STYLEPARK BURGBAD
Nachhaltige Balance
Anna Moldenhauer: Jeannette, du arbeitest bereits seit einigen Jahren mit burgbad zusammen, "MYA" ist die zweite Kollektion. Was war eure Idee?
Jeannette Altherr: burgbad hatte sich ein Produkt gewünscht, dass einen mobilen Umgang mit dem Badezimmer ermöglicht. Kleinere Units, die platzsparend sind und die man selbstständig auseinanderbauen sowie transportieren kann. Parallel sollten sie zum Vertrieb über den Onlinehandel passen. Mit Blick auf die optische Wirkung wollten wir eine wohnliche Atmosphäre erzeugen, die nicht nur funktional ist. Quasi über die weiße Box hinaus, der man oft in Badezimmern begegnet. Daher gehören zur "MYA"-Kollektion Accessoires wie ein Korb, ein Tablett oder ein Hocker. Alle Elemente von "MYA" sind auch in anderen Räumen einsetzbar: Aus dem Stauraum für das Bad kann ein Nachttisch werden, das Handtuchregal mit den praktischen Halterungen passt ebenso in die Küche. Eine Capsule-Kollektion, die in viele Lebensbereiche integrierbar ist, eine Basis, die flexibel genutzt werden kann.
Warum habt ihr euch für die Idee der Capsule-Kollektion entschieden?
Jeannette Altherr: Wir wollten mit "MYA" eine hochwertige Kollektion schaffen, die wie ein Basic-Kleidungsstück funktioniert, das vielen Menschen zusagt. Auf das Wesentliche reduziert, kombinierbar, ästhetisch. Zudem ermöglicht uns das Konzept der Capsule-Kollektion von der Bestandskollektion unabhängig zu sein. Sie funktioniert im Sortiment von burgbad wie eine geschlossene Karte. Mit dieser Formel können die unterschiedlichen Kollektionen bei burgbad autark nebeneinander existieren, was für die kreative Entwicklung viel Freiraum gegeben hat. Es hat uns geholfen, mit burgbad neue Wege zu gehen.
Was war die Herausforderung in diesem Prozess?
Jeannette Altherr: Visionäre Ideen sind meist schwer verdaubar, daher muss man eine Übersetzung finden, die nicht zu extrem ist. Etwas schaffen, dass im Alltag funktioniert, aber trotzdem fortschrittlich ist. Ich denke es bedarf eines systemischen Denkens, der Erkenntnis, dass alles miteinander verknüpft ist. Als Designer ist man Teil des Konsumkreislaufes und ich finde man trägt darin eine Verantwortung diesen stetig zu verbessern.
"MYA" ist ganz im Sinne einer Capsule Collection farblich zurückhaltend, wird es dabei bleiben?
Jeannette Altherr: "MYA" ist kein Showstück, sondern ein Hintergrundmöbel. Wenn die Elemente farbig wären, würde die Einheitlichkeit verloren gehen. Die farbliche Reduktion hilft der atmosphärischen Balance, sie schafft einen angenehmen Dialog mit dem Raum, gerade auf kleinen Flächen. Zudem funktionieren viele Formen nicht in starken Farben, sie wirken dann schnell künstlich und verlieren ihren Ursprungscharakter. Bei "MYA" geht es mehr um Neutralität als um Ausdruck. Das Material soll seine Natürlichkeit behalten. Ich könnte mir daher aktuell nur eine Farbigkeit vorstellen, die bereits im Holz angelegt ist.
Neben der Reduktion prägt die Nachhaltigkeit "MYA", unter anderem sind die Lederflächen umweltschonend gegerbt, der konische Container "VIV" besteht aus recyceltem Kunststoff. Welcher Gedanke steht dahinter?
Jeannette Altherr: Das größte Problem im Konsum sind für mich Produkte, die eine kurze Lebensdauer haben, für Trends entworfen wurden oder nur als Skulptur in abstrakten Umgebungen funktionieren. Mir ist Nachhaltigkeit sehr wichtig, im Material wie in der Optik. Eine visuelle Langlebigkeit im Design zu schaffen, die zeitgenössisch, aber nicht kühl oder zu minimalistisch ist. Eine Inspiration für "MYA" waren die Holzmöbel der "Shaker"-Bewegung, da sie ein kollektives Gedächtnis ansprechen, ohne radikal zu wirken. Sie sind reduziert, schaffen aber eine wohnliche Atmosphäre. Diesen Effekt wollte ich für "MYA" erreichen. Das Eichenholz ist zudem zwar dünn gehalten, aber dennoch sehr stabil und kommt ohne Verbundstoffe aus. Parallel forschen wir im Bereich der nachhaltigen Materialien, wie aktuell für einen lederartigen Stoff, dem Pilze als Basis dienen sollen. Nachhaltigkeit ist für mich ein Zusammenspiel aus vielen Faktoren.
Kannst du die Idee des Einklangs im Design ein wenig erläutern?
Jeannette Altherr: Als Designer sind unsere Ideen über Schönheit und ein gutes Leben verknüpft. Schönheit ist mehr als ein Zweck um zu verkaufen: es ist ein Glücksversprechen. Der Ausdruck, die Ästhetik unserer Umgebung beeinflusst wie wir uns fühlen, wie wir uns verhalten, wer wir sein wollen. Wir können verschiedene Ideen darüber haben was schön ist, aber wir haben alle eine ziemlich klare Vorstellung davon was nicht schön ist: Zerstörung, Reizlosigkeit, Verlust. Und wir sind zunehmend besorgt über eine Welt und Zukunft, die immer ärmer und dystopischer erscheint. Die individualistische Idee weicht zunehmend der Erkenntnis, dass wir Teil eines lebendigen Systems sind. Das simple, funktionale und lineare Denken sollte sich daher auch im Design zu einem holistischen und komplexen Ansatz entwickeln.
Nachhaltiges Design braucht demnach eine ganzheitliche Betrachtungsweise.
Jeannette Altherr: Ganzheitlich, aber auch differenziert. Man tastet sich an Lösungen heran, revidiert, diversifiziert, hält Widersprüche und Unsicherheiten aus, versteht sich in ständiger Entwicklung. Unser Dilemma ist, dass wir als Produktdesigner direkt vom Konsum abhängen – während wir als Menschen, als verantwortliche Bürger wissen, dass eine exzessive Form dessen problematisch ist. Nachhaltigkeit ist nicht länger eine individuelle Aufgabe, sondern ein kollektives Ziel. Die Frage für uns als Designer ist dabei, welchen Beitrag wir leisten können, damit Produkte es wieder wert sind gepflegt und repariert zu werden? Wie können wir nachhaltiger entwerfen, produzieren und konsumieren? Es hängt von uns ab, ob wir diese Komplexität akzeptieren, differenzieren und mithelfen einen Wandel anzustoßen. Eine allgemeingültige Lösung gibt es dabei nicht, aus den großen Prismen lassen sich viele lokale Antworten formen.
Gerade in diesen unsicheren Zeiten ist eine Reflektion auch im Design essentiell, da stimme ich dir zu. Welche Veränderungen siehst du aktuell?
Jeannette Altherr: Ich bin mir sicher, dass der Onlinehandel verstärkt wachsen wird, und das eigene Zuhause als Lebensraum eine Aufwertung erfährt. In winzigen Wohnungen zu leben, die minimal ausgestattet sind hat nicht mehr den gleichen Reiz wie vor der Pandemie. Wir können das Dienstleistungsangebot von außen nicht mehr in dem Umfang nutzen wie zuvor, sind in unserem Bewegungsfreiraum eingeschränkt. Viele Menschen ziehen jetzt aufs Land, weil man dort autonomer leben kann. In meiner Erfahrung verändert der intensivere Kontakt zur Natur auch die Sicht auf den Konsum. Man beginnt qualitativ hochwertige Produkte mehr zu schätzen, die funktional wie vielseitig sind. "MYA" bietet diese Balance.