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Paola Lenti, Gründerin der gleichnamigen Möbelfirma

Möbel für Morgen

Das breite Portfolio von Paola Lenti reicht von der Einrichtung für Yachten bis zur Innenarchitektur von Gebäuden. Zudem arbeitet das italienische Möbelunternehmen mit Universitäten zusammen, um nachhaltige Produkte zu entwickeln. Im Rahmen des diesjährigen Salone del Mobile besuchten die HerausgeberInnen von Stylepark die Gründerin Paola Lenti in Meda.
18.07.2022

Franziska von Schumann: Was ist der Vorteil Ihres Standorts in Meda? Warum sind Sie nicht auf dem Salone del Mobile in Mailand vertreten?

Paola Lenti: Die Entscheidung, unsere Kollektionen direkt an unserem Hauptsitz in Meda zu präsentieren, ist sicher ungewöhnlich – vor allem, wenn man bedenkt, dass z.B. der Fuorisalone traditionell im Herzen der Stadt stattfindet. Aber es hat sich gelohnt: Das Feedback, das wir von Seiten der KundInnen, DesignerInnen und der internationalen Presse erhalten haben, war dieses Jahr unglaublich positiv. Unser Hauptsitz ist von einem fast 27.000 Quadratmeter großen, begrünten Gelände umgeben. Unser gläserner Ausstellungsraum öffnet sich zu einem weitläufigen Garten mit Obstbäumen und üppigem Grün, und bietet somit den perfekten Rahmen für unsere neuen Kollektionen. Außerdem können wir die Ausstellung hier noch mehrere Monate lang offenhalten, was wir in einem gemieteten Raum nicht hätten tun können.

Robert Volhard: Ihre Produkte zeugen von großer Experimentierfreudigkeit und einer detaillierten Recherche. Was spricht sie an? Können Sie uns zum Beispiel mehr über die "Jardín"-Neuheiten und ihren besonderen historischen Hintergrund erzählen.

Paola Lenti: Ich muss zugeben, dass ich die Arbeit von Clara Porset eher zufällig entdeckt habe. Ich blätterte in einem Buch, das Bilder einer wunderschönen Kollektion enthielt, die Porset Ende der 1950er-Jahre entwarf – und ich verliebte mich sofort in die geschwungenen Formen dieser Stühle, die so niedrig entworfen waren, dass sie im Sand am Meer versanken. Genau in diesem Moment kam mir die Idee, diese Stühle neu zu interpretieren. In Zusammenarbeit mit Professor Jorge A. Vadillo López, dem Gründer und Kurator des Archivo Clara Porset an der Universität von Mexiko (UNAM), begannen wir mit einer gründlichen Recherche. Ich muss ihm dafür danken, dass es uns gelungen ist, eine unglaublich schöne und moderne Kollektion zu schaffen, ohne dabei das ursprüngliche Design zu verändern. Dabei haben wir uns in erster Linie auf die Materialien konzentriert, indem wir die Korbgeflechte mit unserem technischen Outdoor-Garn "Twiggy" aktualisiert haben. Die ursprüngliche Bugholzstruktur besteht jetzt aus glänzend lackiertem Aluminium, das in einer Reihe von exklusiven Farben erhältlich ist.

Robert Volhard: Paola Lenti leistet nicht nur auf dem Gebiet der Materialforschung und des nachhaltigen Denkens Pionierarbeit, sondern engagiert sich auch sehr für soziale Verantwortung. Hier in Meda präsentieren Sie ein wunderbares Projekt, das die Wiederverwendung von Materialien mit sozialer Verantwortung verbindet, indem es der Gesellschaft etwas zurückgibt. Können Sie uns mehr darüber erzählen?

Paola Lenti: Bei Paola Lenti haben wir schon immer daran geglaubt, dass Schönheit nicht von ethischer Verantwortung getrennt werden darf – und wir haben immer nach diesem Prinzip gehandelt. Der Schritt, soziale Komponenten in unsere Projekte einzubeziehen, fühlte sich deshalb sowohl natürlich als auch notwendig an. Wir sind uns zwar darüber bewusst, dass dies nicht unbedingt gefordert wird, aber für uns spielt diese Miteinbeziehung eine sehr wichtige Rolle bei jeder Art von nachhaltigem und zirkulärem Geschäftsmodell. Wenn wir wirklich nachhaltig sein wollen, können wir die ethische Komponente nicht ignorieren – und wir alle müssen uns dazu verpflichten, Ungleichheiten zu reduzieren, ebenso wie den Konsum. Darauf beruht das Projekt "Metamorfosi": Wir recyceln Reste aus der internen Produktion unserer Garne und Stoffe, um ihnen ein neues Leben zu geben. Das Ergebnis ist eine Sonderedition von Einzelstücken, die ein Gleichgewicht zwischen Kunst und Design herstellen. Fünf Sitzmöbel und ein Wandteppich, die in Zusammenarbeit mit dem sehr sozial eingestellten Schneideratelier CouLture Migrante in Como hergestellt wurden, um Frauen, die von sozialer Ausgrenzung bedroht sind, eine Chance zur beruflichen Integration zu geben. "Metamorfosi" ist keine Designkollektion, sondern ein umfassenderes Projekt, das einen bewussteren Umgang mit Rohstoffen und einen neuen Dialog zwischen Innovation, Handwerk und sozialer Verantwortung vorschlägt.

Franziska von Schumann: Die Entwicklung von Textilien war und ist für Paola Lenti sehr wichtig. Was erforschen Sie gerade im Bereich Textilien? Stößt das Bedürfnis nach Nachhaltigkeit auch hier in neue Dimensionen vor oder hat Paola Lenti nicht schon immer nachhaltig gedacht und war eigentlich von Anfang an fortschrittlich auf dem Gebiet der Wiederverwertung von Materialien und des nachhaltigen Handelns?

Paola Lenti: Unser Engagement für ökologische Nachhaltigkeit ist ein Grundprinzip der Marke. Seit ihrer Gründung haben wir immer wieder nach neuen Wegen gesucht, um den Verbrauch einzuschränken, umweltfreundliche Materialien und Produktionsprozesse zu wählen und lokale Lieferanten zu bevorzugen. Unsere unermüdliche Materialforschung, bei der wir von WissenschaftlerInnen, ForscherInnen und ProfessorInnen wissenschaftlicher Institute und Universitäten unterstützt werden, hat es uns ermöglicht, Materialien zu entwickeln, die schön, farbecht, langlebig und nachhaltig sind. Materialien, die uns nicht zwingen, zwischen der Schaffung eines schönen Raums und dem Schutz unseres Planeten zu wählen.

Franziska von Schumann: Sie haben zunächst als Grafikdesignerin und freiberufliche Art-Direktorin für Modemarken gearbeitet und dann begonnen, Ihre eigenen Glas- und Porzellanobjekte und Filzteppiche zu entwerfen. Inwieweit hat Sie Ihre Grafikdesign-Ausbildung bei der Produktentwicklung beeinflusst?

Paola Lenti: Nach einem klassischen Studium habe ich mich an der Scuola Politecnica di Milano eingeschrieben, wo ich großen Meistern begegnet bin: Munari, Ballmer und Garau, um nur einige zu nennen, die mir viel beigebracht haben. Nach Abschluss des Studiums begann ich, kleine grafische Arbeiten zu entwerfen, aber auch Ausstattungen für Modefirmen, wo ich einteilige Teppiche aus Filz anfertigte. Ich war sehr jung, als ich anfing zu arbeiten und ich habe alles, was ich vorher gelernt habe, in Ehren gehalten. Die Erfahrungen der Jugend begleiten unser Handeln ein Leben lang. Was mich betrifft, so hat mein Studium sicherlich dazu geführt, dass ich eine besondere Aufmerksamkeit für Details entwickelt habe. Daher kommt der Wunsch, immer tiefer in die Dinge einzusteigen: zu recherchieren, das Potenzial der Materialien zu entdecken, mit denen ich arbeite, neue Farbschattierungen zu studieren. Mich ständig zu verbessern ist die Grundlage meiner Arbeit, was sicherlich zum Teil mit meiner Ausbildung und zum Teil mit meinem Charakter zu tun hat.

Robert Volhard: Der Mensch und die Umwelt stehen für Sie im Mittelpunkt des Designprozesses. Wie zeigt sich das konkret im Entwicklungs- und Produktionsprozess?

Paola Lenti: Ich bin der Meinung, dass die Tätigkeit eines Unternehmens heutzutage in dem ökologischen und sozialen Kontext gesehen werden muss, in dem es tätig ist. UnternehmerInnen müssen daher verantwortungsbewusst handeln, denn ihre Entscheidungen haben direkte Auswirkungen auf die Umwelt und auf die Menschen. Das sind mitunter mutige Entscheidungen, und zwar aus verschiedenen Gründen: Vielleicht sind sie kurzfristig wirtschaftlich teuer oder sie greifen den Märkten vor. Als wir zum Beispiel beschlossen haben, die "Metamorfosi"-Kollektion auf den Markt zu bringen, haben wir ein Umdenken und eine neue logistische Organisation der Produktion und des Lagers in Gang gesetzt, um ein Archiv für Abfälle zu schaffen. Das ist gar nicht so einfach! Aber wir waren der Meinung, dass dieser Schritt notwendig war, und so können wir heute eine Kollektion produzieren, die noch nachhaltiger ist – sowohl in sozialer als auch in ökologischer Hinsicht.

Franziska von Schumann: Sie haben einmal gesagt: "Ich kann mich nicht erinnern, die Welt jemals in Schwarz und Weiß gesehen zu haben". Wie man an Ihren Produkten deutlich sehen kann, haben Sie keine Angst vor Farbe und verwenden auch gerne sehr poppige, intensive Farbtöne wie Neon, Pink, Limettengrün und Türkis. Wie schaffen Sie in Ihren Kollektionen ein Gleichgewicht zwischen natürlichen Tönen und leuchtenden Farben? Wofür steht Paola Lenti farblich gesehen?

Paola Lenti: Eine meiner frühesten Erinnerungen ist die, dass ich als Kind mit zwei Blättern farbigen Papiers spielte, einem blauen und einem orangefarbenen. Zwei kontrastreiche und doch komplementäre Farben. Das war das erste Mal, dass ich verstand, dass ich mit Farben spielen konnte. Es ist schwer zu erklären, aber es ist so, dass ich mir bestimmte Farbtöne in meinem Kopf bereits als real vorstelle, bevor ich sie erhalte. Es sei denn, die Farbe ergibt sich aus der Natur des Materials: In diesem Fall wird sie zu einem grundlegenden Aspekt und zu einem Wegweiser in eine bestimmte Richtung. Die Natur ist für uns eine Quelle der Inspiration und das, wonach wir streben. Die Farbe ist ein wesentlicher Bestandteil unserer Kollektionen und das Hauptunterscheidungsmerkmal. Die richtige Harmonie zwischen den Farbtönen, gekonnt kombiniert mit den Materialien, kann eine komfortable Umgebung schaffen, in der man sich gerne aufhält, allein oder in Gesellschaft.

Franziska von Schumann: Trotz der hohen Standards spielt die Handarbeit bei Paola Lenti eine große Rolle, wie etwa bei den Teppichen. Warum ist das wichtig für Sie?

Paola Lenti: Das menschliche Wohlbefinden steht im Mittelpunkt der Mission von Paola Lenti. Jedes Produkt ist so konzipiert, dass es einladend ist und niemals nur ein Objekt – im Gegenteil: es ist so konzipiert, dass es sich harmonisch in den Raum einfügt, ihn komfortabel macht und ästhetisch bereichert. Nach unserer Philosophie muss ein Wohnraum für die Menschen, die ihn bewohnen, funktional sein, ihre Lebensqualität verbessern und gleichzeitig positive Gedanken anregen, die nur entstehen können, wenn man von Schönheit umgeben ist. Die Verwendung traditioneller Produktionstechniken, wie Handarbeit und Handweberei, geht in diese Richtung des Wohlbefindens. Die Objekte wirken vertraut und beruhigend, als ob sie zu unserem Gedächtnis gehören.

Robert Volhard: Sie stellen jetzt zunehmend Möbel für die Inneneinrichtung her. Welche Erkenntnisse aus der Entwicklung von Outdoor-Design konnten Sie dabei nutzen?

Paola Lenti: Die Entscheidung, eine Kollektion für Innenräume auf den Markt zu bringen, war eine ganz natürliche Entwicklung, vor allem wenn man bedenkt, dass das Unternehmen ursprünglich Teppiche und einige kleine Sitzmöbel für Innenräume herstellte. Es war also eine Rückkehr zu den Ursprüngen, mit einer Einbindung der Erfahrungen, die wir bei der Arbeit für den Außenbereich gesammelt haben. Die Forschung, die wir schon immer über Materialien, ihre Eigenschaften und Möglichkeiten betrieben haben, ermöglicht es uns heute, auf exklusive Stoffe und Strukturen zurückzugreifen, die die besten Leistungen für den Außenbereich bieten. Unsere Kollektionen können unter extremen Umweltbedingungen bestehen. Es ist kein Zufall, dass Paola Lenti für die Ausstattung vieler Yachten auf der ganzen Welt gewählt wird. Und wenn ein Möbelstück in der Lage ist, unter permanenter Sonneneinstrahlung zu bestehen und dabei von Wind und Salz angegriffen zu werden, dann hat es im Innenbereich ein entsprechend leichtes Leben!

Robert Volhard: Ein breites Spektrum, von der Einrichtung von Yachten bis zur Innenarchitektur von Gebäuden – wie schaffen Sie diesen Spagat?

Paola Lenti: Wenn wir entwerfen, haben wir nur ein Ziel: funktionale, ästhetisch harmonische und leistungsfähige Umgebungen zu schaffen, die den Menschen, die darin leben, ein Wohlbefinden bereiten. Wenn dies das Ziel ist, ist der Verwendungszweck irrelevant.

Franziska von Schumann: Sie haben das Unternehmen "Paola Lenti" vor etwa 25 Jahren gegründet. In welche Richtung haben Sie derzeit die Segel für die Zukunft gesetzt?

Paola Lenti: Seit unserer Gründung streben wir nach ständiger Verbesserung. Wir haben uns mehr und mehr strukturiert und sind zu einem international bekannten Unternehmen mit einem hohen Exportanteil geworden. Aber wir haben die Prinzipien, die uns inspirieren, nicht vergessen: Wir wollen weiterhin ein Unternehmen sein, bei dem der Mensch im Mittelpunkt steht, und das im Rahmen einer zunehmend zertifizierten Kreislaufwirtschaft auf ethische Weise arbeitet. Wir verfolgen dazu mehrere Ziele: die Lebens- und Arbeitsqualität unserer MitarbeiterInnen zu erhalten und in der Lage zu sein, umweltverträgliche Produkte zu schaffen, die wiederverwertbare Materialien integrieren und ihrerseits wiederverwertbar sind. Nachhaltigkeit ist heute keine Wahl, sondern eine moralische Verpflichtung. Unter diesem Gesichtspunkt wollen wir immer besser darin werden, zu reduzieren, maximal zu synthetisieren, um jede Form von Überflüssigem zu erkennen und zu vermeiden – und damit auch von Verschwendung.

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