Endlich ist der Frühling da! Die Jahreszeit hat freilich nicht nur ein sattes Maigrün an Bäumen und Blumen im Schlepptau, sondern auch eine Farbe, die polarisiert wie kaum eine andere: Gelb.
Nicht erst seit Claire Zachanassian die Güllener dazu bringt, gelbe Schuhe zu tragen, ist Gelb als Farbe des Neids und des Verrats bekannt. Was Friedrich Dürrenmatt in seiner tragischen Komödie „Der Besuch der alten Dame" so wundervoll ausschmückt und platziert, hat in der abendländischen Kultur Tradition: Gelb als Farbe von Gier und Dekadenz, als Anmaßung, Gold nachzubilden, oder als nie zu vergessendes, brandmarkendes Symbol. Auch tragen „Gelbe Karte" und „yellow press" nicht unbedingt zu einem positiven Gesamtbild der im Wellenlängenbereich zwischen 575 und 585 Nanometern liegenden Farbe bei. Und wer einmal versucht hat, sich als Mensch mit blondem Haar mit gelber Kleidung aufzuhübschen, wird verstehen, wie schief das gehen kann.
Umso verwunderlicher also, dass Gelb, nicht zuletzt auf der Mailänder Möbelmesse, als „die" Trendfarbe ausgerufen wird. Li Edelkoort warb bereits im Herbst 2009 für Gelb mit den Worten „Yellow is the new Pink" - und gab ihr gute Chancen als Komplementärfarbe für Grau, dem neuen Schwarz.
Wer sich auf dem Messegelände in Mailand oder in den Off-Shows in der Stadt umsah, stieß zeitweise sanft, manches Mal jedoch sehr unverblümt und mit voller Wucht auf sattes, zartes, knalliges oder pastellfarbenes Gelb. Nicht allein Vincent van Gogh war Zeit seines Lebens auf der Suche nach dem perfekten Gelb und ersann wahre Elegien auf seine Lieblingsfarbe: „Jetzt haben wir hier eine glorreiche, gewaltige Hitze ohne Wind, das ist etwas für mich. Eine Sonne, ein Licht, das ich mangels besserer Bezeichnung nur gelb, blasses Schwefelgelb, blasses Zitronengold nennen kann. Ach, schön ist das Gelb!"
Der niederländische Möbelhersteller Arco setzt nicht nur auf „scene", ein Kastenmöbel von Dick Spierenburg, das komplett in Gelb daherkommt und in Holz oder Lack eine gute Figur macht, sondern auch auf einen insgesamt sonnig-gelben Auftritt des gesamten Messestandes. Warum gerade Gelb? Jorre van Ast, Creative Director, bemerkt dazu: „Wir akzentuieren unseren Auftritt und unsere Corporate Identity insgesamt jeweils abwechselnd mit einer Farbe. Dass wir in diesem Jahr Gelb gewählt haben und so richtig lagen, war wohl Intuition...". Auch Porro griff tief in den Farbtopf und kolorierte nicht nur die bereits 2005 entworfene Chaiselounge „Nouvelle Vague" von Christophe Pillet jetzt in der trendigen Grundfarbe, sondern gleich das ganze Setting inklusive Tisch und Telefon mit. Und bei Missoni Home waren gelbe Blumen, Streifen oder Rechtecke obligatorisch. Der Sessel „Pinq Lounge", von René Holten für Artifort entworfen, blitzte in eher gedecktem Gelb auf dem Messestand hervor und erinnert formal dazu stark an Pac-Man, der im Mai 1980 das Licht der Welt erblickte.
Ist hier gar die Brücke zu schlagen, „gelbt" es sich vielleicht in Anlehnung an Vanilla-Hosen und Graffiti-Shirts, die in diesem Sommer zurück auf die Kleiderstangen zu drängen scheinen? Ist die Generation, die in ihrer Jugend fröhlich und bunt zu Sounds der Neuen Deutschen Welle, zu New Wave und Elektro-Pop tanzte, jetzt in den Entscheider-Etagen angekommen und verhilft Gelb zu einer Renaissance? Oder braucht es nach getragener Stimmung und gedeckten Farben in Zeiten der Krise endlich wieder Sonne, gute Laune und jede Menge Lichtblicke? Fest steht: Um Gelb kommt in diesem Jahr niemand herum, oder wie Volker Streckel, Manager der Design Post in Köln, so schön in Mailand kolportierte: „Nichts ist gelber als Gelb selber!"