Der Himmel unter Berlin
Am 9. Juli 2021 wurde der neue U-Bahnhof Museumsinsel in Berlin eröffnet. Der von Max Dudler entworfene Verkehrsbau ist 180 Meter lang und verläuft südlich der Schlossbrücke unter dem Spreekanal zwischen dessen östlichem Ufer und dem Kronprinzenpalais. Das Fehlen des natürlichen Lichts unter der Erde und das Thema der ewigen Nacht diente als Inspirationsquelle für den Entwurf. In Form eines künstlichen Sternenhimmels ist dieser gestalterisch an das historische Bühnenbild der Zauberflöte von Karl Friedrich Schinkel angelehnt. Hinzu kommen fotografische Arbeiten von Stefan Müller und Philipp Arnold auf den Hintergleiswänden des U-Bahnhofs, die eine Verbindung zu den Architekturen der Umgebung herstellen.
Alexander Russ: Was ist die Geschichte des Projekts?
Büro Max Dudler: Die Geschichte des Projekts geht bis in das Jahr 1994 zurück. Damals wurden diverse Machbarkeitsstudien erarbeitet, die neben dem U-Bahnhof Museumsinsel auch die U-Bahnhöfe Unter den Linden und Rotes Rathaus beinhalteten. 1998 wurde in einem weiteren Verfahren festgelegt, welche Büros die drei U-Bahnhöfe jeweils planen. Im Fall der Museumsinsel war das unser Büro Max Dudler. Daraufhin ging die eigentliche Planung los und 2012 war der Baubeginn für den Lückenschluss der Linien U55 und U5 zwischen Brandenburger Tor und Alexanderplatz, mit den drei neuen U-Bahnhöfen.
Welche Rolle nimmt der neue U-Bahnhof im städtischen Gefüge ein?
Büro Max Dudler: Der U-Bahnhof ist eine sehr zentral gelegene Begegnungsstätte. Durch den Anschluss an den Hauptbahnhof ist man in nur vier Haltestellen an der Museumsinsel. Von dort sind die Museen, die Staatsoper und der Dom fußläufig zu erreichen. Zudem befindet sich die Humboldt-Universität und das Außenministerium in unmittelbarer Nähe.
Welche Aufgaben hat Ihr Büro bei der Planung übernommen?
Büro Max Dudler: Wir wurden mit der Planung des raumbildenden Ausbaus beauftragt. Daneben wurden verschiedene Planungsgesellschaften speziell für das Projekt gegründet, um zum Beispiel den Rohbau zu planen oder die Projektsteuerung und Bauleitung zu übernehmen.
Welche Herausforderungen gab es dabei?
Büro Max Dudler: Eine grundsätzliche Schwierigkeit war der Berliner Untergrund, vor allem der sandige Boden. Gerade im Bereich der Museumsinsel kam es in der Geschichte immer wieder zu Vorfällen, wie zum Beispiel der eingestürzte Münzturm des ehemaligen Berliner Schlosses im Jahr 1706. Alle historischen Gebäude, wie etwa das Alte Museum, stehen auf Holzpfählen. In dem sandigen Untergund befinden sich auch noch gigantische Granitblöcke aus der letzten Eiszeit. Aufgrund der Lage an einem Spreekanal musste auch das Problem von eindringendem Wasser in die Baugrube gelöst werden.
Sie haben gerade vom raumbildenden Ausbau gesprochen, mit dem das Büro Max Dudler beauftragt wurde. Was ist das architektonische Konzept dahinter?
Büro Max Dudler: Über vier Zugänge betritt man die Vorhallen, die mit einer Natursteinverkleidung aus Kösseine-Granit versehen sind. Von dort gelangt man auf die Bahnsteig-Ebene. Über den Gleisen wölbt sich ein ultramarinblauer Himmel mit leuchtenden Sternen, der das Herzstück des U-Bahnhofs ist. Die Säulenhalle auf dem Mittelbahnsteig funktioniert wie eine Art Pergola unter dem Sternenhimmel.
Welche architektonischen Referenzen gab es dafür?
Büro Max Dudler: Die Gestaltung des Sternenhimmels ist von Schinkel und seinem berühmten Bühnenbild für die Zauberflöte aus dem Jahr 1816 inspiriert. Das Thema des Sternenhimmels taucht bei ihm immer wieder auf, zum Beispiel bei seiner Kirche in Neuhardenberg, deren Decke ebenfalls ein Sternenhimmel ziert. Die Idee des Sternenhimmels findet sich schon auf den ersten Skizzen aus dem Jahr 1994 wieder. Auch die Pergolen sind ein wiederkehrendes Motiv bei Schinkel.
Wie ist der Sternenhimmel konstruiert?
Büro Max Dudler: Eine der konstruktiven Vorgaben für das umgebende Tunnelgewölbe aus Beton bestand darin, dass dort aus statischen Gründen nachträglich nichts angebohrt oder befestigt werden durfte. Eine konventionelle Abhangdecke kam also nicht in Frage. Zudem musste eine Lösung mit hohem Vorfertigungsgrad gefunden werden, die einen zeitsparenden Einbau auf der Baustelle ermöglicht. Wir haben dann eine aus einzelnen, miteinander verschraubten Bogensegmenten bestehende Unterkonstruktion entwickelt, die lediglich an wenigen schon im Rohbau berücksichtigten Punkten befestigt wird. Die Sterne waren schon vorab in die Segmente eingebaut. Die Unterkonstruktion wurde dann verkleidet und mit der Farbe Ultramarinblau von kt.COLOR gestrichen.
Wie ist die Lichtplanung genau abgelaufen?
Büro Max Dudler: Das Lichtkonzept haben wir geplant. Die Berliner Verkehrsbetriebe haben eigene PlanerInnen, die für den Unterhalt der bestehenden U-Bahnhöfe verantwortlich sind. Diese wurden frühzeitig in die Planung und technische Umsetzung miteinbezogen, um für den späteren Betrieb gut vorbereitet zu sein. Auf Wunsch der Berliner Verkehrsbetriebe wurde ein 1:1-Muster des Sternenhimmels gebaut, um zu überprüfen, wie sich die Konstruktion konkret umsetzen lässt – und um das Licht der Sterne und Downlights vorab zu testen. So konnte der spätere reale Zustand simuliert werden und schon im Vorfeld Probleme erkannt und gelöst werden.
Neben dem Sternenhimmel gibt es auch Wandleuchten, die bündig in die Pfeiler und Treppenhäuser eingelassen sind. Wie wurden diese geplant?
Büro Max Dudler: Die Wandleuchten haben wir speziell für den U-Bahnhof zusammen mit dem Leuchtenhersteller Schmitz Wila entwickelt und entsprechende Muster gebaut. Dabei haben die Lichtleistung, die Robustheit und die Wartung eine wichtige Rolle gespielt. Das gilt auch für die Handlaufbeleuchtung von LKD oder die Brüstungsbeleuchtung von WE-EF. Das ganze Lichtszenario war im Hinblick auf Orientierung und Sicherheit sehr gut mit 2D-Plänen vorab simulierbar. Zudem lässt sich die Leuchtstärke der jeweiligen Leuchten im Nachhinein sehr gut regulieren. Insofern war die Planung dazu nicht besonders aufwändig.