„Wir lebten à la Ponti", erinnert sich Lisa Licitra Ponti zurück an ihre Kindheit und an ihren Vater. Der Architekt Gio Ponti, unter anderem für das Pirelli-Hochhaus aus den fünfziger Jahren bekannt, hatte auch die Mailänder Familienhäuser in der Via Randaccio, der Via Brin und der Via Dezza in radikaler Manier gestaltet. Fließend gingen die hellen Räume ineinander über und waren mit Kunst und Möbeln aus der Feder Pontis ausgestattet. An seinen Gestaltungsvorgaben richtete sich der Familienalltag aus.
Die Mailänder Architektenkammer widmete Pontis Wohninterieurs anlässlich der Salone-Woche eine kleine Ausstellung und erinnerte damit an ein Kapitel der Designgeschichte, das heute noch lebendig ist. In den engen Büroräumen in der Innenstadt wurden Briefe, Fotografien und Pläne von Gio Pontis Wohnarrangements präsentiert: ein Stuhl aus Metall, ein Wandregal wie ein filigraner Setzkasten und ein Beistelltisch – Belege für das Leben à la Ponti, an das sich seine Tochter erinnert. Ergänzend dazu war im Molteni-Showroom die limitierte Reedition einer kleinen Auswahl an Möbeln des Italieners zu sehen.
Zwar bleibt die überschaubare Ponti-Initiative eine Randnotiz der Salone-Woche. Doch Entdeckungen wie diese graben sich ins Gedächtnis, weil sie den genius loci Mailands bekräftigen. Seit Generationen sind Kultur und Geschichte der Stadt von Design bestimmt, und schon renommierte Gestalter wie Gio Ponti haben alles daran gesetzt, ihre Entwürfe im Alltag und im Leben zu verankern.
Gläserne Pillen vor Renaissance-Altären
Wer während der Möbelwoche durch die Stadt flanierte, konnte auf manche Überraschung stoßen und zeitgenössisches Design mit Ausflügen in die Geschichte der Stadt verbinden – sei es in die dreißiger Jahre, zur Nachkriegsära oder aber zurück ins 19. Jahrhundert und bis in die Renaissance. Im Museum Bagatti Valsecchi in der Via Santo Spirito gaben sich gleich mehrere historische Epochen ein Stelldichein. Der Palazzo selbst, ehemals der noble Familiensitz der Familie Bagatti Valsecchi, stammt zwar aus dem 19. Jahrhundert, wurde aber schon damals nach Renaissance-Vorbildern errichtet und mit Möbeln und Objekten aus der Zeit des Humanismus eingerichtet. Zur Salone-Woche waren zusätzlich schillernde Glasobjekte von Venini in den ehemaligen Wohnräumen zu sehen, darunter Preziosen aus den zwanziger Jahren und aktuelle Entwürfe. Fabio Novembres neue „Happy Pills", eine limitierte Edition mundgeblasener Glasvasen, gesellte sich wie ein schillerndes Placebo aus Murano zu den kostbaren Altartafeln. Auch Emmanuel Bableds Tischleuchten „Elix" setzten moderne Lichtpunkte unter den schweren Kassettendecken. Und Tadao Andos neue LED-Leuchte „Veliero", aus einzelnen gekrümmten Glasmodulen zu Tisch-, Steh- oder Wandleuchten zusammengesetzt, bäumte sich zu einer futuristischen Lichtskulptur in historischem Ambiente auf. Ergänzt durch einen Stuhl-Prototyp des japanischen Architekten und Autodidakten, der den Auftakt seiner Zusammenarbeit mit dem dänischen Traditionsmöbelhersteller Carl Hansen & Son bildet, verwandelte sich die historische Wohnwelt der Bagatti Valsecchi in eine Art Zukunftslabor, das traditionelles Handwerk und moderne Technologien vereint.
Zeitgenössische Lichtpunkte und historische Porträts
Aktuelle Glanzpunkte in ungewöhnlichem, historischem Ambiente setzte auch die Foscarini-Ausstellung „Fare Lume" im Museum Poldi Pezzoli in der Via Manzoni. Kurator Beppe Finessi, Chefredakteur der Zeitschrift Inventario, sammelte unterschiedliche Entwürfe, die sich mit Kunst und Design von Kerzen auseinandersetzten, und platzierte sie in die renommierte Gemäldesammlung des Museums, zwischen die wunderbaren Werke von Botticelli und Pollaiolo, Bellini und Mantegna. Durch Stücke wie Oscar Diaz reduzierten „Doiy"-Kerzenhalter und Giulio Iacchettis verblüffend einfacher „Lumen"-Konstruktion aus ineinander gesteckten Metallplättchen entstand ein spannungsvoller Dialog, der die Porträts und die sakralen Gemälde der Sammlung in schummrigem Kerzenlicht flackern ließ. Gegenwart und Vergangenheit, Kunst und Design vermischten sich so zu einer Synergie, die auch Michelangelo Pistoletto nutzte. Seine Installation „Candele" zeigte eine schnurgerade Reihe an Kerzen, deren flackerndes Licht sich in der spiegelnden Metallplatte an ihrer Rückseite spiegelte wie ein Trompe-l'œil. Die Grenzen der Inszenierung, so viel lässt sich nach dem Rundgang sagen, sind so fließend wie jene zwischen Kunst und Design. Und sie verquicken Gegenwart und Vergangenheit zu einer verblüffend überzeugenden Mischung.