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Das Büro im Wandel
"New Work ist für mich die Suche nach Sinn, nach Projektionsformen und Methodik, um in der aktuellen Arbeitswelt glücklich sein zu können", so Michael Trautmann, Gründer, Unternehmer und Podcaster von "OnTheWayToNewWork". Statt um Tischkicker und kostenfreien Matetee geht es für ihn bei der Idee des neuen Arbeitens darum, die Energien in einem Unternehmen ideal zu verteilen und sich mehr an den eigenen Stärken zu orientieren. Dazu gehört Räume zu schaffen, in denen Arbeiten und Leben harmonisch miteinander funktionieren, die Kreation eines "Work Life Space". "Ich glaube daran, dass das Büro kulturprägend ist und notwendig bleibt, wenn wir ortsunabhängiger arbeiten und weniger Fläche brauchen. Demnach fände ich es wünschenswert hochwertigere, ästhetische Arbeitsflächen zu entwerfen, die wohnlich eingerichtet sind. Auch für das Homeoffice sollte es eine bessere Ausstattung geben", so Trautmann. "Gewächshäuser der Kreativität" nennt Prof. Jan Teunen, Cultural Capital Producer und Initiator der Beratungsgesellschaft Officina Humana, das ideale Büro. Stimmige, ästhetische und modulare Umfelder, in denen Konzentration wie Entspannung möglich sind, so dass Menschen ihr volles schöpferisches Potential entfalten können. Ebenso sieht die Unternehmensberaterin Dr. Isabelle Kürschner einen Bedarf an offenen Bürokonzepten, die trotz digitaler Arbeit einen Ort der Begegnung bieten. "Einzelbüros werden definitiv nicht die Arbeitsstätten der Zukunft werden", sagt sie.
Die Frage nach Veränderung der bekannten Strukturen in unserer Arbeitswelt ist gerade in den herausfordernden Zeiten der Coronakrise drängender geworden. Das "neue Arbeiten" ist dabei nicht erst im Zuge der Pandemie entstanden – bereits 1984 veröffentlichte der Philosoph und Anthropologe Prof. Dr. Frithjof Bergmann sein Buch "Neue Arbeit, neue Kultur" und forderte ein Umdenken der Arbeitswelt von Grund auf. Weg von der standardisierten Erwerbsarbeit, hin zu kreativen Freiräumen, mehr Eigenverantwortung und einer gemeinsamen Gestaltung. Michael Trautmann traf im Rahmen seines Podcasts den Urvater des New Work in dessen Wahlheimat Michigan. "Entscheidend ist, dass wir nun die technologischen Möglichkeiten haben, um Arbeit anders aufzubauen, anders zu denken und zu organisieren als bisher. Arbeit kann den Menschen stärken, anstatt ihn zu schwächen", so Frithjof Bergmann. Die Gelegenheit wäre da, den Modebegriff mit der ernsten Absicht zu füllen, die der Definition anfangs noch zu Grunde lag. "Wie sieht die Welt aus, die wir wollen? Jetzt hängt es von uns ab", resümiert Bergmann.
New Work im Reagenzglas
Eine Chance zum Umschwung, verstärkt durch die weltweite Krise im Zuge der Covid19-Pandemie: Laut Dr. Isabelle Kürschner, Autorin des Buches "New Work: Wie wir morgen tun, was wir heute wollen", waren viele Aufgaben, die Unternehmen lange vor sich hergeschoben hatten, durch die erforderlichen Maßnahmen zum Schutz vor dem Coronavirus plötzlich sofort zu bewältigen. Ein New Work im Reagenzglas, welches auch die ewig Zögerlichen zwang, neue Modelle auszuprobieren – wie das papierlose, agile Arbeiten, unabhängig von festen Orten oder Tageszeiten. "Die Unumgänglichkeit der Situation hat den Unternehmen sehr viel Eigenverantwortung abverlangt", so Kürschner. Meetings per Videochat zu erledigen, statt für einen Kurztrip in den Flieger zu steigen, gehört einige Monate nach dem weltweiten Stillstand schon zum Alltag, dem "New Normal". Weniger zu reisen schont die Umwelt, spart Zeit und Kosten, allerdings sieht Michael Trautmann hier auch ein Risiko für eine zu eingeschränkte Sichtweise auf das weite Spektrum des New Work: "Remote ist nur ein Tool, nicht das New Work an sich", sagt er. Für eine nachhaltige Veränderung bedarf es ihm nach mehr als seine Mitarbeiter im Homeoffice arbeiten zu lassen. Wer den Umschwung will, müsse die Unternehmenskultur neu denken. Hinterfragen, warum ein agiles Arbeiten für das individuelle System sinnvoll ist, abseits des Trendgedanken. Sich gemeinsam mit dem Team auf einen Weg begeben, um Organisationsstrukturen kommunikativer und flexibler zu gestalten. Versuch und Irrtum zuzulassen und wenn nötig nachzujustieren. Mehr kreativen Freiraum gewähren, eine neue Vertrauenskultur anzustoßen und die lang geforderte Vereinbarkeit von Beruf und Familie greifbar zu machen. Wer eine ineffiziente Unternehmenskultur im Sinne des New Work verändern möchte, muss dies aus Überzeugung tun.
Das bedingt laut dem Zukunftsforscher Franz Kühmayer auch ein liberales Menschenbild seitens der Organisation und des Vorstandes. Kontrolle und Eigenverantwortung, klare Anweisungen und offene Diskussion, Forderung und individuelle Förderung sollten in einer Balance sein. Um sich in den Prozess des New Work zu begeben, sei eine ganzheitliche Betrachtungsweise gefragt. Schon im Jahr 2019 ergab der Ergebnisbericht zur Studie "Transformation von Arbeitswelten" des Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO, dass eine transformationale Führung ein maßgeblicher Erfolgsfaktor für Veränderungen der Arbeitswelt im Unternehmen ist. Wenn eine angestrebte Umstrukturierung von der Führung sichtbar vorgelebt und die Belegschaft in diese integriert ist, könne demnach eine höhere Kollaborations- und Nutzungsintensität von technologischen und räumlichen Infrastrukturen in der Organisation erreicht werden. "Betroffene zu Beteiligten machen", sagt Andreas Schubert, Geschäftsführer des international tätigen Forschungs- und Beratungsinstituts Great Place to Work. Wer sich hingegen nur kurzfristig mittels einer neuen Bürostruktur mit dem schönen Schein des New Work schmückt, wird dem Anspruch des neuen Arbeitens nicht gerecht. Mitarbeiter als "Mittel zum Zweck" zu sehen, von oben herab Strukturen zu verändern oder gar die vermeintlich kreative Freiheit des New Work auszunutzen, um unbezahlte Mehrarbeit zu erhalten, nimmt die Chance auf eine zukunftsgerichtete Veränderung. "Raumentwicklung und aktive Kulturentwicklung müssen gleichzeitig stattfinden. Die modernste Arbeitsumgebung nützt nichts, wenn sie die Unternehmenskultur nicht unterstützt. Das ist eine Erkenntnis aus den Evaluationen, die wir kürzlich durchgeführt haben", so Schubert.
Wenn man aus den Gesprächen mit Experten für den Wandel der Arbeitswelt ein grundlegendes Fazit mitnehmen kann, dann dass das Spektrum des New Work nicht als Schablone dient, die sich schnell und erfolgreich über jedes Unternehmen legen lässt. New Work ist ein langfristiger Prozess, der die Chance bietet für eine sozialere, effizientere Basis, auf der die Potenziale von Mensch und Technik ideal miteinander verknüpft werden können. In dessen Zuge dynamische Arbeitsräume möglich sind, die bedarfsorientiert die Produktivität fördern, wie als Ort der Kollaboration dienen. Das Konzept beschreibt ein Idealbild, das sich mit der technologischen und gesellschaftlichen Gegenwärtigkeit stetig weiterentwickelt. Die Herausforderung für Unternehmen ist es den Mut zu haben, sich auf diese einzulassen und zusammen mit ihrem Team schrittweise den eigenen Weg in die neue Arbeitswelt zu finden.