Mathias Hahn am Stand von Zeitraum auf der imm cologne. Foto © Zeitraum
Die fünf Basiselemente der „Kin“ Stauraum-Familie von Zeitraum im Überblick. Foto © Zeitraum
Die Kommode „Kin Big“ ist in Eiche oder Nussbaum erhältlich, naturbelassen oder farbig gebeizt. Foto © Zeitraum
„Kin Tiny“ gibt es vier verschiedenen Größenformaten. Foto © Zeitraum
Durch die sanft verlaufende Fräsung am „Tip on“-Griff kommt das Massivholz besonders gut zur Geltung. Foto © Zeitraum
Durch die „Tip on“-Technik lassen sich die Türen öffnen. Foto © Zeitraum
Die zusätzlichen Einlege- und Schubfächer sind ebenso aus Massivholz und sehr präzise gemacht. Foto © Zeitraum
Raumfassend und zurückhaltend: „Kin Tall“ gibt es mit ein oder zwei Türen. Foto © Zeitraum
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Partnertausch erwünscht
Im Gespräch:
Mathias Hahn 02.02.2016 Mathias Hahn ist einer der wenigen Deutschen, der nach seinem Design-Studium am Royal College of Art in London geblieben ist. In seinem Portfolio befinden sich Tische, Stühle, Leuchten und kleinere Haushaltsutensilien für Firmen wie Another Country, Asplund, Ikea, Ligne Roset, Marset und Vertigo Bird. Für den Massivholzspezialisten Zeitraum hat er bereits die Tische „E8“ und „M11“ entwickelt. Nun gesellt sich unter dem Namen „Kin“ eine Familie verschiedener Stauraumformate hinzu: Kommoden, Sideboards, kleine und große Schränke. Im Gespräch mit Martina Metzner verrät der Designer, was alles im Detail steckt und weshalb „Kin“ einen ein Leben begleiten kann. Martina Metzner: Sie haben einmal gesagt, es sei für Sie grundlegend, dass die Dinge neben der reinen Form und dem Material auch eine einfach zu lesende Zeichensprache haben. Welche Zeichensprache spricht „Kin“? Mathias Hahn: Wir nehmen alle Dinge in ihrem kulturellen Kontext wahr. Deswegen benutzen wir Dinge, die uns vertraut vorkommen, interagieren mit ihnen. Produktgestaltung ist daher ein wenig wie Sprache. Wichtig dabei ist – besonders wenn die Gesamtsprache eines Objektes sehr reduziert ist –, dass die Details präzise sind und das übertragen, was man aussagen möchte. Bei „Kin“ ist es der Griff. Wir haben hier die „Tip on“-Mechanik, einen Mechanismus, den man etwa aus Küchen und bei komplett monolithischen Oberflächen kennt, die man durch Antippen öffnen kann. Meine Herangehensweise war: Wie kann man es schaffen, dass man dieses Öffnen zelebriert? Stand das von Anfang an fest? Mathias Hahn: Für mich schon. Das Ganze hat sich aber im Laufe der Zeit weiterentwickelt, ich habe verschiedene Formen und Ausprägungen ausprobiert. Zum einen ist es ein grafisches Element, was auch der Proportion insgesamt eine Richtung gibt und dem Möbel einen Charakter. Zum anderen erzielt man durch die Fräsung, bei der die Fläche weich in den Kreis übergeht, eine haptische Qualität. Dort kann man das Massivholz richtig fühlen. Das ist ein Detail, was man mit Furnierholz oder einer mitteldichten Faserplatte nicht machen könnte. Es ist die einzige Stelle, an der ich den Schrank berühre, mit ihm interagiere. Deswegen war es mir wichtig, diese Stelle zu akzentuieren, ein Erlebnis einzubauen. Wie sind Sie auf den Namen „Kin“ gekommen? Mathias Hahn: Das Grundkonzept war, von einem klassischen modularen System für Stauraummöbel wegzugehen, also nicht den Kleiderschrank und das Sideboard als starre Typologie zu entwerfen, sondern verschiedene Volumen zu entwickeln, die verschiedene Größenbereiche für verschiedene Wohnkontexte abdecken. Zum Beispiel hat man einen Schrank für die Küche. Erfüllt er dort nicht mehr die ihm zugedachte Funktion, kann man ihn etwa mit einem Gestell versehen und in einen anderen Kontext verschieben, etwa das Wohnzimmer. „Kin“ ist also eine Familie von Einzelmöbeln, die für sich allein stehen, aber auch miteinander kombiniert werden können. Daher kommt der Name „Kin“, was im Englischen so viel heißt wie „Sippe“ oder „Verwandtschaft“. Sie leben in London in einer kleinen Wohnung. Entsprach es einem persönlichen Bedürfnis, „Kin“ zu entwerfen? Mathias Hahn: Ach na ja, ich entwerfe nicht direkt für mich (lächelt). Ich mache mir viele Gedanken über Alltagsrituale. Ich versuche gleichsam, den gesamten Kosmos zu betrachten, bevor ich in die konkrete Produktentwicklung einsteige. Ich frage mich immer: Welche Dinge sind relevant für Menschen, damit sie diese gerne und lange benutzen? Ein schönes Beispiel ist die Besteckschublade. Da sammeln sich verschiedene Sorten von Besteck an und durchmischen sich – und jeder hat darin einen Löffel oder eine Gabel, die er besonders gern benutzt. Das geschieht ganz intuitiv, hat aber Gründe. Das ist für mich interessant. Kann der Designer auf solche Prozesse überhaupt Einfluss nehmen? Mathias Hahn: Natürlich sind es oft persönliche Geschichten. Ich möchte aber den Spielraum dafür schaffen – auch bei „Kin“. Ich möchte den Menschen nicht sagen, ihr müsst diesen Schrank als Geschirr- oder Kleiderschrank nutzen, sondern ich möchte Stauraum schaffen, über den die Leute sagen: „Der passt gerade an dieser Stelle in mein Leben und den kann ich so und so benutzen.“ Was war das für eine Erfahrung, so ein großes, komplexes Massivholzmöbel mit Zeitraum zusammen zu entwickeln? Mathias Hahn: Zu Beginn haben uns erst einmal ausgetauscht. Dann sind wir darauf gekommen, dass Stauraum noch nicht so stark in der Kollektion repräsentiert ist. Ich wollte dieses Thema anfassen, weil es so komplex ist, eine Programmtiefe hat. Da steckt sehr viel Entwicklungsaufwand drin, da man sämtliche Details durchdeklinieren muss. Sie haben sich intensiv damit beschäftigt, wie Menschen Dinge verstauen. Hat sich das im Vergleich zu früher verändert? Mathias Hahn: Vor zwei Generationen war ein Massivholzschrank eine Anschaffung fürs Leben. Er wurde speziell angefertigt und war mit hohen Kosten verbunden. Solche Stücke verbleiben oft in der Familie – man muss nur an die klassische deutsche Schrankwand denken. Also habe ich mich gefragt, ob diese Typologie heute noch relevant ist? Heute ändert sich die Lebenssituation häufiger und schneller: Man zieht in die erste eigene Wohnung, ein Partner kommt hinzu, man gründet eine Familie. Dann kann es sein, dass die Familie sich wieder aufteilt, die Kinder ausziehen, Leute altersgerecht leben müssen. Meine Frage war: Wie kann ein Schranksystem diesen Veränderungen gerecht werden? Sie haben bereits Tische und Glasbehälter für „Ikea PS“ entworfen. Haben Hersteller deshalb Berührungsängste, mit Ihnen zusammenzuarbeiten? Mathias Hahn: Ich sehe da kein Problem. Im Gegenteil. Ein gut durchdachtes und materialgerechtes Produkt zur Serienreife zu bringen, spricht für den Entwerfer. Manchmal mache ich eher experimentelle Dinge, dann wieder Massenprodukte. Für mich war der Reiz an dem Ikea-Projekt der gleiche wie bei anderen Projekten. Natürlich gibt es einen Unterschied in puncto Qualität und Materialauswahl. Ich musste mich mit einem gewissen Preislimit auseinandersetzen. Die Herausforderung ist eine andere, wenn ich mit einer Manufaktur Objekte herstelle, die es nur zehnmal geben wird. Sie sind Teil von „Okay Studio“, das Sie vor rund zehn Jahren mit Designern Shay Alkalay, Tomas Alonso, Jordi Canudas, Peter Marigold, Yael Mer, Oscar Narud, Hiroko Shiratori and Jorre van Ast in London gegründet haben. Wie sieht die Zusammenarbeit heute aus? Mathias Hahn: Wir haben von Beginn an unabhängig voneinander gearbeitet. Jeder Einzelne hat seine eigene Ausrichtung und seine Kunden. Wir kennen uns aus dem Studium am Royal College of Art. Es ist in erster Linie eine Gemeinschaft von Freunden, in der wir uns über Design austauschen können. Wir haben mittlerweile getrennte Büroräume, teilen eine Werkstatt. |