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Jasper Morrison. Foto © Kento Mori
Mit Gespür für den Nutzer
von Thomas Wagner | 03.05.2015

Jasper Morrison hat, als er 1986 sein Büro in London gründete, zunächst damit begonnen, sich mit der „Neubewertung industrieller Prozesse“ zu beschäftigen. In einer Diskussion mit Designern, Unternehmern und Theoretikern über „Geo-Design“, die 2006 von der Zeitschrift „Domus“ publiziert wurde, hat er im Rückblick seine damalige Situation folgendermaßen beschrieben: „Als ich das College 1985 beendet hatte, war ich sehr von Memphis beeinflusst. Mein Geisteszustand lässt sich als sehr romantisch und poetisch beschreiben. Anregungen fand ich eher auf der Straße als am Schreibtisch vor einem weißen Blatt Papier. Man war einfach besser dran, wenn man draußen herumlief, sich betrank und darauf wartete, dass sich eine Inspiration einstellte, wenn am nächsten Morgen das Gehirn wieder zu arbeiten begann. Ich arbeitete an vielen ,gefundenen’ Projekten, an etwas, das von Dingen angeregt wurde, die ich zum ersten Mal auf der Straße gesehen hatte. Das entschädigte mich für den Mangel an Kontakten zur Industrie – ich hatte keine Partner in der Industrie, für die ich arbeitete, also musste ich mir – gewissermaßen zum Ausgleich – selbst etwas suchen.“

Seitdem ist viel passiert. Nicht nur die Kontakte zur Industrie haben sich verbessert, Jasper Morrison zählt längst zu jener kleinen Schar von Designern, deren Entwürfe weltweit geschätzt und von Herstellern verschiedener Branchen umworben werden.

Was viele nicht wissen: Bereits 1987 hat Jasper Morrison für die von Michael Erlhoff kuratierte Designabteilung der documenta 8 in der Kasseler Orangerie ein „Nachrichtenzentrum“ realisiert, das noch heute durch seine ebenso präzise wie improvisiert wirkende Schlichtheit besticht. Auch der Nutzer steht hier bereits im Mittelpunkt, avanciert der Adressat bestimmter Informationen in Morrisons Environment doch zum Agenten und Tester jener Prozeduren, derer sich für gewöhnlich die Medienmacher bedienen.

Neben zahlreichen, stets mit einem präzisen Blick für ihre Brauchbarkeit im Alltag gestalteten Stühlen, Tischen, Sofas, Leuchten, Haushaltsgeräten und selbst einer Straßenbahn besonders in Erinnerung geblieben ist auch sein – zusammen mit Naoto Fukasawa entwickeltes – programmatisches Konzept „Super Normal“. Es beruft sich, was die von jeder Art von Gestaltung zu fordernde Unauffälligkeit beim Benutzen angeht, nicht zufällig auf – oft anonym gestaltete – Gegenstände des täglichen Gebrauchs und deren langlebige, selbstverständlich wirkende Qualitäten.

Kurzum, man darf gespannt sein, wenn Jasper Morrison im „Centre for Innovation and Design“ innerhalb des belgischen Industriedenkmals und heutigen Museumskomplexes Grand-Hornu unweit von Mons, der aktuellen europäischen Kulturhauptstadt, eine erste große Retrospektive gewidmet wird, die Arbeiten aus den vergangenen 35 Jahren ausbreitet und im Zusammenhang zur Diskussion stellt. Dass sich in dem wohldurchdachten Understatement, mit dem viele der von Jasper Morrison gestalteten Dinge auftreten, oft auch eine Menge Humor versteckt, macht eine Reise nach Belgien umso reizvoller.

Jasper Morrison
Retrospektive
7. Mai bis 13. September
täglich außer Montag von 10 bis 18 Uhr
CID – Centre for Innovation and Design at Grand-Hornu
Site du Grand-Hornu
Rue Sainte-Louise 82
Belgien,7301 Hornu

www.cid-grand-hornu.be
www.grand-hornu.eu
www.facebook.com/cidgrandhornu

Den „Op-la Table“ hat Morrison 1998 gestaltet, der bei Alessi herauskam. Foto © Stefan Kirchner
1988 hat Jasper Missoron bei Vitra den „Polywood Chair“ herausgebracht. Foto © Studio Frei
Zeichnung für den „Polywood Chair“. Foto © Jasper Morrison
Zeichnung von Jasper Morrison für den „Op-la Table“. Foto © Jasper Morrison