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Treffpunkt Sofa: Man sieht, auf der imm cologne lässt es sich aushalten.

Seid umarmt, ihr Sitzenden

Vielfalt ist eine gute Sache, erschwert aber die Orientierung. Dagegen helfen sollen Revivals, Möbel in XXXL und Sessel, die den Sitzenden umarmen. Was die imm cologne 2017 so alles parat hat.
von Thomas Wagner | 23.01.2017

Die imm cologne ist eine Messe voller Versprechen. Sicher, das gilt für Messen im Allgemeinen. In Köln aber verhält es sich so, weil es ja erst Januar ist, das Jahr also noch jung und die Hoffnungen und Erwartungen der Branche entsprechend groß und gespannt sind. Also geht es nicht allein um Möbel und Textilien. Hier wird ausgetestet, was ankommt, verglichen, was die anderen so alles zu bieten haben, auch wenn vielfach längst an den Prototypen und Produkten für den finalen Auftritt im April in Mailand gefeilt wird. Auch deshalb ist die imm cologne eine Messe, bei der das Atmosphärische mehr zählt als die Quantität der Neuheiten, auf der sich erahnen lässt, wohin die Reise in diesem Jahr gehen wird. Wie auch immer man das eine oder andere einschätzen mag, eines, das lässt sich schon jetzt sagen, bleibt auch 2017 mit Sicherheit beim Alten: Seit es keinen einheitlichen, wie immer gearteten Zeitstil mehr gibt, erfreut sich jeder an einer ungeheuren Vielfalt unterschiedlicher, miteinander konkurrierender Produktlinien – oder leidet wahlweise an deren heterogenem Nebeneinander. Ob Holz oder Kunststoff, ob Edelmetall gebürstet oder poliert, ob opulent oder bescheiden, naturverbunden oder modisch – die Wohncollage der Gegenwart gleicht nach wie vor einem bunten Puzzle aus vielen Elementen, die jeder nach eigenem Belieben zusammensetzt oder ergänzt. Wo das wirklich Neue so selten zu beobachten ist wie manche bedrohte Tierart, dreht sich das Karussell der Variationen und Weiterentwicklungen.

Wie wir bereits in unserer Ankündigung (Wohnst du noch oder bist du schon? Stylepark vom 09.01.2017) festgestellt haben: Schon Ulrich, Musils Mann ohne Eigenschaften, rund hundert Jahre liegt das nun schon zurück, musste sich und sein „Schlösschen“ einrichten, wobei die Stile und Vorbilder, die ihm zur Verfügung standen, so zahlreich waren, dass es ihm seinen Einrichtungsverstand verwirrte. Also verlässt auch er sich, erschöpft von den allzu vielen Möglichkeiten, am Ende auf seine Lieferanten. Sie sind es, die ihm, wenn nicht gleich Eigenschaften, so doch die entsprechende Möblierung und das daraus gezimmerte Selbstbild verschaffen. Man muss nur einen Zeitsprung machen, schon erkennt man, wie sich all die Designer, Hersteller und Editeure das Einrichten und wohnen heute und sehr aktuell vorstellen. Wie das im Einzelnen aussieht, konnte in den letzten Tagen in Köln auf und rund um die imm cologne beobachtet werden.

Nicht nur am Messestand von Cassina zu beobachten: Groß, edel und luxuriös vertragen sich gut.

Mondän, gediegen, luxuriös

Seit einigen Jahren schon gibt sich die Welt des Wohnens ganz mondän. Nun wird sie freilich noch mondäner – und noch luxuriöser. Zu beobachten war das nicht etwa nur an jenen Messeständen, an denen das Opulente und Überladene, das Goldglänzende und Handvernähte mit überraschender Beständigkeit dominierte, um geschmacksfrei in teuren Materialien zu schwelgen und um exklusiv über den Preis das Bedürfnis der Nouveaux Riches nach Differenz und Repräsentation zu befriedigen. Edle, gern mit Leder, das der Hand schmeichelt, bezogene Türen, Fronten und Tischplatten, verführerisch schimmerndes farbiges Glas und fein gebürstetes Metall – all das drängt derzeit in den gehobenen Massenmarkt. Gute, nachhaltig produzierte Materialien und handwerkliche Verarbeitung rücken – Stichwort Customizing – mehr und mehr in den Vordergrund.

Manchmal hatte man Sorge, kleine Menschen würden sich in den Sofas im XXXL-Format verlieren: am Stand von Koinor.

Hinzu kommt: Wir scheinen nicht nur geistig auf den Schultern von Riesen zu stehen, sondern auch selbst welche zu sein. Zumindest – und das könnte mit dem Luxurieren vor allem von Sofas zu tun haben – fand man sich bei vielen Herstellern des gehobenen Segments in Sitzlandschaften versetzt, in denen man sich wie ein Bewohner des Landes Liliput fühlen musste, den es ins Land der Riesen verschlagen hat. Das Stichwort heißt: XXXL. Offenbar hat Status für viele noch immer zuallererst etwas mit schierer Größe zu tun. Make ... great again? Was sich, der allgemeinen Unsicherheit, aber auch Mario Draghi und der EZB sei’s gedankt, immer mehr Menschen leisten wollen. Wohnungsnot in Ballungszentren? Ach was? Nie gehört. Dass sich die Menschlein oft auf den riesigen Sofas, in die inzwischen selbstverständlich eine Récamière integriert sein muss, ebenso verlieren wie in ihrer Wohlfühlblase, ließ sich an vielen Ständen beobachten.

„Wir wollen wieder in unseren eigenen vier Wänden Herren sein. Sind wir geschmacklos, gut, so werden wir uns geschmacklos einrichten. Haben wir Geschmack, um so besser. Von unserem Zimmer wollen wir uns aber nicht mehr tyrannisieren lassen. Wir kaufen Alles zusammen, Alles, wie wir es eben nach und nach brauchen können, wie es uns gefällt.“

Adolf Loos

Wenn nicht alles täuscht, so keimt gleichwohl und parallel die Hoffnung auf, die soliden, von jeher nachhaltigen, weil materiell und ästhetisch (oder, wenn man so will, stilistisch) langlebigen Produkte könnten trotzdem zunehmend an Boden gewinnen. Ausladend opulent oder bescheiden und solide, das ist nur eine der Alternativen, die sich derzeit anbieten. Wunsch und Bedürfnis, die eigenen vier Wände allenthalben umzumöblieren und umzudekorieren, werden zwar nach wie vor marketingroutiniert verstärkt, gleichwohl scheinen die Chancen des Längerfristigen wieder zu steigen.

Es ist nichts darüber bekannt, ob das Paradies tapeziert oder gar möbliert an Adam und Eva übergeben wurde.

Kamerad Trend oder Leiden an der Vielfalt

Dazu ist anzumerken: Viele Messen setzen plötzlich wieder verstärkt auf den Kameraden Trend, nicht nur die imm cologne mit ihrem Trendmagazin „immsider“. (Weshalb geraten solche Versuche eigentlich immer zu Kalauern?) Die Ausrufung immer anderer und immer realitätsferner auftretender Trends aber kuriert die Orientierungslosigkeit nicht, diese wird im Gegenteil durch die Beliebigkeit oder Banalität des Vorgeschlagenen noch verstärkt. Konkret werden Möbel, Stoffe, Teppiche und allerlei Interessen dann flugs zu einem Trend verrührt, der am Ende auf Aussagen wie diese hinausläuft: „Umgib dich mit Dingen, die du liebst!“

So zumindest die Botschaft von Desiree Groenendal, eine Botschaft, die angeblich auch noch kraftvoll, einfach und klar sein soll, weil man sich eben nur mit Dingen umgeben solle, die man liebt und die die eigene Persönlichkeit reflektieren. Das Fazit aus dieser „Bloggers’ Trend Show“ lautet denn auch: „Die von ihr gestaltete Inspirationsfläche spiegelt diese Überzeugung wider und ist ein Beispiel dafür, wie sie gerne lebt – umgeben von offenen, vielseitigen Flächen, (...) die ihr erlauben, sich selbst auszudrücken, ihrer Kreativität freien Lauf zu lassen und sich dabei Zuhause zu fühlen, egal ob auf dem Sofa oder draußen. Die Möbel und Accessoires, die sie für ihre Präsentation ausgesucht hat, sind ein Mix aus Rauheit und Style in gedeckten Farben.“ 

Worauf, wie überraschend, „Marken und Produkte auf Desirees Inspirationsfläche“ folgen. Honi soit qui mal y pense. Da kann man nur noch Karl Kraus zu Hilfe rufen, für den der Philister auch sprachlich „nach den Ornamenten schnappt wie der Hund nach der Wurst“.

„Da wir vor unserer eigenen Zeit keine Hochachtung empfinden, so fehlt sie uns auch für eine vorhergegangene. Stets haben wir an den alten Producten etwas auszusetzen. Wir geben uns stets der glücklichen Täuschung hin, etwas daran besser machen zu können.“

Adolf Loos

Die Zeitverhältnisse sind beim Wohnen und Denken offenbar schon derart aus den Fugen, dass man ganz durcheinanderkommt, in welcher der Zeitekstasen man sich nun eigentlich befindet. Ist’s noch Gegenwart oder Schon Zukunft? Da verwundert es wenig, wenn das Neue nur selten mehr als ein altes Bedürfnis verkörpert, das umlackiert wurde. Also gilt: Wenn heute bereits morgen ist, weshalb ist dann gestern so oft heute? Oder heute eben gestern statt morgen? Und weshalb sollte dann gestern nicht nur heute, sondern auch morgen und übermorgen noch heute, also aktuell, sein? Alles klar? Wer die Zukunft allzu wortreich herbeireden oder gar herbeizwingen möchte, der macht sich jedenfalls verdächtig, sie als Gegenstand unseres Nichtwissens nicht allzu ernst zu nehmen.

Eine Möglichkeit, auf die bunte Vielfalt zu reagieren: Timeless Classics presented by Richard Lampert.

Orientierung gesucht oder Memories are made of this

Der Vintage-Boom der letzten Jahre hat neben anderem auch das wachsende Bedürfnis nach Orientierung in einer Umwelt voller Überfluss offenbart. Richard Lampert hat das Bedürfnis nach dem Bewährten nicht nur früh und prinzipiell erkannt – das taten viele. Er hat auch von Beginn an konkret darauf reagiert und programmatisch darauf aufgebaut. Auch jetzt, zur imm, gibt er sich wieder traditionsbewusst, was nicht mit einer nostalgischen Attitüde verwechselt werden darf, und lässt drei Entwürfe aus den 1950er Jahren wiederaufleben.

Who is the walrus? Paul Schneider-Eslebens Rattanstuhl „TT54"
Längst wieder angesagt: Am Stand von Richard Lampert spielt die Musik noch analog.

Fifties reloaded

Schon die Einladung (Igor Records) verströmt in Bild und Ton das Flair vergangener Tage, weit gefächert in Titeln wie „I am the Walrus“ oder „You Take My Self Control“. Der eingeschlagene Weg setzt sich auch in der Gestaltung des Messestandes mit Schneewittchensarg, Kofferradio und Plattenstapel fort. Nix da mit Streaming. Der Bonus-Track „Kiss that Frog“ von 1953 verweist sodann auf einen besonderen, fünf Jahre später als der Song entstandenen Entwurf: Herbert Hirches „Frog-Stuhl“. Dieser ursprünglich für Hörsäle entworfene, stapelbare Stuhl zeichnet sich durch die weit über das Stahlgestell ragende Sitzfläche (Froschmaul) und eine prägnant geschnittene Rückenlehne aus. 

Und während man an Paul Schneider-Eslebens Rattanstuhl „TT54" die filigrane Eleganz der Wirtschaftswunderjahre bewundern kann (behutsam an heutige Ergonomie- und Komfortanforderungen angepasst), klingt – „It Always Comes As a Surprise“ – einem bei Hirches „Santa Lucia“, einem Stuhl, der mit seiner Sitzfläche aus Rattan für Behaglichkeit und Atmosphäre sorgt und dessen Rückenlehne gleichzeitig als Armlehne dient, sogleich der laue Südwind im Ohr. Entworfen 1969 für die gleichnamige Stuttgarter Trattoria, macht der stapelbare Stuhl in Naturrattan im Innenbereich tatsächlich bella figura; in einer Version aus wetterfestem Polyethylen auch draußen. Soll man nun sagen, das liege daran, dass der Stuhl einfach Stil hat? Worauf einem unweigerlich im Ohr klingt: „That’s Amore“. Egon Eiermanns Korbsessel „E10“ von 1949 hat Lampert schon längst ebenso im Programm wie dessen Rattanhocker „E14“ von 1957. Abgerundet wird das vielversprechende Revival vom Hirche-Sessel „H55“ – mit Stahlrohrgestell und einer gepolsterten Kunststoffschale, klein und kompakt wie eben damals – 1955 –  üblich. Lange vor XXXL.

Zwerge gab's nur im Blumentopf: Sitzen oder liegen, das ist auf vielen Sofas keine Alternative. Beides gelingt problemlos.

Klassisches weiterdenken

Wie man aus dem Fundus einer Tradition heraus nach vorne blicken kann, zeigt Tecta, vor allem mit dem formidablen neuen Tisch „Lot“ von Wolfgang Hartauer, der bereits 2015 für den Hersteller aus Lauenförde den pfiffigen Beistelltisch „K8“ entwickelt hat. Man muss wahrlich kein Prophet sein um festzustellen, dass der formal aus geometrischen Grundformen entwickelte und bis ins kleinste Detail durchdachte Massivholztisch „Lot“ mit seiner abklappbaren Platte jenseits modischer Aufgeregtheiten seinen Platz unter den neuen „Klassikern“ finden wird. Als originell muss man den ebenfalls bei Tecta vorgestellten „Split Chair“ von Daniel Lorch bezeichnen, der aus einem in der Mitte gespaltenen und dann gebogenen Stahlrohr entsteht – was ohne hochentwickeltes Freiformbiegen und 3-D-Laserschneiden entlang eines gekrümmten Objekts nicht denkbar wäre.

Sonderedition bei Spectrum: De Stijl wird in diesem Jahr 100, da darf Gerrit Rietveld nicht fehlen.
Ohne Zweifel eine der Überraschungen: Der Tisch „Lot“ von Wolfgang Hartauer am Stand von Tecta.

An der veritablen Klassiker-Front feiern Spectrum Design und Rietveld Originals in Köln schon mal 100 Jahre De Stijl. Präsentiert werden Rietvelds Military Stool in einer auf 100 Exemplare limitierten Auflage, entstanden 1923 als Teil der Möbelkollektion für ein katholisches Militärhostel in Utrecht, sowie ein 1942 für das Amsterdamer Kaufhaus Metz&Co. entworfener Stuhl, dessen Produktion damals von den Nationalsozialisten verboten wurde.

Nicht nur bei Artek: Große Tische für viele Gäste sind nach wie vor gefragt, immer häufiger auch zusammen mit gepolsterten Bänken.

Alle an einen Tisch bringen

Ob es dem Umstand geschuldet ist, dass immer weniger Leute gemeinsam an und um eine Tisch sitzen, um zu reden, zu essen und zu trinken, wissen wir nicht. Tatsache aber ist, dass in Köln nicht nur viele große und sehr große Tische zu bestaunen sind, sondern plötzlich auch wieder gepolsterte Sitzbänke für den Esstisch – etwa bei Walter Knoll, Cor, Koinor und Rosenthal. Arco stellt in der Design Post die komplett gepolsterte „Close Bench“ des Designers Gudmundur Ludvik als Ergänzung zu seiner Produktfamilie Close als Zwei-, Drei- oder Viersitzer und mit Beinen wahlweise aus Holz oder Stahl vor. Da ist der Weg bis zur Wiederkehr der Eckbank nicht mehr weit. Bei Arco aufgefallen ist zudem der auf zwei Tischböcken basierende „Trestle Table“ von Jorre van Ast. Er besteht aus zwei massiven, mittels Gewindestangen am oberen Ende höhenverstellbaren Dreibeinen aus Gussaluminium und einer massiven Platte, die formal von einer schmalen, an den Enden leicht verbreiterten Fuge geprägt ist. Das für die Tischplatte verwendete Eichenholz stammt zudem – als Teil der Kollektion „Local Wood“ – aus der Umgebung des Arco-Sitzes im holländischen Winterswijk.

Einer der Stars bei Horgenglarus: Hans Bellmanns „ga Stuhl", ursprünglich aus dem Jahr 1955.

Bei Horgenglarus zählen Qualität und Beständigkeit nicht erst seit heute. Neben der Neuauflage von Hans Bellmanns „Ateliertisch“ von 1953, der, vergleicht man ihn mit der Variante von Arco, nicht nur ohne schweres Gussgestell auskommt, sondern auch wesentlich leichter und filigraner auftritt, stellt die Stuhl- und Tischmanufaktur aus der Schweiz weitere Bellmann-Entwürfe aus den 1950er Jahren vor, darunter den „Einpunktstuhl“, ein Meilenstein in der Schweizer Designgeschichte und Höhepunkt im Werk Bellmanns, bei dem die dank einer mittigen Öffnung leicht federnde Sperrholzschale mit nur einer Schraube am Gestell befestigt ist.

„Fürs Leben gern wüßt’ ich: was fangen die vielen Leute nur mit dem erweiterten Horizont an?“

Karl Kraus

Man sieht: Wo das Übergroße keinen Widerhall findet, erinnert man sich gern an die filigrane Modernität der Fünfzigerjahre. Obwohl wir nicht gerade in Zeiten mit einer tiefen Bindung an geschichtliche Ordnung und Tradition leben. Gleichwohl verkörpern die eigenen vier Wände noch immer mehr als nur ein praktisch eingerichtetes funktionales Gehäuse.

Was hätte Sissi wohl zu der Liaison mit dem Spanier gesagt? Bett und Sofa von Jaime Hayon am Stand von Wittmann.
Das enthält nicht nur Tradition, sondern auch einen Schuss Ironie: Hayon ganz wienerisch.

Imperial oder Hayon à la viennoise

Die österreichische Manufaktur Wittmann hat sich daran gemacht, aus der Zusammenarbeit mit dem spanischen Tausendsassa Jaime Hayon und dem Geist der Wiener Moderne einen eklektischen, aber recht gelungenen Retro-Stil zu kreieren. Angesichts dieser Melange und da gestern ja auch morgen sein kann, könnte man angesichts jener Kreationen aber ebenso gut von einer zukunftweisenden Neuauflage der Allianz zwischen Spanien und Habsburg sprechen. Herausgekommen ist so oder so eine wahrlich extravagante, gar imperiale, freilich von Charme und Ironie kontrollierte Kollektion, die mit dem mächtigen „Wings Bed“ beginnt und sich über diverse Beistelltische und Regale, auf deren „seidig weichen Lederborden“ schöne und geliebte Dinge Platz finden, bis hin zu den Sofas, einem kleinen Sessel, einem großen Lounge Chair und einem Ohrensessel der Vuelta-Serie erstreckt. Im Spanischen bedeutet Vuelta unter anderem Drehung, Wende, Rückkehr – also greift die Rückenlehne um die Ecke, wird zur Armlehne und umschließt den Sitzenden wie in einer Umarmung. Man sieht: Auch die Tradition wird hier umarmt. Jedes Detail steckt voller Anspielungen, wirkt ebenso verspielt wie zeitgemäß, oder, wenn man so will, wie eine postmoderne Farce oder ein Pastiche. Also ganz und gar wienerisch und, wie immer bei Jaime Hayon, ungemein reizvoll.

Seid umarmt, ihr Sitzenden

Ob es der Zeitgeist vielen ins Ohr geflüstert hat oder ob es einfach so vom Trend-Himmel gefallen ist, die Geste des Umarmens als Konstruktionsprinzip findet man nicht nur bei Hayons kakanischen Etüden. Auch anderswo recken sich Armlehnen und dehnen sich Sitzschalen nach vorne, als wollten sie schützend ihre Arme um uns Gestresste und Geplagte ausbreiten, uns zu empfangen, zu beruhigen und zu trösten. Das sieht manchmal in etwa so aus, als hätte es uns in die Welt animierter Knetmännchen verschlagen. Es gibt Alternativen zu dieser Geste, die ebenfalls ins Rampenlicht drängen: Allerlei Fortschreibungen von Jasper Morrisons „Monopod“ von 2008, massige, wenn auch nicht allzu große Sessel ohne Füße, die bewusst auf Leichtigkeit verzichten und das pure Beharrungsvermögen ausstrahlen, und eine etwas stärker strukturierte Variante desselben Prinzips, die prägnanter abgesteppt auftritt.

Sessel breiten gern mal die Arme aus: „Catch Lounge" von Jaime Hayon am Stand von &tradition.
Gewährt in vielen Farben Schutz: Der Sessel „Roc“ von Uwe Fischer am Stand von Cor.

Blassrosa feudal

Ansonsten trifft der Flaneur hier und da auf eine Tendenz zur pastellfarbenen Milde und zum Jungmädchen-Chic, was sich beides gut mit dem neuen Luxusbedürfnis verträgt. Dazu passen Blass- und Altrosa-Töne besser als kräftige reinbunte Farben. Beerentöne, hier und da ein Zitronengelb, aber auch gern ein Sessel in Curry, bringen leckere Naturtöne ins Spiel. Petite Fritture mag man darin als exemplarisch betrachten, das Jugendliche mit sanften Anklängen ans Feudale zu kombinieren. In diese Reihe passt auch ein Sessel wie Marie Christine Dorners „Amédée“ bei Ligne Roset, der in „Cover 1“ und „Cover 2“ in verschieden abgesteppten Überwürfen über einen Sofablock seine Fortsetzung findet. Auch den umgekehrten Weg beschreitet man bei Ligne Roset, wo man mit „Back Pack“ einen kleinen Zweisitzer auf Metallgestell präsentiert, dessen Bezug sich am oberen Ende eingerollt fortsetzt und den jugendlichen Geist der Improvisation verkörpern soll.

Eine feudale Note und ein feines Flair: Marie Christine Dorners „Cover"-Sofas mit abgesteppten Überwürfen und ihr Sessel „Amédée“ am Stand von Ligne Roset.
Verspielte Möbel mit Jungmädchen-Charme? Der Stand von Petite Friture.

Wem alles, was in Köln angeboten wird, noch immer nicht luxuriös, gediegen oder mondän genug ist, der gönne sich einen mit Leder bezogenen Tresor samt automatischem Uhrenaufzug für die edlen Chronometer. As time goes by...

Am Ende eines langen Messetages darf der Designer sich schon mal in sein Bett zurückziehen: Moritz von Schmeling am Stand von Zeitraum.