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Mit "Faneeri" hat Nikari erstmals einen Klappstuhl im Programm. Gefertigt aus Eichenholzfurnier, stammt der luftige Entwurf vom schwedischen Designer Jonas Forsman.

Aus Holz gemacht

Kari Virtanen ist einer der Pioniere, die in den frühen Neunzigerjahren ins finnische Fiskars kamen und den kleinen Ort in eine Designdestination verwandelten. Wie aus einer Tischlerei ein weltweit tätiges Möbelunternehmen wurde, hat uns Mitinhaberin und CEO Johanna Vuorio bei einem Gespräch im dortigen Headquarter erzählt.
von Claudia Simone Hoff | 28.08.2024

Dass einer der erfolgreichsten finnischen Möbelhersteller aus Fiskars kommt, ist kein Zufall. Der kleine Ort, der rund eine Fahrtstunde entfernt südwestlich von Helsinki liegt, zieht KünstlerInnen, DesignerInnen und HandwerkerInnen gleichermaßen an. In den Neunzigerjahren kamen Kreative aus allen Teilen des Landes hierher, restaurierten die leerstehenden historischen Häuser und eröffneten Werkstätten, Läden und Cafés. Der Ursprung des Ortes geht zurück bis in das Jahr 1649, als hier eine Eisenhütte entstand, aus der das gleichnamige Unternehmen hervorging.

Kari Virtanen hatte 1967 im finnischen Seinäjoki unweit des Flusses Nikkarinkoski eine Tischlerei eröffnet und galt sogleich als großes Talent seiner Zunft. Schon als Kind hatte er kleine Dinge aus Holz gefertigt, um von dem Verkaufserlös seine Familie zu unterstützen, erzählt Johanna Vuorio. Sein Unternehmen benannte er nach dem finnischen Wort Nikkari, das Tischler bedeutet, und nach dem benachbarten Fluss. Dass Virtanen mit Nikari von Beginn an gut vernetzt war, zeigt seine Zusammenarbeit mit dem Architekturbüro von Alvar Aalto, für das er zwischen 1967 und 1974 zahlreiche Projekte umsetzte. Für die von Aalto entworfene Kirche Lakeuden Risti in Seinäjoki entstand damals auch das Holztablett, das als ältestes Produkt von Nikari noch immer im Sortiment ist. Virtanen war immer auch selbst als Gestalter tätig und erhielt 1987 den renommierten Bruno Mathsson Award. Von ihm stammt auch der bekannte Saunahocker "Periferia KVJ3", der später in die Nikari-Kollektion aufgenommen wurde.

Die technisch besonders anspruchsvollen Stücke der Kollektion werden nach wie vor in der eigenen Werkstatt in Fiskars hergestellt.

Irgendwann wollte Virtanen jedoch mehr als nur eine Werkstatt betreiben, auch wenn er es als Tischler in Finnland zu Ruhm und Ansehen gebracht hatte. Er wünschte sich mehr Zeit für seine eigenen, künstlerischen Arbeiten und stellte sich Nikari als Unternehmen vor, das Möbel in aller Welt verkaufen sollte – von renommierten Designern entworfen und aus Massivholz gefertigt. Und hier kommt Johanna Vuorio ins Spiel, die einige Jahre beim finnischen Möbelhersteller Avarte als Produktmanagerin gearbeitet hatte und über ein großes Know-how verfügte. Sie vereinte all das, was man braucht für diesen anspruchsvollen Job, hatte sie doch Design Business Management und Holztechnologie studiert. Virtanen und Vuorio führten lange Gespräche, er erzählte ihr von seiner Vergangenheit, seinen Träumen und durchaus gewagten Geschäftsideen. Gut ein Jahr und einige schlaflose Nächte später kündigte sie ihren Job und ließ sich 2009 auf das Nikari-Abenteuer ein. So erzählt es Vuorio und ergänzt, dass aus Holz gefertigte Möbel in der Designmöbelbranche damals gar nicht gefragt waren. Doch da das Geschäft mit der Tischlerei nebenher einfach weiterlief, war das geschäftliche Risiko absehbar.

Wir treffen Johanna Vuorio, die inzwischen über die Mehrheit der Unternehmensanteile verfügt, im Headquarter von Nikari. Es ist in einem historischen Backsteinhaus aus dem frühen 19. Jahrhundert unweit des Zentrums von Fiskars untergebracht. Gleich daneben befindet sich die Werkstatt, in der die handwerklich besonders anspruchsvollen Möbelstücke hergestellt werden. Alle anderen Möbel fertigt Nikari in zwei weiteren finnischen Produktionsstätten, wobei sich eine davon auf die Herstellung von Tischen spezialisiert hat. Hauptabsatzmärkte für die Holzmöbel sind Frankreich, Großbritannien und die USA – der deutsche Markt will erst noch erobert werden.

Johanna Vuorio musste fast bei null anfangen, um Nikari weltweit als Designmarke zu etablieren. Dass es ihr in nur wenigen Jahren gelungen ist, in einer Reihe zu stehen mit finnischen Designikonen wie Artek, hat mit ihrer Branchenkenntnis und der klugen strategischen Ausrichtung des Unternehmens zu tun. Nikari setzt auf das für Finnland typische Material Holz und die Zusammenarbeit mit namhaften Designern, darunter Jasper Morrison, Claesson Koivisto Rune, John Pawson, Cecilie Manz und Alfredo Häberli. Fast alle Möbel und Accessoires wie Paravents und Kleiderständer werden aus massivem Eichen- oder Eschenholz gefertigt und manchmal auch mit anderen Naturmaterialien wie Leder und Leinen kombiniert. Immer zeitlos und zuweilen klösterlich-streng anmutend, changieren sie ästhetisch zwischen Skandinavien, Japan und den Shakern. "Immer mehr Menschen möchten mit einfachen Dingen leben", versucht Vuorio den Erfolg zu erklären.

Zu den bekanntesten Möbelstücken des Unternehmens gehört der versatil einsetzbare December Chair, den Jasper Morrison und Wataru Kumano 2012 für die "Nature Collection" von Nikari entworfen haben. Die Kollektion entstand anlässlich der World Design Capital Helsinki – ein Event, das das Unternehmen geschickt nutzte, um die eigene Marke zu internationalisieren. Der "December Chair" vereint alles, was typisch ist für die Produkte von Nikari: Hochwertige Materialien wie Holz, Leder und Leinenstoffe heben die Qualität der handwerklichen Fertigung und klaren Formgebung hervor. Johanna Vuorio, die seit 2020 auch CEO von Woodnotes ist, umgibt sich übrigens auch privat gern mit den Möbeln von Nikari. "Ich gehöre zu den Menschen, denen immer viele Dinge gleichzeitig im Kopf herumschwirren", sagt sie lachend. "Deshalb mag ich ein klares, reduziertes Interiordesign."

Studio Kaksikko hat die Kollektion "Akademia" um einen Hochstuhl ergänzt, der aus Eichen-oder Eschenholz gefertigt wird. Für mehr Komfort gibt es die Sitzfläche auch in einer Leder- und in einer Polstervariante.
Vor kurzem hat Nikari auf den 3daysofdesign in Kopenhagen den kompakten Loungesessel Archetyp von Jasper Morrison vorgestellt, der trotz seiner minimalistischen Formgebung bequem ist.
"Der Gedanke, der die 'Frame-Serie prägt, entspringt dem Wunsch nach absoluter Klarheit – in Form, Proportionen und Konstruktionssprache", sagt der englische Designer John Pawson.

Nach dem Besuch bei Nikari geht es zurück ins Dorf. Fiskars lebt ziemlich gut von seinem Künstlermythos und hat sich im Laufe der Jahre zu einer erfolgreichen Tourismusdestination entwickelt. Und auch wenn die Besucher vor allem in den Sommermonaten in Strömen in den Ort kommen, ist sein Charme erhalten geblieben. Vor allem auch deshalb, weil eine Kooperative dafür sorgt, dass die Qualität von Handwerk und Design hoch ist. Onoma heißt diese Vereinigung, die 1994 gegründet wurde und für Ausstellungs- und Verkaufsmöglichkeiten sorgt. Die MitgliederInnen, zu denen auch Johanna Vuorio und Kari Virtanen gehören, sind bestens untereinander vernetzt. Gerade erst zeigten einige von ihnen ihre Werke in der Ausstellung "Fragile" auf der Fiskars Village Art & Design Biennale, während Nikari in einem historischen Getreidespeicher das "Wohnzimmer" einer imaginären Wohnung mit seinen Möbeln bestückte, ergänzt um Teppiche von Woodnotes. Irgendwie scheint an diesem Ort immer alles mit allem zu tun zu haben.