das erste Projekt zur Stärkung der Rolle der Frau, das im Rahmen des "Mailänder Arbeitsabkommens" ins Leben gerufen wurde und darauf abzielt, junge Studentinnen zu inspirieren sowie die Weitergabe von Wissen, Inhalten und Überlegungen zu fördern. Der Prozess umfasst mindestens drei Treffen in sechs Monaten. Ich habe meine Mentees bei der Präsentation des Programms im Januar diesen Jahres kennengelernt und sie haben mich beispielsweise einen Tag lang im Studio bei einem normalen Arbeitstag begleitet, bei Treffen mit KundInnen oder mit meinem Team. Das war für beide Seiten interessant.
Ich erinnere mich, dass ich Sie vor vielen Jahren interviewte und eine Frage über weibliche Attribute im Design stellte, und sie sagten es gäbe keinen Teil in Ihrer Arbeit der "typisch weiblich" wäre. Ist das immer noch der Fall?
Patricia Urquiola: Ich glaube nach wie vor, dass wenn von weiblichen Attributen im Design gesprochen wird, eine Art von Zartheit und Harmonie gemeint ist - das empatische Design, das ich oft erwähne. Ich glaube nicht, dass es damit zusammenhängt, dass eine Frau ein Produkt entworfen hat, sondern eher mit der Art und Weise, wie man an Projekte herangeht, mit einer gewissen Sensibilität.
In diesem Zusammenhang: Was ist mit Produkten wie "Weallcomefromvenus" und "Venis" für CC-Tapis?
Patricia Urquiola: Es ist eine Metapher, die uns dazu bringen soll, über die Notwendigkeit nachzudenken, weibliche Attribute zu integrieren, die in jedem von uns vorhanden sind. Schwarze Linien begrenzen den Umfang der schwebenden Formen und kennzeichnen die einzelnen Buchstaben, aus denen sich der Satz "We all come from Venus" (dt.: Wir stammen alle von der Venus) zusammensetzt. Ein Leitsatz, der auch in der hypnotischen Textur der Kollektion zum Tragen kommt: ein Wirbel aus Farben, der von der faszinierenden Atmosphäre der Venus inspiriert ist.
Wie würden Sie Ihren eigenen Werdegang als DesignerIn und ArchitektIn beschreiben? Wurden Sie mit Vorurteilen konfrontiert, weil Sie eine Frau sind? Oder das Gegenteil?
Patricia Urquiola: Als ich anfing, diese Tätigkeit auszuüben, war die Welt des Designs noch sehr viel männlich geprägt. Gleichzeitig war Mailand schon immer eine Stadt, die sehr offen für verschiedene Gemeinschaften und für diejenigen war, die mit ihrer eigenen Identität in Erscheinung traten. Ich erinnere mich, dass Gae Aulenti andere nicht ihre Weiblichkeit spüren lassen ließ, sondern dass sie vielmehr bewirken wollte, dass andere vergessen, dass sie eine Frau ist. Ich habe diese Methode auch aus Sorge angewandt, ich bin eine Frau und Spanierin, und ich wusste nicht, was von beidem mich am meisten repräsentierte. Es hat mir geholfen, meinen Rhythmus zu finden.
Welche Ratschläge geben Sie jungen Frauen in Ihrem beruflichen Umfeld?
Patricia Urquiola: Ein starkes berufliches und kulturelles Fundament zu haben, eine gute humanistische Bildung, aber auch eine Neugier für neue Technologien, neue Materialien, botanische Wissenschaften, Soziologie und Philosophie. Sie muss ihre Leidenschaft, ihre Obsession finden. Die Projektgröße, die am besten zu ihrem Talent und ihren Fähigkeiten passt.
Sie haben rund 70 MitarbeiterInnen in Ihrem Studio. Versuchen Sie, ein Gleichgewicht zwischen den Geschlechtern herzustellen?
Patricia Urquiola: Wir beschäftigen ein paar mehr Frauen als Männer, aber es ist ziemlich ausgeglichen. Die Auswahl der Bewerber im Studio erfolgt nach dem Leistungsprinzip; wir sehen, ob die Person aufgrund ihrer Ausbildung und ihrer Fähigkeiten für uns geeignet ist. Sie werden daran gemessen, wo sie stehen, was sie repräsentieren können, und müssen es wollen. Ich sehe es eher aus dieser Perspektive: Wer identifiziert sich mit mir? Vielleicht ist es für Frauen, die in mein Studio kommen, einfacher.