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Klettern für Großstadt-Alpinisten
Der „Millenium Dome“ in London sollte von Anfang an ein Wunder werden. Für die Feiern zum Beginn des dritten Jahrtausends sollte auf der Greenwich Halbinsel am südlichen Ufer der Themse eine gigantische Halle entstehen, die das gesamte Jahr 2000 hindurch für die „Millennium Experience“ genutzt wurde, eine Ausstellung zur gesamten Geschichte und den gegenwärtigen Herausforderungen der Menschheit. Planung und Konstruktion der Halle wurden von einem privaten Investor übernommen, der den britischen Architekten Richard Rogers mit dem ambitionierten Entwurf beauftragte, der außerdem in nicht einmal zwei Jahren realisiert werden musste.
Gemeinsam mit den Ingenieuren von Buro Happold entwickelten die Architekten eine Halle, die zum Zeitpunkt ihrer Eröffnung am 1. Januar 1999 sowohl das größte Einzelbauwerk in Großbritannien als auch der größte Kuppelbau der Welt war. Sie steht auf einem kreisrunden Grundriss mit 365 Metern Durchmesser und erreicht mit 52 Metern in der Hallenmitte ihre maximale Höhe. Die Zahlen symbolisieren dabei die Tage und Wochen eines Jahres, so wie die 12 knapp 100 Meter hohen Pylone, die das weiße Dach tragen, für die 12 Monate eines Jahres stehen - oder für die Ziffern einer Uhr. In diesen astronomischen Bezugspunkten spiegelt die Konstruktion nicht nur den Anlass des Bauwerks, die dritte Jahrtausendwende unserer Zeitrechnung, sondern verweist auch auf den nur wenige Meter entfernt verlaufenden Nullmeridian von Greenwich. Mike Davies, der das Projekt als Partner in Rogers’ Büro betreute, sagt: “The ultimate inspiration for the Dome was a great sky, a cosmos under which all events take place – the radial lines and circles of the high-tensile roof structure recall the celestial reference grid of astronomical maps throughout the ages.”
Die Konstruktion des Dome begann im Juni 1997 mit dem Eintreiben der rund 8.000 Fundamentpfosten, dem Trockenlegen der Baugrube und dem Betonring, auf dem die gewaltige Zeltkonstruktion sitzt. Die 12 Masten konnten bereits im Oktober desselben Jahres aufgestellt werden, an ihnen wurde das Netz aus insgesamt 70 Kilometern hochbelastbaren Stahlkabeln gespannt, die die eigentliche Dachhaut tragen. Als Haut war zunächst ein mit PVC beschichtetes Polyestergewebe vorgesehen, dass etwas günstiger, dafür aber wohl weniger lange haltbar gewesen wäre – denn zuerst war der Millennium Dome tatsächlich als temporäres Zelt geplant worden. Erst als die Kosten des gesamten Projektes klar wurden, die zum Ende 2002 mit 789 Millionen Pfund angegeben wurden, wurde über das „Nachleben“ des Dome diskutiert und beschlossen, die Struktur langlebiger zu machen.
So wurde die Dachhaut letztlich als teflonbeschichtetes Gewebe (PTFE) ausgeführt. Nur an einer Stelle musste sie durchbrochen werden, um die Abluftöffnung eines darunter verlaufenden Straßentunnels durchzulassen. Die gesamte Konstruktion konnte in 15 Monaten und nach Angaben der Architekten sogar günstiger als erwartet fertig gestellt werden: die Kosten für den Bau beliefen sich demnach auf gerade einmal 43 Millionen Pfund. Der Millennium Dome wurde noch vor dem London Eye zur meistbesuchten Touristenattraktion der Milleniumsfeiern in London, die Ausstellung zählte im Verlauf des Jahres sechs Millionen Besucher.
Heute ist der Dome auch dank seiner prominenten Lage am Fluss eines der modernen Wahrzeichen der Stadt. 2005 wurden die Nutzungsrechte des gesamten Geländes an die Anschutz Entertainment Group verkauft, die rings um den Dome Wohnungen, Büro- und Ladenflächen gebaut und weiterverkauft hat und den Millennium Dome flugs nach einem spanischen Mobilfunkunternehmen neu benannte.
Um die Attraktivität des Dome weiter zu erhöhen beauftragten die neuen Betreiber erneut Richard Rogers und Buro Happold, einen „Roofwalk“ zu konstruieren, mit dem Besucher das gesamte Hallendach überqueren könnten. So kam das ursprüngliche Team des Millenium Dome sieben Jahre später erneut zusammen und entwickelten eine Art Brücke, die mit geringem Abstand über das bestehende Dach führt und gleichsam über diesem zu schweben scheint. Denn konstruktiv ähnelt diese an Stahlseilen abgehängte Brücke weitgehend der originalen Dachkonstruktion: die Besucher laufen über ein ähnliches Material und die zusätzlichen Lasten konnten sogar weitgehend in die bestehenden Konstruktion eingefügt werden. Über der Hallenmitte thront nun eine Aussichtsplattform und wer diese erreicht, der hat auf dem weichen, leicht schwankenden Weg dorthin tatsächlich immer wieder das Gefühl, als würde er direkt auf dem Zeltdach laufen - auch wenn der Steg an seinen feinen Seilen tatsächlich ein wenig darüber zu schweben scheint. (sp)
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