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NACHHALTIGKEIT
Völlig losgelöst

Das Frankfurter Office for Micro Climate Cultivation OMC°C hat kürzlich das Fassadenbegrünungssystem "VERD° Facade" zur Marktreife gebracht. Für das neue Modell wurde erstmals ein kinetischer Aufbau aus filigranen Stahlseilkonstruktionen verwendet, der die Fassade nicht beeinträchtigt.
02.10.2024

Mit "VERD° Facade" zeigen OMC°C eine Weiterentwicklung des "VERD° System": "Wir haben ein Fassadensystem entwickelt, das auf einem kinetischen Prinzip besteht, Kräfte werden durch Gegenspannung aufgenommen. Es ist ein Seilsystem, das sich parallel zur Fassade befindet, welches am Fußpunkt befestigt wird und oben an der Dachtraufe. Ansonsten berührt es die Fassade nicht und schwebt davor. Es ist meines Wissens nach das erste Fassadensystem, das ohne große Eingriffe in die Fassade funktioniert und auch sehr flexibel ist", so die Designerin und Materialexpertin Nicola Stattmann, die gemeinsam mit Carlotta Stoll das Frankfurter Office for Micro Climate Cultivation gegründet hat. Seit dem Start in 2021 zeigen sie zukunftsweisende Ideen für die Begrünung der Stadt, sei es das "VERD° System" im Hinterhof des Senckenberg Naturmuseum Frankfurt, das freistehende "VERD° Space" auf dem diesjährigen London Design Festival oder nun "VERD° Facade" zur Fassadenbegrünung. Der Clou: "VERD° Facade" ist auch für denkmalgeschützte Bestandbauten unkompliziert nutzbar, da die Fassade für die Installation nicht perforiert wird. Ungebunden und modular wird das System wie ein Segel hochgezogen und kann dementsprechend auch wieder herabgelassen werden. Der Aufbau ist materialsparend gedacht und entsprechend leichtgewichtig. Einjährige, schnellwachsende Kletterpflanzen wie die Explosionsgurke, Mondrinde, Glockenrebe oder der Malabarspinat können nun die vertikalen Flachsnetze an sechs Modulen erklimmen, die jeweils zehn Meter hoch sind. Spätestens im Frühjahr kann die Begrünung dann seine volle Pracht auf 210 Quadratmetern Fläche entfalten.

Im Sommer wird der natürliche Vorhang vor der Fassade zum Schutz vor Hitze dienen, im Winter ist der Lichteinfall nicht behindert. Die Bewässerung des Begrünungssystems erfolgt indes automatisiert: Wieviel Wasser an das Substrat in Säcken aus Vlies abgegeben wird, kann individuell gesteuert werden. Die im Laufe des Jahres entstehende Biomasse ist wiederverwendbar, beispielsweise als Aktivkohle. Zudem binden die Kletterpflanzen CO2 und tragen zur Biodiversität bei. Entstanden ist die Weiterentwicklung in einem interdisziplinären Team mit unter anderem dem Diez Office und den Ingenieuren von Bollinger + Grohmann. Für den ersten Einsatz am Bau hat OMC°C das Rechenzentrumsunternehmen Equinix gewinnen können, an dessen Gebäude FR2.6 in Frankfurt das System nun installiert wurde. Die Begrünung soll so auch die Energieeffizienz der Rechenzentren verbessern und einen wichtigen Beitrag für das lokale Mikroklima leisten. Der Vergleich zu klassischen Systemen wird dabei in den folgenden Monaten direkt gegeben sein, denn parallel zu "VERD° Facade" ist noch ein klassisches Fassadenbegrünungssystem eines Mitbewerbers installiert, das ein Wachstum der Pflanzen bislang verwehrte. (am)