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Frisch patiniert

Das neue Empfangsgebäude für das Eisenbahnmuseum Bochum von Max Dudler fügt sich nahtlos in ein historisches Betriebswerk ein. Sein schönster Raum ist jener, der eigentlich so nicht geplant war.
von Adeline Seidel | 27.02.2020

Man könnte den kleinen Raum für eine Fehlplanung halten. Oder wie man im Ruhrpott sagen würde: Kokolores! Die Rede ist von dem kleinen Vorraum des neuen Empfangsgebäudes für das Eisenbahnmuseum Bochum, das Max Dudler entworfen hat. Der leere Raum ist äußerst schmal – in seiner Breite wie in seiner Tiefe. Sechzehn Meter hohen Wände verstärken das Gefühl der Enge, das nur dadurch gebrochen wird, dass der Raum nicht überdacht ist, sondern über den Köpfen in weiter Ferne der freie Himmel zu sehen ist. Doch das Besondere des Raumes ist nicht nur seine eigenwillige Proportion, es ist das Moos, das bereits die Bänke an den Sichtbetonwänden überzogen hat und langsam nach oben wächst. Das samtige Grün gibt dem kargen Architektenraum eine gehörige Portion Nonchalance. Und die ist in einer bodenständigen Umgebung wie einem Eisenbahnmuseum vielleicht auch ganz angebracht.

Das Eisenbahnmuseum in Bochum-Dahlhausen ist eines der größten in Deutschland und ein wichtiger Bestandteil der "Route der Industriekultur“. In dem ehemaligen Bahnbetriebswerk sind auf über 46.000 Quadratmetern Fläche mehr als 120 historische Schienenfahrzeuge aller Art ausgestellt. Regelmäßig kann man von hier aus mit der Museumsbahn das Ruhrtal erfahren. Bislang war das Museum ausschließlich in historischen Bahngebäuden, wie beispielsweise einem Ringlokschuppen mit Drehscheibe und einem Wasserturm untergebracht. Was fehlte, war eine adäquate Empfangssituation für die Besucher – ein Gebäude für Ausstellungen, Veranstaltungen, den Museumsshop und Versorgungsanlagen.

Dudlers Entwurf ergänzt nun gelungen den Bestand. Der Backsteinbau fügt sich harmonisch in das Bautenensemble des vormaligen Betriebswerkes ein. Er atmet geradezu die Architektur von Bahngebäuden. Ein markanter Turm kennzeichnet den Eingang und macht das Museum schon von Weitem für die Besucher sichtbar. Zugleich referenzieren die Volumina des Gebäudes die Typologien des Bahnbaus – vom Bahnhof mit Uhrenturm über Stellwerke und Lokschuppen bis hin zu den Wassertürmen, aus denen die durstigen Dampflokomotiven befüllt wurden. Die Backsteinfassade besticht durch ihre feine Unregelmäßigkeit, denn die Farbigkeit der handgebrannten Ziegel variiert leicht.

Der Besucher betritt den neuen Museumsbau durch den besagten Vorraum und wird zunächst vom Empfangsbereich und dem Museumsshop begrüßt. Dahinter erstreckt sich der langgezogene Ausstellungsraum. Breite Fensterflächen geben den Blick auf die Gleisanlagen frei. An den Ausstellungsraum angeschlossen ist ein kleiner Vortrags- und Workshopsaal. Die Innenräume sind farblich geradezu entsättigt: Der graue Sichtbeton, der graue Estrich, die schwarze, metallenen Installationsschächte an der Decke und das Eichenholz der Möblierung schaffen im Zusammenspiel eine schlichte, fast spröde Eleganz. Saubere und präzise Details unterstreichen diese Feinsinnigkeit. Das neue Gebäude ist eine durch und durch funktionale und wirkungsvolle Architektur – passend zur Nutzung, angemessen für den Ort. Nun ja, nicht durchgehend funktional. Womit wir wieder bei dem kleinen Vorraum wären.

Den Wettbewerb der Stadt Bochum hatte das Büro Max Dudler mit Entwurf gewonnen, der zwar bereits dieselbe Kubatur hatte, jedoch weitere Nutzungen vorsah: So sollte die Dachfläche als Terrasse dienen und der Turm als Aussichtsplattform. Es wäre ganz bestimmt ein Mehrwert für die Besucher gewesen, einen Überblick über das weitläufige Gelände des Eisenbahnmuseums zu erhalten. Doch der beschränkte Kostenrahmen verhinderte die Ausführung dieser Idee. Was bleibt, ist allein der Turm als Landmarke. Und der Leerraum in seinem Innern, der eigentlich die Treppenanlage zur Plattform beherbergen sollte. Nun verleiht ihm wachsende Moosschicht dieselbe Patina, die der Rost den alten Dampflokomotiven verleiht, die im Museum ausgestellt sind. Beiden haftet ein wenig die Romantik des Obsoleten an. Damit ist der Turm mit seinem eigenwilligen Innenraum die vielschichtigste Ergänzung zum Museum. Er verbindet Vergänglichkeit und robuste Beständigkeit.

Und der Leerraum in seinem Innern, der eigentlich die Treppenanlage zur Plattform beherbergen sollte. Nun verleiht ihm wachsende Moosschicht dieselbe Patina, die der Rost den alten Dampflokomotiven verleiht, die im Museum ausgestellt sind. Beiden haftet ein wenig die Romantik des Obsoleten an. Damit ist der Turm mit seinem eigenwilligen Innenraum die vielschichtigste Ergänzung zum Museum. Er verbindet Vergänglichkeit und robuste Beständigkeit.