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Künstler, bitte zusammenrücken: Im Künstlerfoyer der Elbphilharmonie wird man von der „Stuhlhockerbank“ von Kraud empfangen.

Möbel für den Musikpalast

Die Hamburger Elbphilharmonie ist nicht nur von außen schön anzuschauen. Der Architekt Daniel Schöning und das Hamburger Designerduo Marcel Besau und Eva Marguerre haben auch die Innenräume entsprechend möbliert und einige Objekte eigens für den Bau entworfen.
von Thomas Edelmann | 28.11.2016

Wie möbliert man eine neue Architektur-Ikone? Wie geht man gestalterisch mit einem solch spektakulären Ort um? Welche Gemeinsamkeiten gibt es für höchst unterschiedliche Räume von Backstage-Bereichen, Inspizienten-Arbeitsplätzen über Büros und Besprechungsräume bis hin zu Künstlergarderoben für Orchester, den Suiten für Solisten und Dirigenten, den Lounges und Foyers? Designerin Eva Marguerre hat für den Umfang ihres Projekts ein schönes Bild parat: „Würde man die Elbphilharmonie auf den Kopf stellen und schütteln, wäre alles, was herausfällt von uns ausgewählt, alles was drinbleibt von Herzog & de Meuron.“ Erst im Januar 2015, als die Skandale um Zuständigkeiten und Finanzierung bereinigt waren, entstand das Team aus Daniel Schöning vom Büro WRS Architekten und Stadtplaner und den beiden Designern Eva Marguerre und Marcel Besau (Besau-Marguerre). Schöning sollte zunächst nur dabei helfen, Möbel-Klassiker auszuwählen.

Dezente Helfer in der Konzertpause: Polsterbank und Beistelltisch „Elbe“, beides von Studio Besau-Marguerre und Daniel Schöning, im Foyer des Großen Saals.

Denn dann wäre jeder zufrieden, so die erste Überlegung. Doch der Architekt, der mit seinem Büro die Gastronomie der Laeizhalle neu gestaltet hat, schlug einen alternativen Ansatz vor. „Man muss ein solches Projekt doch auch kulturell betrachten“, sagt er in der Rückschau. Die Elbphilharmonie als Projekt setzt einen Maßstab, dem es bei der Einrichtung zu entsprechen galt. Einige seiner Überlegungen formulierte er als Fragen: Was bietet Hamburg an? Gibt es hier junge Designer, die man einbinden kann? Könnte es nicht auch Möbel geben, die speziell für die Elbphilharmonie entworfen werden? Den Beteiligten und den Auftraggebern wurde klar, dass es nicht mit der Auswahl von schönen Objekten aus dem Möbelkatalog getan sein würde. Schöning kam in Kontakt mit Marcel Besau und Eva Marguerre, die den Architekten anfangs nur in die Designszene einführen sollten, dann aber zu Projekt- und Entwurfspartnern wurden.

Fast dasselbe in schwarz: Im Foyer des Kleinen Saals haben die Architekten Herzog & de Meuron dunkle Hölzer verwendet und eine imposante schwarze Bar geschaffen.

Rasch wurde klar, dass bei begrenztem Budget und einer Vielzahl von Objekten eine gestalterische Leitlinie entwickelt werden musste, um der Beliebigkeit und Austauschbarkeit zu entgehen. Sie sollte zur „Referenz werden anhand derer man in Abstimmung mit dem Kunden argumentieren und entscheiden kann“, erinnert sich Marcel Besau. Drei Ausgangspunkte formulierte das Gestalterteam: 1. „Sens Memory“, ein Begriff aus den Neurowissenschaften und dem Method Acting: Die ausgewählten Produkte sollten über ihre Haptik und visuelle Reize spezifische Qualitäten demonstrieren, um in Erinnerung zu bleiben. 2. „Arts & Technology“, Nuancen zwischen künstlerischen und technologischen Neuerungen sollten deutlich werden und 3. „One colour“, ein einheitlicher Farbton der Objekte sollte für gestalterischen Zusammenhang sorgen. Aus diesem Konzept entwickelten die drei ihre Idee der „Entfärbung“. So sind die ausgewählten Möbel nun meist weiß – in unterschiedlichen Schattierungen oder naturfarben. Wobei „One colour“ eben nicht bedeutet, einen einheitlichen Farbton über alle Objekte zu ziehen, sondern in einer Art „Entfärbung“ deren Materialität und Haptik, etwa die Holzmaserung eines Tisches, besonders wirken zu lassen.

Skandinavische Tischrunde: Der „About a Chair“ von Hee Welling für Hay wurde mit dem Stoff „Basel“ bezogen, den Herzog & de Meuron für Kvadrat entworfen haben. Der Tisch „Edi“ stammt von Claesson Koivisto Rune und dem Hersteller Nikari.

Anstelle von Klassikern wählten die Gestalter hauptsächlich zeitgenössische Entwürfe von aktiven Designern aus. Am Künstlerempfang beispielsweise steht die „Stuhlhockerbank“ von Kraud. Der „Profile Chair Solid“ und „Profile Table“ von Sylvain Willenz für Stattmann Neue Moebel findet sich in der Künstlerlounge und den Solisten- und Dirigentengarderoben. Die Künstlerlounge ist zudem mit dem „Sidetable Round/About“ von Kaschkasch bestückt. Im ganzen Haus gibt es Accessoires der Hamburger Designerin Alexa Lixfeld. In der „Circle Lounge“, die variabel genutzt werden soll, stehen der kompakte Sessel „Lift“ von Eric Degenhardt für Böwer und das Sofa „Shiraz“ von Philipp Mainzer und Farah Ebrahimi für e15. Der Konferenztisch „Skandinavia Edi Table“, entworfen von Claesson Koivisto Rune Architects für Nikari wurde für den Green Room ausgewählt. Auf der Terrasse der Sky Lounge setzten der Architekt und die Designer die Outdoor-Möbelserie „Yard“ von Stefan Diez für Emu ein. Auch Diez’ Stuhl „Houdini“ und sein Sessel „Leo“ finden sich in der Elbphilharmonie. Vasen des Hamburger Labels „We are Studio Studio“ wurden in der Sky Lounge eingesetzt.

Variabel und exklusiv: In der „Circle Lounge“ im 13. Stock treffen sich Angehörige eines Unternehmerkreises und deren Gäste. Der Raum ist mit „Shiraz“-.Sofas von e 15 und kompakten „Lift“-Sesseln von Böwer ausgestattet.

Lange waren die Designer und der Architekt auf der Suche nach einem geeigneten Stehtisch, einer Sitzbank mit Polster und einem Beistelltisch für die Foyers von Kleinem und Großem Saal. Die Architektur stellt dabei vielfache Blickbeziehungen her, da sich der fließende Raum der Foyers des Großen Saals über vier Etagen erstreckt. Für die Gestalter war besonders wichtig, Objekte mit einer abgestimmten Formensprache auszuwählen. Solche Produkt gab es nicht, weshalb Besau-Marguerre und Schöning sie selbst entwarfen. Die drei fast zarten Kleinmöbel sind deutlich robuster als sie auf den ersten Eindruck aussehen. Sie verlieren sich nicht im Raum, sind aber schmal genug, um entlang der ungewöhnlich geformten Fenster, in belebten Gängen oder inmitten größerer Flächen zu stehen. Auf die Tische aufgelegt ist jeweils eine runde Marmorplatte, die Bänke haben ein schmales Polster. Die besonders beanspruchten Teile lassen sich austauschen. Die Sitzbank wie viele der ausgewählten Sitzmöbel sind bezogen mit dem Kvadrat-Stoff Basel der Architekten Herzog & de Meuron. Die Möbelserie geht bald bei einem bekannten Frankfurter Unternehmen in Produktion. Für die VIP-Lounge an der Spitze der Elbphilharmonie gestaltete das Team eine Familie von schwarzen Glasholztischen in mehreren Varianten. Ihr gläserner Unterbau aus schwarz-transparentem Glas hat durch Überlagerung verschiedene Grade vom Durchschimmern bis zur Durchsichtigkeit. Die Tischoberfläche bilden massive schwarze Holzplatten.

So erzeugt das Möbeldesign von Daniel Schöning, Eva Marguerre und Marcel Besau in den Innenräumen der Elbphilharmonie ein Spannungsverhältnis zur Architektur sowie eine Ergänzung zum musikalischen Vielklang, der bald im ganzen Haus zu hören sein wird.

VIP-Lounge im Nachtdesign: Ebenso wie die vom Studio Besau-Marguerre und Daniel Schöning gestalteten Glas-Holztischen sind bis hin zur Bar alle Möbel der „Sky Lounge“ schwarz.
Auswahl, Einrichtung und Entwurf: Das Gestaltungsteam aus Marcel Besau, Daniel Schöning und Eva Marguerre hat bereits 2015 mit seiner Arbeit begonnen, als die Elbphilharmonie noch Baustelle war.