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Charlotte Billwiller, Mathilde Flögl, Susi Singer, Marianne Leisching, Maria Likarz: Gruppenfoto in der Wiener Werkstätte, 1924

Vergessene Verdienste

Die Ausstellung "Die Frauen der Wiener Werkstätte" des MAK in Wien zeigt die Leistung der weiblichen Gestalterinnen für das Gesamtkunstwerk der renommierten Produktionsgemeinschaft auf.
von Anna Moldenhauer | 05.05.2021

"Würdigen und feiern wir die Frauen der Wiener Werkstätte und gestehen wir ihnen jenen Platz in unserem Bild und unserer Wahrnehmung der WW zu, den ihre herausragenden Leistungen verdienen!", schreibt Christoph Thun-Hohenstein, Generaldirektor des MAK im Vorwort des Kataloges zu der Ausstellung "Die Frauen der Wiener Werkstätte", die bis zum 3. Oktober 2021 in Wien zu sehen sein wird. In über 800 Exponaten gibt das Museum für angewandte Kunst Einblick in das vielfältige Schaffen der Gestalterinnen in den Jahren 1900 bis 1930. Die Unterschätzung des künstlerischen Einflusses der für die Wiener Werkstätten tätigen Frauen auf die Leistungen dieser Produktionsgenossenschaft sei nicht wiedergutzumachen und schon gar nicht aus der Welt schaffen. Katalog und Ausstellung verstünden sich aber als markanter Neuanfang in der Bewertung der Leistungen der WW-Künstlerinnen, fügt er an. Ohne die Verdienste der männlichen Kollegen schmälern zu wollen, sei festzuhalten, dass die Wiener Werkstätte zentrale künstlerische Qualitäten und Impulse weiblicher Kreativität verdanke und somit die Leistungen der kreativen Produktionsgenossenschaft ohne die wesentlichen Beiträge der weiblichen Gestalterinnen erheblich ärmer wären.

Für die Vorstellung der vielfältigen Arbeiten der Frauen der Wiener Werkstätte, wie Gudrun Baudisch, Mathilde Flögl oder Rose Krenn, widmete sich das Team des MAK einer umfassenden Recherche und konnte so nicht nur gut 180 Künstlerinnen als Mitarbeiterinnen des WW identifizieren, sondern auch viele Biografien aktualisieren oder neu aufsetzen. Chronologisch und thematisch geordnet, zeichnet die MAK-Schau den Weg der Künstlerinnen von der Ausbildung bis zur Rezeption nach – die Spanne reicht dabei von frühen Arbeiten wie die Gestaltung von Postkarten über die Entwicklung der Modeabteilung bis zur Gründung der Künstlerwerkstätte. Die Diffamierung ihrer Arbeit, begründet in einem sexistischen Weltbild, das die Rolle der Frau auf jene der Hausfrau und Mutter beschränkt sah, wird im Rahmen der Schau ebenso thematisiert, wie das emanzipatorische Potenzial des Berufsbildes der Kunstgewerblerin und die Möglichkeiten zur Entfaltung, die ihnen die Produktionsgemeinschaft ermöglichte. Auch einen Fingerzeig für eine gleichberechtigte Zukunft in den Künsten gibt sie – denn dass die Errungenschaften der Gestalterinnen für den Erfolg der Wiener Werkstätte wesentlich weniger im kollektiven Gedächtnis gespeichert sind, als die der männlichen Kollegen sei auch der mangelhaften Sichtbarkeit ihrer Arbeit geschuldet. "Für die Zukunft können wir daraus lernen, dass Reformbewegungen, die mit den Mitteln der Kunst nachhaltige Veränderungen anstreben, gut beraten sind, Frauen nicht nur gleiche Möglichkeiten wie Männern einzuräumen, sondern hohe künstlerische Qualität auch mit ähnlichem Einsatz zu bewerben wie bei Künstlern", so Christoph Thun-Hohenstein.


Die Frauen der Wiener Werkstätte
MAK – Museum für angewandte Kunst
Stubenring 5
1010 Wien

5. Mai bis 3. Oktober 2021
Aufgrund der anhaltenden Pandemie ist für den Besuch des Museums eine Timeslot-Buchung erforderlich.

Audio-Führung zur Ausstellung "Die Frauen der Wiener Werkstätte"