ORIGINAL vs. PLAGIAT
Drei Fragen an Philip M. Jakober
Anna Moldenhauer: Herr Jakober, ab wann handelt es sich bei einem Werk um ein Plagiat?
Philip M. Jakober: Um die gestellten Fragen rund um das für Kreativschaffende stets präsente Thema Plagiate hilfreich und verständlich beantworten zu können, wird zunächst dargestellt, was ein Plagiat in schutzrechtlicher Hinsicht überhaupt ist. Hiernach werden in gebotener Kürze die Schutzrechte (geistiges Eigentum), welche für Designleistungen regelmäßig zur Anwendung gelangen, aufgezeigt, um sodann auf dieser Basis die gestellten Fragen für DesignerInnen informativ und hilfreich beantworten zu können. Von einem Plagiat spricht man, wenn eine Verletzung des geistigen Eigentums vorliegt. Unter sog. geistigem Eigentum werden alle Eigentumsrechte an Schöpfungen des menschlichen Intellekts verstanden. Solche Schöpfungen manifestieren sich meist in zwei- oder dreidimensionalen Gestaltungen. Diese sind durch die geistigen Eigentumsrechte (Schutzrechte) – vor allem durch das Urheberrecht, das Markenrecht sowie das Designrecht/ Geschmacksmusterrecht – geschützt, bzw. können durch eine entsprechende Registereintragung geschützt werden. Ein Plagiat ist dann ein Plagiat, wenn unrechtmäßig in ein soleches Schutzrecht eingegriffen und es dadurch verletzt wird. Um besser zu verstehen, wann genau ein unrechtmäßiger Schutzrechtseingriff vorliegt, bedarf es einer kurzen Erörterung zur Entstehung und zum Umfang dieser drei Schutzrechte, also dem Urheberrecht, Markenrecht und dem Design-/ Geschmacksmusterrecht.
Entstehung der Schutzrechte
Der Schutz des Urheberrechts entsteht bereits mit der Schöpfung eines Werkes (Designleistung). Dementgegen entstehen das Marken- und das Design-/ Geschmacksmusterrecht erst durch die EIntragung der Kennzeichnung (Marke) bzw. des Musters (Design) in das jeweilige amtlich geführte Marken- bzw. Musterregister aufgrund einer konkreten Anmeldung (Antragstellung). Dabei kann eine Designleistung, welche urheberrechtlichen Schutz genießt, parallel auch als Marke und/ oder als Design/ Geschmacksmuster in das jeweilige Register eingetragen werden. Diese drei Schutzrechte (geistige Eigentumsrechte) können demnach nebeneinander existieren.
Umfang der Schutzrechte
Urheberrecht, Markenrecht und Design-/Geschmacksmusterrecht weisen unterschiedliche Schutzumfänge auf. Der Schutzumfang gliedert sich jeweils in drei Faktoren auf, nämlich den territorialen, zeitlichen und inhaltlichen Schutzumfang.
1.) Territorialer Schutzumfang
Der territoriale Schutzumfang dieser drei Schutzrechte unterscheidet sich voneinander.
– Urheberrecht: Ein urheberrechtlich geschütztes Werk (Designleistung) ist räumlich automatisch in allen Ländern geschützt, in denen das Urheberrecht gesetzlich verankert ist.
– Markenrecht & Design-/Geschmacksmusterrecht: Das eingetragene Geschmacksmuster (Design) sowie die eingetragene Kennzeichnung (Marke) ist nur in den Territorien geschützt, für welche der jeweilige Schutz angemeldet und eingetragen wird.
2.) Zeitlicher Schutzumfang
Auch der zeitliche Schutzumfang unterscheidet sich bei allen drei Schutzrechten nicht unerheblich.
– Urheberrecht: Das europäische Urheberrecht gewährt UrheberInnen (und anschließend deren RechtsnachfolgerInnen, insbesondere ErbInnen) den Schutz des Werkes für die Dauer bis 70 Jahre nach dem Tod des/ der UrheberIn.
– Markenrecht: Das Markenrecht gewährt den Schutz der Kennzeichnung (Marke) zunächst für 10 Jahre ab Anmeldung. Der Schutz ist unbegrenzt um jeweils weitere 10 Jahre verlängerbar.
– Design-/Geschmacksmusterrecht: Das Design/Geschmacksmuster eröffnet zunächst für 5 Jahre ab dem Anmeldetag einen Schutz, welcher um jeweils 5 Jahrenbis zu einer maximalen Schutzdauer von 25 Jahren verlängertwerden kann.
3.) Inhaltlicher Schutzumfang
Den drei Schutzrechten ist gemein, dass diese eine Monopolstellung für die betreffende konkrete Designleistung erzeugen. Der Inhaber des Schutzrechts kann sozusagen anderen weitgehend verbieten, die Designleistung ohne seine Zustimmung zu verwenden. Diese Monopolstellung erstreckt sich dabei nicht nur auf die identische Ausgestaltung(exakte Kopie) der Designleistung, sondern zusätzlich auch auf einen gewissen Nachahmungs-/Verwechslungsbereich. So schützt das Markenrecht vor einer Verwechslungsgefahr, das Urheberrecht vor unfreien Bearbeitungen und im Design-/Geschmacksmusterrecht besteht ein Ähnlichkeitsschutz. Für das Vorliegen eines Plagiats, d.h. einer Verletzung eines Schutzrechts, kommt es darauf an, dass sowohl in den 1.) zeitlichen, als auch 2.) territorialen und 3.) inhaltlichen Schutzbereich zumindest eines der drei Schutzrechte eingegriffen wird. Der Eingriff muss zudem unrechtmäßig/rechtswidrig sein, sprich es darf keine vertragliche Erlaubnis (zB Lizenz) und keine gesetzliche Legitimation (z.B. private Nutzung) für die Verwendung vorliegen.
Ob ein Plagiat vorliegt, muss demnach in mehreren Schritten schutzrechtlich geprüft und bewertet werden:
1.) Eingriff in den zeitlichen Schutzbereich
Nur dann, wenn die Nutzung der ggf. plagiierten Leistung zeitlich nachder Entstehung des Schutzes (Schöpfung des urheberrechtlich geschützten Originalwerkes bzw. Anmeldung der Originalkennzeichnung/-marke und/oder des Originalmusters/-designs) erfolgt und der jeweilige Schutz des Originals nochaufrecht ist, liegt ein Eingriff in zeitlicher Hinsicht vor.
2.) Eingriff in den territorialen Schutzbereich
Ob die ggf. plagiierte Leistung innerhalb des für das Original (Designleistung) geschützten Territoriums in schutzrechtlich relevanter Weise benutzt wird, ist differenziert nach dem jeweiligen Schutzrecht zu beurteilen. Urheberrecht: Maßgeblich ist, ob in dem Land, in dem die Nutzung der ggf. plagiierten Leistung erfolgt, ein gesetzlich verankerter Urheberschutz besteht, was in der EU flächendeckend und auch außerhalb der EU in sehr vielen Ländern der Fall ist. Markenrecht & Design-/Geschmacksmusterrecht: Bei Marken und Mustern ist maßgeblich, ob die Nutzung der ggf. plagiierten Leistung in dem Territorium erfolgt, in dem für das Original ein betreffendes Registerrecht eingetragen worden ist.
3.) Eingriff in den inhaltlichen Schutzbereich
Ein Eingriff in den inhaltlichen Schutzbereich liegt vor, wenn die ggf. plagiierte Leistung mit dem geschützten Original identisch oder verwechslungsfähig/ähnlich/unfrei bearbeitet ist. Bei Identität liegt offensichtlich ein Eingriff in den inhaltlichen Schutzbereich vor. Demgegenüber kann die Beurteilung, wann bei unfreier Bearbeitung/Ähnlichkeit/Verwechslung ein Eingriff der plagiierten Leistung in den Schutz des Originals (Designleistung) vorliegt, mitunter sehr schwierig sein. Zur Grenzziehung zwischen einem Eingriff in den inhaltlichen Schutzbereich und einer freien Benutzung der geschützten Original-Designleistung gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Gerichtsentscheidungen sowohl im Urheberrecht als auch im Markenrecht und im Design-/Geschmacksmusterrecht. Grundsätzlich ist es erlaubt, sich von bestehenden Kreativleistungen inspirieren zu lassen, sodass bereits eine Anlehnung an bestehende Kreativleistungen noch keinen Eingriff in ein Schutzrecht und somit noch kein Plagiat darstellt. Ab einem gewissen Grad an Übernahme der prägenden Merkmale der geschützten Original-Designleistung ist diese jedoch als plagiierte Nutzung bzw. Plagiat zu bewerten. Dieser gewisse Grad an Übernahme wird bei diesen drei Schutzrechten wie folgt bewertet:
Urheberrecht: Im Urheberrecht wird die Grenzziehung zwischen unfreier (Plagiat) und freier Bearbeitung/Nutzung vom Bundesgerichtshof (BGH) u.a. durch die sog. Blässe-/Abstandstheorie gezogen. So kommt es nach dem BGH entscheidend auf den Abstand an, den das neue Werk zu den entlehnten eigenpersönlichen Zügen des benutzten Werkes hält. Eine freie Benutzung setzt dabei voraus, dass angesichts der Eigenart des neuen Werkes die entlehnten eigenpersönlichen Züge des geschützten älteren Werkes verblassen. Ein Verblassen ist anzunehmen, wenn die dem geschützten älteren Werk (Original) entlehnten eigenpersönlichen Züge im neuen Werk (ggf. Plagiat) zurücktreten, sodass das ältere Werk nur noch als Anregung für das neuere, selbständige Werk erscheint. Der BGH spricht davon, dass das ältere in dem neuen Werk nur noch schwach durchschimmert. Eine freie Benutzung kann sich aber – selbst bei deutlichen Übernahmen gerade in der (äußeren) Formgestaltung – auch dann ergeben, wenn das neue Werk zu den entlehnten eigenpersönlichen Zügen des älteren Werkes einen so großen inneren Abstand aufweist, dass es seinem Wesen nach als selbständig anzusehen ist (z.B. bei einer Satire/Parodie). Auch in einem solchen Fall spricht der BGH davon, dass die entlehnten individuellen Züge des älteren Werkes im neueren Werk "verblassen".
Markenrecht: Nach ständiger EU-Rechtsprechung liegt eine Verwechslungsgefahr dann vor, wenn das Publikum glauben könnte, dass die mit dem ggf. plagiierten Zeichen gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen aus demselben Unternehmen oder aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen. Die Verwechslungsgefahr bezieht sich im Markenrecht also nicht nur auf die Verwechslung der Zeichen (Original-Designleistung versus Plagiat), sondern auch auf die Verwechslung der Waren und Dienstleistungen, für welche die Marke angemeldet wurde und für welche die ggf. plagiierte Designleistung benutzt wird. Die markenrechtliche Verwechslungsgefahr ist dabei unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen, insbesondere der Wechselbeziehung zwischen der Ähnlichkeit der Zeichen (Original-Designleistung versus Plagiat) und der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren/Dienstleistungen. So kann ein geringer Grad der Ähnlichkeit der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Zeichen (Original-Designleistung versus Plagiat) ausgeglichen werden und umgekehrt. Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit zweier Zeichen (Original-Designleistung versus Plagiat) sind die fraglichen Zeichen als Ganzes miteinander zu vergleichen (Gesamteindruck). Dabei kann ein bestimmter oder können auch mehrere Bestandteile einer zusammengesetzten Marke für den im Gedächtnis der maßgeblichen Verkehrskreise hervorgerufenen Gesamteindruck prägend sein.
Design-/Geschmacksmusterrecht: Bei der Beurteilung, ob die plagiierte Designleistung in den inhaltlichen Schutzbereich der musterrechtlich geschützte Original-Designleistung fällt, ist vor allem folgender Maßstab, welchen der BGH in derartigen Fallkonstellationen stets bei seinen Entscheidung en zugrunde legt, zu beachten. Maßgeblich ist der Grad der Gestaltungsfreiheit, welcher bei der Entwicklung eines Geschmacksmusters vorhanden ist. So besteht eine Wechselwirkung zwischen dem Gestaltungsspielraum und dem Schutzumfang des Musters. Eine hohe Musterdichte und ein geringer Gestaltungsspielraum können zu einem engen inhaltlichen Schutzumfang des Musters mit der Folge führen, dass bereits geringe Gestaltungsunterschiede nicht mehr vom inhaltlichen Schutzumfang des Original-Designs/Geschmacksmusters umfasst sind. Umgekehrt erzeugt eine geringe Musterdichte und damit ein großer Gestaltungsspielraum einen weiten inhaltlichen Schutzumfang des Musters, was zur Folge haben kann, so dass selbst größere Gestaltungsunterschiede vom inhaltlichen Schutzumfang des Original-Designs/-Geschmacksmusters erfasst sind.
Fazit bzgl. Eingriff in den inhaltlichen Schutzbereich: Vor diesem Hintergrund ist demnach die Frage, ob ein Eingriff in den jeweiligen inhaltlichen Schutzbereich vorliegt, stets eine Einzelfallbeurteilung, welche in Bezug auf die ganz konkrete Original-Designleistung im Vergleich zur ggf. plagiierten Designleistung anhand der vorgenannten Kriterien zu beurteilen ist.
Wie können sich DesignerInnen vor Plagiaten schützen?
Philip M. Jakober: Plagiatoren daran zu hindern, Original-Designleistungen ungefragt zu übernehmen, ist – insbesondere in der digitalen Welt des copy-paste – fast unmöglich. Wenn eine Original-Designleistung nicht öffentlich gemacht wird, verringert sich die Wahrscheinlichkeit der Übernahme, doch dann bleibt auch der Erfolg und die Beachtung, Wertschätzung, der öffentliche Anstoß etc. der Original-Designleistung aus. Umso erfolgreicher eine Original-Designleistung ist und je mehr öffentliche Aufmerksamkeit, Beachtung und Wertschätzung sie erhält, desto mehr rückt sie ins Visier von Nachahmern. Dementsprechend ist wesentlich, dass Designer:innen einen möglichst umfassenden Schutz auf ihre Original-Designleistungen bereits vor deren Veröffentlichung erlangen und diesen Schutz auch nachweisen können. Es kann deshalb sinnvoll sein, auf die Original-Designleistung eine Marke (eher teuer) oder ein Design-/Geschmacksmuster (günstiger) anzumelden, um zusätzlichen Schutz neben dem Urheberschutz zu erwerben. Wesentlich ist, dass ein Schutz für die konkreten Original-Designleistung besteht und nachgewiesen werden kann, sodass erfolgreich gegen Übernahmen vorgegangen werden kann, wodurch u.a. diese Übernahmen beseitigt und generierte Einnahmen aus den plagiierten Nutzungen abgeschöpft werden können. In Bezug auf den urheberrechtlichen Schutz ist wesentlich, dass der/die Designer:in nachweisen kann, dass die konkrete Original-Designleistung von ihm/ihr stammt und zu welchem Zeitpunkt diese Original-Designleistung kreiert/geschöpft wurde. Manche Plagiatoren, oftmals jene, welche aus Unkenntnis und Unwissenheit gehandelt haben, lassen sich davon abhalten unliebsame Übernahmen vorzunehmen, wenn ein ©-Zeichen oder ein ®-bzw. TM-Zeichen an der Designleistung erkennbar ist.
Zu welchem Zeitpunkt ist es sinnvoll, den Rat einer Kanzlei hinzuzuziehen?
Philip M. Jakober: Um einen optimalen Schutz von konkreten, prägnanten Designleistungen – am besten vor Veröffentlichung und/oder Lizenzierung – zu erlangen, ist oftmals eine Beratung von einer erfahrenen IP-Kanzlei sinnvoll. Bei der Anmeldung einer Marke und/oder eines Designs/Geschmacksmusters kann eine erfahrene IP-Kanzlei ebenfalls sehr ratsam sein, wie auch bzgl. dem Nachweis des Urheberrechtsschutzes. Sollte eine Designleistung unberechtigt übernommen worden sein, so sollte das Vorgehen gegen den Plagiator bzw. den Nutzer der plagiierten Designleistungen noch vor dem Herantreten an diesen mit einer erfahrenen IP-Kanzlei besprochen werden. Bei der schutzrechtlichen Prüfung der konkreten Verletzungshandlungen und deren Beweissicherung sowie den möglichen Ansprüchen, der sinnvollsten Strategie samt effektivster Handlungsempfehlung ist eine IP-Kanzlei eine wertvolle Unterstützung.