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Die von BIG entworfene Mars Science City

Kolumne
Dänen im All

Mit dem Mars Dune Alpha-Projekt und der Mars Science City will Bjarke Ingels den roten Planeten erobern, um dort seine Vorstellungen von marsianischer Architektur zu verwirklichen.
von Alexander Russ | 01.09.2021

Mittlerweile ist es offiziell: BIG-Chef Bjarke Ingels ist der Elon Musk unter den Architekten. Während der eine noch durchs All düst, bereitet der andere schon mal die Landung vor, inklusive anschließender Besiedelung. Mars Dune Alpha heißt das Projekt, mit dem der Däne nicht nur auf seinem Heimatplaneten, sondern auch im dazugehörigen Sonnensystem die größtmöglichen Spuren hinterlassen will. Dafür haben sich seine BIGster mit der NASA und ICON zusammengetan, einem Bautechnologieunternehmen, das im Bereich des 3D-Drucks tätig ist – womit auch klar wird, wohin die Reise geht: zum Mars nämlich, und zwar in 3D-gedruckter Form. Für den roten Planeten haben BIG eine Art Forschungsstation in Dünenform entwickelt, die gerade im Johnson Space Center in Texas gebaut wird und über einen längeren Zeitraum von vier Personen bewohnt werden soll. Hintergrund ist eine Mission der NASA, die das Leben auf dem Mars im Innern von Ingels‘ Entwurf simulieren soll, inklusive möglicher Ausrüstungsausfälle, Kommunikationsverzögerungen und simulierter Weltraumspaziergänge.

Ingels wäre nicht Ingels, wenn er Mars Dune Alpha nicht als das nächste große Ding vermarkten würde: "Die aus dieser Habitat-Forschung gewonnenen Daten werden direkt in die NASA-Standards für Langzeit-Explorationsmissionen einfließen und damit möglicherweise den Grundstein für eine neue marsianische Architektursprache legen. Mars Dune Alpha bringt uns dem Ziel, eine multiplanetare Spezies zu werden, einen Schritt näher." Das wirft natürlich die Frage auf, ob das wirklich erstrebenwert ist. Wer sich die Renderings von Ingels‘ Mars-Düne anschaut, kriegt auf jeden Fall schon mal eine Ahnung davon, in welchem Zustand die Erde nach dem Klimakollaps sein könnte – was natürlich nicht die Frage beantwortet, warum man stattdessen auf den Mars ziehen sollte. Hygge sieht jedenfalls anders aus. Womit man bei Dubai und einem anderen BIG-Projekt wäre, das aufgrund seiner Lage und Programmatik ebenfalls die Themenfelder Dystopie und extraterrestrisches Dasein bespielt. In der Nähe der Wüstenstadt planen die Dänen gerade die sogenannte Mars Science City, wo sich WissenschaftlerInnen in einem experimentellen Marslabor unter vier geodätischen Kuppeln auf einer Fläche von 17,50 Hektar mit einer möglichen Besiedelung des Planeten beschäftigen sollen.

Und auch hier gibt Ingels den Utopisten: "Architektur ist die Kunst und Wissenschaft, unsere Welt besser an das menschliche Leben anzupassen. Das wird besonders deutlich, wenn wir uns über unsere terranischen Ursprünge hinaus in fremde Welten begeben und dort siedeln. Die Architektur, die uns dabei am meisten fasziniert, ist die traditionelle Architektur, die sich durch Anpassungen an das regionale Klima und die Landschaft entwickelt hat. Mit der Mars Science City wollen wir erforschen, wie eine spezifische Marsarchitektur aussehen könnte." Das klingt spannend, recycelt im Resultat aber nur die Konzepte von Buckminster Fuller, der in den 1960er Jahren Teile von Manhattan mit einer riesigen Glaskuppel überspannen wollte. Fuller versprach sich eine effizientere Stadt mit weniger Hitze im Sommer und weniger Kälte im Winter. Als Argument für deren Sinnhaftigkeit brachte er unter anderem die eingesparten Kosten bei der alljährlichen Schneeräumung vor – ein Problem, das der Klimawandel bald lösen könnte.

Mars Science City: Nutzung

Tatsächlich geht es bei Ingels‘ Zukunftsvision weniger um Effizienz, sondern vielmehr um die pure Existenz, was interessanterweise an das Biosphere 2-Projekt des texanischen Milliardärs Edward Bass erinnert, der in den 1990er Jahren eine Gruppe Freiwilliger für zwei Jahre in ein geschlossenes 1,60 Hektar großes Ökosystem unter einer Glaskuppel einpferchte und der Selbstversorgung überließ. Das Experiment der simulierten Erde scheiterte – unter anderem deshalb, weil der Stahlbeton der Konstruktion schleichend Sauerstoff absorbierte und den Teilnehmern nach und nach die Luft ausging. Auf dem Mars kommen dann noch die extreme Kälte, hohe Strahlungswerte, ein niedriger Luftdruck und die geringe Schwerkraft hinzu. Aber wer weiß, vielleicht führt die fehlende Frischluft in Dubai ja zu anderen Ergebnissen.