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Totems für den kleinen Wohnbedarf

In Mailand zeigte MINI LIVING die Installation MINI LIVING – BUILT BY ALL, die mit dem Architekturbüro Studiomama entwickelt wurde. Fabian Peters hat mit Oke Hauser, Creative Lead MINI LIVING, und Studiomama-Gründerin Nina Tolstrup über das Projekt gesprochen.
02.05.2018

Fabian Peters: Könnten Sie das Projekt "MINI LIVING – BUILT BY ALL" das gerade in Mailand im Rahmen des Salone del Mobile gezeigt worden ist, kurz beschreiben?

Oke Hauser: In unserer diesjährigen Installation wollten wir in besonderer Weise den Menschen in den Mittelpunkt stellen – ein Denken, das tief in Allem verankert ist, was MINI tut. Unsere Fragestellung war: Welche Möglichkeiten gibt es, dass wir Menschen uns mehr in die Gestaltung unserer Umgebung einbringen können, statt nur Möbel in gemietete Räume zu stellen? Wir wollten hier die individuellen Bedürfnisse der jeweiligen Bewohner an erste Stelle setzen. Sie sollten die Welt, in der sie leben wollen, weitgehend frei gestalten können. Dafür haben wir ein Baukastensystem geschaffen, mit dem man leerstehenden Innenraum in attraktiven Wohnraum verwandeln kann– getreu dem MINI Prinzip des "creative use of space", dem kreativen Umgang mit Raum. Das kann eine aufgegebene Shopping-Mall sein, eine ungenutzte Büroetage oder, wie hier in Mailand, eine leerstehende Fabrikhalle. Unsere Installation zeigt aber nur einen kleinen Ausschnitt der Möglichkeiten, die unser System eröffnet. Jede Wohneinheit besteht aus zwei Elementen: einem modularen Mobiliar-Block, der die unterschiedlichen Wohnfunktionen – Schlafen, Arbeiten, Verstauen – aufnimmt, und einer Hülle, die den Raum umschließt.

Die Wohnkonzepte, die MINI LIVING in den letzten Jahren entwickelt hat, reichen von sehr visionären Ansätzen bis hin zu einem konkreten Bauprojekt in Shanghai. Wo in diesem Spektrum ist das neue Projekt "MINI LIVING – BUILT BY ALL" angesiedelt?

Oke Hauser: In den vergangenen zwei Jahren haben wir MINI LIVING Installationen in Mailand, London und New York gezeigt. Bei jedem Projekt haben wir dabei eine spezielle Fragestellung untersucht, die uns im Hinblick auf das Wohnen in der Stadt der Zukunft besonders relevant erscheint. Die einzelnen Installationen konnten dabei natürlich visionärer sein, als ein Bauprojekt, das alle Aspekte und Bedürfnisse des Wohnens berücksichtigen muss. Teile der gewonnenen Erkenntnisse und Ideen fließen in unser Co-Living-Gebäude in Shanghai ein. Aber auch dort geht es uns darum, dass die Schaffung von Wohnraum mehr als eine Dienstleistung ist. Auch wenn globale Mobilität und Wohnen auf Zeit aktuell wichtige Trends sind, wollen wir Wohnmöglichkeiten mit einem echten Gefühl von „Zuhause“ schaffen. Darum wird es auch in Shanghai für die Bewohner einfache Möglichkeiten geben, ihr Apartment an ihre individuellen Bedürfnisse anzupassen.

Warum hat sich MINI LIVING für Studiomama als Projektpartner entschieden?

Oke Hauser: Studiomama verfolgt einen multi-disziplinären Ansatz, der für MINI sehr interessant ist: Sie designen Möbel, denken aber gleichzeitig sehr architektonisch. Außerdem ist ihre Arbeit ganz auf den Menschen zugeschnitten, sehr freudvoll und spielerisch. Die Zusammenarbeit war großartig und ich denke, das Ergebnis spiegelt das sehr gut wider.

Nina, wie ist Studiomama an das Projekt herangegangen?

Nina Tolstrup: Wir haben uns in der Vergangenheit schon viel mit dem Thema des Wohnens auf minimaler Fläche beschäftigt und unter anderem drei Kleinsthäuser gestaltet. Der ganzheitliche Ansatz reizt uns dabei sehr. Bei mir ist das vielleicht meiner Ausbildung in Dänemark geschuldet, wo ja bedeutende Architekten der Moderne wie Arne Jacobsen regelrechte Gesamtkunstwerke aus Architektur und Design geschaffen haben. Ich war gleich begeistert, als Oke mich fragte, ob ich an dem Projekt mitarbeiten wolle. Als Wahl-Londonerin weiß ich, wie wichtig die Fragestellung ist. Und umgekehrt wird so viel Wohnraum nicht effizient genutzt. Die Herausforderung war, kleine Räume zu schaffen, die sich nicht klein anfühlen.

Wie habt Ihr das Problem gelöst?

Nina Tolstrup: Unsere Antwort waren multifunktionale und modulare Raumeinbauten – wir haben sie "Totems" genannt – , die man individuell konfigurieren und an seine Bedürfnisse anpassen kann. Die Raumhülle, wir nennen sie "Shell", ist ebenso frei gestaltbar, sodass die Bewohner das Maß an Privatheit oder Öffentlichkeit, das sie wünschen, selbst bestimmen können. Zwischen den Wohneinheiten liegen Gemeinschaftseinrichtungen wie eine große Küche, ein Amphitheater oder ein Sportraum, die sich alle Bewohner teilen.

Bleiben wir noch einem Moment bei den Totems und dem Leben auf kleinstem Raum. Wie organisiert man alle notwendigen Funktionen auf nur wenigen Quadratmetern?

Nina Tolstrup: Das wichtigste ist der Stauraum! Im Übrigen kann man auch viel Platz sparen, in dem man seine Dinge anders lagert. Etwa, wenn man Kleidungsstücke einfach rollt. Andererseits sind viele Dinge heutzutage einfach überflüssig. Wer braucht schon in Zeiten von Spotify und Netflix noch eine CD- oder DVD-Sammlung. Viele der jungen Professionals, mit denen ich zusammengearbeitet habe, besitzen nur Weniges; dafür ist das, was sie haben, das Beste.

Oke Hauser: Ein weiterer wichtiger Aspekt in diesem Zusammenhang ist, wie bei fast allen MINI LIVING Projekten, der Aspekt des Kollaborativen, der "Shared is more"-Ansatz: Nicht alles, was man hin und wieder braucht, muss man auch besitzen. Man kann sich etwa das Esszimmer für zwölf Personen mit anderen teilen, weil man es nur alle paar Wochen einmal benötigt. Das spart Ressourcen – eigene und gemeinschaftliche.

Die Partizipation der zukünftigen Bewohner ist ein wichtiger Bestandteil des diesjährigen Projektes. Ist ein solches Konzept überhaupt sinnvoll, wo doch viele junge Berufstätige kaum einmal ein Jahr an einem Ort bleiben?

Nina Tolstrup: Gerade für diese Gruppe haben wir die Totems entwickelt. Sie lassen sich einfach umgestalten und gestatten so ein Stück Individualität, auch wenn man vielleicht nur einige Monate in seinem Apartment lebt. So haben wir in ein Totem ein kleines Aufnahmestudio integriert, in ein anderes ein Terrarium. Die Message soll sein: Auch wenn man nur wenig Platz hat, kann man trotzdem seinen Leidenschaften nachgehen. Der nächste Bewohner kann diesen Raum wieder verändern und nach seinen Bedürfnissen gestalten.

Oke Hauser: Das ist für uns ein ganz wichtiger Punkt: Auch wenn ein Zuhause vielleicht nur temporär ist, so soll es sich doch wie ein echtes Zuhause anfühlen.

MINI LIVING hat sich mittlerweile als wichtiger Thinktank für das Thema "Future Living" etabliert. Was treibt MINI dabei an?

Oke Hauser: Wir haben uns selbst gefragt: Wie können wir intelligenter in den immer weiter wachsenden Städten und knapper werdenden Wohnräumen zusammenleben? Unsere Antwort auf diese Frage lautet – ganz im Sinne von MINI: mit intelligentem Design. Bei MINI LIVING geht es um das, was wir "BIG LIFE on a SMALL FOOTPRINT" nennen. Das heißt, wir übertragen den Kerngedanken von MINI, mit wenig Raum kreativ umzugehen ("creative use of space"), vom Fahrzeug auf das Wohnen – und jetzt, im nächsten Schritt, in reale Lösungen dafür, wie wir zukünftig in unseren Städten leben, arbeiten und interagieren werden. Dabei suchen wir nach solchen Lösungen, in denen sich unsere Designexpertise, unsere Erfahrung und natürlich der Spaß widerspiegeln – immer begleitet von dem Anspruch an einen "small footprint". Wir glauben an eine kollaborative Denkweise, daran, dass Teilen mehr für alle bedeutet. Besonders wenn es um das Wohnen geht. Man kann auf wirklich kleinem Raum wohnen und trotzdem alles Notwendige zur Verfügung haben – und mehr: mehr Platz, mehr inspirierende Erfahrungen und mehr Spaß. In dieser Idee steckt eigentlich die Grundüberzeugung, aus der jedes MINI LIVING Projekt entsteht.