Immer einen Schritt voraus
Anna Moldenhauer: Alberto, das lateinische Wort "magis" bedeutet "mehr als". Was möchte Magis derzeit im Bereich Design anbieten, das mehr ist als das, was wir derzeit kennen?
Alberto Perazza: Ich würde sagen das "mehr" ist in unseren Ideen zu finden, in unserer eigenen Definition von Design. Wie wir die Dinge zusammenfügen und in welche Richtungen wir denken. Dieses "mehr" zu bieten ist sicher auch eine Herausforderung, jedes Mal aufs Neue.
Die Freude am Experiment und die Kombination aus bewährter Handwerkskunst und neuer Technologie sind Teil der DNA von Magis. Was macht für dich den Reiz hierbei aus?
Alberto Perazza: Als Designunternehmen ist Magis grundsätzlich sehr technologieorientiert. Wir sind fasziniert von den Möglichkeiten, die sich beim Experimentieren mit dem Material ergeben und erkunden verschiedene kreative Richtungen. Wir arbeiten gerne im Team, denn Design hat heutzutage viel mit Zusammenarbeit zu tun. Es gibt viele nicht vordergründig sichtbare Personen, die eine wichtige Rolle bei der Umsetzung einer Idee, eines Projekts in ein reales Produkt spielen, z.B. Modellbauer, Ingenieure, Produktionspartner und selbstverständlich auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das sind die Fachleute hinter den Kulissen, die aber sehr wichtig und ein fester Bestandteil des Ensembles sind. Die Energie, die uns generell antreibt, kommt auch aus dem Team. Auch für die Designer, die mit uns zusammenarbeiten, ist die intensive Zusammenarbeit mit uns als Hersteller ein zentraler Punkt.
An welchen Technologien oder Materialien forscht ihr gerade?
Alberto Perazza: Wir arbeiten derzeit auf verschiedenen Ebenen: Wir forschen unter anderem im Bereich Spritzgussverfahren und der Entwicklung recycelter oder biobasierter Kunststoffe. Gleichzeitig arbeiten und experimentieren wir mit traditionelleren, handwerklicheren Produkten. Das ist auch der Kern von Magis: Produkte, die mit hochentwickelter Technologie und handwerklichem Können hergestellt werden. Dieses Jahr stellen wir beispielsweise einen neuen Stuhlentwurf von Barber Osgerby und ein Sofa von Ronan und Erwan Bouroullec vor.
Magis ist in seiner Formensprache sehr klar und direkt. Es gibt keine unnötigen Schnörkel, es geht ums Wesentliche. Warum ist das wichtig für euch?
Alberto Perazza: Ich denke, die Formensprache geht zurück auf unsere Definition von Design. Wir arbeiten die Ideen direkt bis auf den Kern aus. Wenn es keine zentrale Idee gibt, ist es nur eine Stilübung – und das versuchen wir zu vermeiden.
1996 bist du gemeinsam mit deiner Frau Barbara Minetto in das Unternehmen eingestiegen, das dein Vater 1976 gegründet hat. Was war euch beiden damals wichtig für Magis und was ist es heute?
Alberto Perazza: Als ich bei Magis eingestiegen bin, hatte ich keinen direkten Hintergrund im Design oder der Architektur. Mein Interesse für diese Themen wurde geweckt, als ich meinen Vater zu einigen Treffen mit DesignerInnen begleitet habe. Die Gespräche über Design und den gemeinsamen kreativen Prozess fand ich sehr inspirierend und wollte mich dazu gerne einbringen. Mein Weg in das Unternehmen wurde so mehr zu einem organischen Prozess und es ist für mich eine große Ehre mit den unterschiedlichen DesignerInnen zusammenzuarbeiten – sowohl etablierte Kreative wie JungdesignerInnen.
Die Nachhaltigkeit im Design wird in der Branche viel diskutiert. Ich habe gelesen, dass du der Ansicht bist, dass es kein "schlechtes" Material gibt, sondern dass es eher von der Einstellung abhängt, wie man Materialien wie Kunststoff im Design verwendet. Wie würdest du deine Positionierung zu der Frage der Nachhaltigkeit genau definieren?
Alberto Perazza: Für mich geht es mit Blick auf die Nachhaltigkeit in erster Linie darum Produkte herzustellen, die langlebig sind und sich nicht an Trends orientieren. Hinzu kommen soziale Aspekte – um eine Verantwortung, die man gegenüber der Gesellschaft trägt, indem man einen ganzheitlichen Ansatz im Design entwickelt. Wir stellen zum Beispiel einen Großteil der Produkte direkt in der eigenen Region her und lassen diese nach europäischen und US-amerikanischen Normen zertifizieren.
Magis arbeitet seit vielen Jahren mit dem Designer Konstantin Grcic zusammen. Wie hat er Magis beeinflusst?
Alberto Perazza: Unser erstes gemeinsames Projekt startete im Jahr 2001. Konstantin arbeitet also schon seit über 20 Jahren mit uns zusammen. Wir genießen diese Kooperation sehr, denn die Kommunikation und der Ideenaustausch ist wunderbar. Er denkt mit dem Verstand eines Industriedesigners, und diese klare Art und Weise wie er Prozesse und Entwürfe sieht ist perfekt für uns. Zudem entspricht ihm, glaube ich, auch unsere Herangehensweise an Design. Konstantin hat großartige Produkte für Magis entworfen und wir haben auch noch viele Ideen in der Planung. Wenn wir zusammenarbeiten, entsteht automatisch viel kreative Energie. Wie verstehen uns auf Anhieb, sprechen quasi die gleiche Sprache.
In diesem Jahr stellt Magis unter anderen den neuen Stuhl "AKA" von Konstantin Grcic vor. Was möchtet ihr den BesucherInnen mit den Neuheiten vermitteln?
Alberto Perazza: Glücklicherweise waren wir auch in der Pandemie in der Lage weiterzuarbeiten und neue Produkte zu finalisieren. Der Salone del Mobile ist für uns als Plattform sehr wichtig, denn in unserer Branche ist es entscheidend Produkte auch abseits eines Screens präsentieren zu können – wie etwa den "Bell Chair" von Konstantin Grcic, den wir inmitten der Pandemie auf den Markt gebracht haben und der nun das erste Mal zu sehen sein wird. Ein weiteres Beispiel ist das finale "Costume" Sofa von Stefan Diez, wovon wir bisher nur Prototypen zeigen konnten. Es geht um die Ideen, die hinter den Produkten stehen und um die unterschiedlichen Ansätze, die wir bei Magis zusammenbringen.
Ich habe gelesen, dass dein Vater Eugenio Perazza die Philosophie von Magis einst als "einzigartig und universell" beschrieben hat. Wie schafft es Magis einzigartig und universell zugleich zu sein?
Alberto Perazza: Das klingt widersprüchlich, ist es aber nicht, denn wir schaffen industriell gefertigte Produkte, die in ihrem Kern von Handwerkern entworfen werden. Die authentische handwerkliche Herstellung überwiegt gegenüber dem industriellen Teil, indem sie die gesamte Ausdrucksqualität, die Ästhetik des Objekts bestimmt. Das Universelle ergibt sich also aus dem industriellen Aspekt der Produktion, das Einzigartige ist im handwerklichen Aspekt verwurzelt.
In welche Richtung möchtet ihr für Magis zukünftig die Segel setzen?
Alberto Perazza: Es geht weiterhin darum, den Dreiklang aus Nachhaltigkeit, Experiment und Technologie zu optimieren. Dazu sollen die unterschiedlichen Ansätze der DesignerInnen auch zukünftig gut harmonieren. Wir arbeiten bereits am nächsten Kapitel für Magis.