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Claudia Pasquero und Marco Poletto vom ecoLogicStudio präsentieren ein Verschattungssystem mit Mikroalgenkulturen, die CO2 aus der Luft filtern: "Photo.Synth.Etice".

Nachhaltigkeit
Zu Wasser und in der Luft

Verschmutztes Wasser, belastete Luft – zwei der gravierendsten Umweltbeeinträchtigungen weltweit. Designer und Architekten versuchen, mit nachhaltigen Ansätzen Abhilfe zu schaffen.
von Anna Moldenhauer | 20.11.2019

Atemluft und sauberes Trinkwasser sind zwei natürliche Ressourcen, ohne die der Mensch nicht existieren kann. Angesichts der zunehmenden Umweltverschmutzung versuchen Kreative aus der Not eine Tugend zu machen – Claudia Pasquero und Marco Poletto vom ecoLogicStudio haben vor kurzem ein leichtgewichtiges Verschattungssystem präsentiert, das CO2 aus der Luft filtert: "Photo.Synth.Etice" wird aus Biokunststoff hergestellt und besteht aus vielen kleinen Modulen, in denen sich ein Gel aus Mikroalgenkulturen befindet. Dank der geringen Größe der Algen kann auf kleinem Raum eine große Menge Organismen untergebracht werden, die sich zudem zügig vermehren. Mit Hilfe des Tageslichts funktionieren die Einheiten anschließend wie Fotobioreaktoren, die Kohlenstoffdioxiod aufnehmen und Sauerstoff produzieren. Pro Tag schafft der Prototyp derzeit die Verarbeitung von einem Kilogramm CO2 – das entspricht der Leistung von zwanzig großen Bäumen. Das System kann als durchsichtiger Vorhang an Fassaden von Neu- und Bestandbauten angebracht werden. Vor eine Fassade gehängt, verwandelt der Bio-Vorhang diese in einen leuchtend grünen, biotechnologischen Mikrowald. In der Dunkelheit erzeugt die Biomasse zudem eine schwache Luminifizierung. Als Objekt im öffentlichen Raum aufgestellt, könnte "Photo.Synth.Etice" neben seiner Funktion als Luftreiniger auch zur Verschattung und als Trennelement dienen.

Luftreinigung im Turm

Stickoxide, also Feinstaub, hat der niederländische Künstler und Entwickler Daan Roosegaarde bereits seit einigen Jahren im Visier: Er realisierte den "Smog Free Tower", dessen Prototyp in Rotterdam gebaut wurde und nun die Welt bereist. Die Außenflächen des sieben Meter hohen Turms sind von schräg versetzten Lamellen umgeben, die von Colt, einem Spezialisten für Gebäudetechnik, gefertigt wurden. Die Außenluft wird angesaugt und über eine Filtertechnologie im Inneren des Turms gereinigt: Kupferspulen laden den Feinstaub in der Luft elektrisch auf, Filter binden ihn. Zurück bleibt saubere Luft, die der Turm wieder nach außen abgibt. Für die Reinigung lässt sich ein Teil der Lamellenfassade wie eine Jalousie hochfahren. Die Partikel, die der "Smog Free Tower" aus der Luft filtert, verarbeitet Roosegaarde zu einem Schmuckstück: der "Smog Free Ring" trägt einen künstlichen Edelstein aus tiefschwarzem Smog. Der wenige Strom, den der Turm benötigt, stammt aus nachhaltiger Energieerzeugung. Mit der eigenen Muskelkraft die Luftverschmutzung verringern kann man indes mit einem ähnlichen Filtersystem im Miniformat: Am Lenker des "Smog Free Bike" von Daan Roosegaarde ist ein Kasten angebracht, der beim Radfahren die Stadtluft einsaugt und reinigt.

An einem Konzept für gleich mehrere Türme, die zur Reinigung der Luftverschmutzung beitragen sollen, arbeitet aktuell das Architekturstudio Znera aus Dubai. Jeder der gut 100 Meter hohen Gebäude des "Smog Projects" soll die Luft im indischen Delhi, der "Smog-Hauptstadt der Welt", in einem Radius von 1,2 Meilen reinigen. Insgesamt könnte jeder der Smogsaugtürme täglich 3,2 Millionen Kubikmeter saubere Luft produzieren. Für den Betrieb der Filtersysteme möchte das Team von Znera Wasserstoff und Solarenergie einsetzen. Auch für die Weiterverarbeitung des gesammelten Feinstaubs fehlt es nicht an kreativen Ideen: Das Start-up Graviky Labs plant, aus den kohlenstoffreichen Schadstoffen, die aus der Luft gefiltert werden, nachfüllbare Tintenstifte zu produzieren. Die Prototypen der Marker haben derzeit vier unterschiedliche Dicken, von 0,7 Millimeter bis 50 Millimeter. Die Füllung des 50 Millimeter dicken Markers entspricht dabei den Abgasen einer 130 Minuten dauernden Fahrt mit einem Dieselauto. "Air-Ink" entsteht so ohne eine Verbrennung zusätzlicher fossiler Brennstoffe, wie es bei der Herstellung herkömmlicher Tinte der Fall wäre. Zudem ist die Farbe der Marker besonders tiefschwarz und matt.

AIR-INK: First inks made from air pollution

Klärende Fliesen

Die Architektin Shneel Malik, Doktorantin am Bio-ID Lab der Bartlett School of Architecture in London, hat sich in ihrer Forschung der Reinigung von verunreinigtem Wasser angenommen: Als Ergebnis des Projekts "Indus" stellt Malik Fliesen vor, deren reliefartige Struktur mit einem Hydrogel auf Algenbasis beschichtet sind. Diese filtern Schwermetalle und Farbstoffe aus dem Abwasser oder – an einer Fassade angebracht – auch aus dem Regenwasser. Die Fliesenfläche bildet quasi einen Bioreaktor, der das Wasser reinigt, während es über die Fläche läuft. Die Herstellung der Fliesen könnten lokale Handwerker mit ihren individuellen, traditionellen Techniken übernehmen. Für die Zubereitung des Hydrogels, dass in Pulverform erhältlich sein wird, ist selbst nur Wasser erforderlich. Die Reinigung von öffentlichen Gewässern wäre somit kostengünstig, nachhaltig und vergleichsweise einfach an jedem Ort der Welt zu realisieren.

Am Lenker des "Smog Free Bike" von Daan Roosegaarde ist ein Kasten angebracht, der beim Radfahren die Stadtluft einsaugt und reinigt.