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Alberto Brogliato und Federico Traverso

Das Wesentliche gestalten

Die Designer Alberto Brogliato und Federico Traverso haben in diesem Jahr ihr neuestes Produkt für Magis vorgestellt: Den Stuhl "Trave". Warum gute Gestaltung für sie auf Balance, Zeit und Reduktion basiert, sagen sie uns im Interview.
14.08.2023

Anna Moldenhauer: Ein Zitat von euch lautet: "Unsere Herangehensweise an das Design definiert sich durch den Willen, nicht einer bestimmten Zeit oder einem bestimmten Kontext anzugehören ... es sind 'no time no space' Objekte. Wie erreicht ihr das?

Federico Traverso: Wir suchen in unseren Projekten nach dem richtigen Gleichgewicht zwischen etwas, das nicht an eine bestimmte Zeit gebunden ist und welches man überall, in jeder Situation und zu jeder Zeit einsetzen kann. Uns interessiert etwas, das sich zwischen elegantem Ideal und der Wissenschaft bewegt.

Welche Merkmale muss ein Produkt aufweisen, um dieses Ziel zu erreichen?

Alberto Brogliato: Jedes Projekt hat seine eigene Geschichte und jedes Objekt hat seine Besonderheiten. Unsere Objekte sollen daher in viele unterschiedliche Umgebungen passen. Sie sollen keine kurzfristigen Verkaufsschlager sein, sondern langfristige Dauerbrenner, mit denen man sich gerne umgibt und sie wertschätzt. Vor dem Einsatz von wiederverwertbaren und recycelten Materialien sollten die Produkte so gestaltet sein, dass man sie möglichst ein Leben lang behalten möchte.

Federico Traverso: Für die Leuchte "Lost" haben wir beispielsweise nach einem poetischen Thema gesucht, dem leeren Raum im Kreis. An diesem Gleichgewicht haben wir lange gearbeitet, denn wenn die Gestaltung etwas darüber hinausgeht, haben wir die Balance verloren. Unsere Objekte sind sehr still, sie zeigen, dass der Entwurfsprozess kein Sprint war.

"Lost"
"Trave"

Warum habt ihr euch für die Zusammenarbeit mit Magis entschieden?

Federico Traverso: Wir schätzen beispielsweise sehr, dass wir von Magis keine Beschränkungen für unsere Ideen erhalten haben, sondern unsere Vorstellung eine Leuchte ohne den gängigen Aufbau zu gestalten umsetzen konnten. Der Kreis ist so gleichzeitig Lichtquelle und Leuchtenschirm, hat etwas Vollkommenes und Leichtes.

Alberto Brogliato: Als wir die Lösung für die Gestaltung von "Lost" gefunden haben, waren wir eigentlich mit Magis mitten im Prozess für die Kreation eines Stuhls. Als wir ihm parallel den Prototypen für die Leuchte zeigten, sagte er "Gebt mir eine Woche Zeit, um darüber nachzudenken und mit Alberto, Barbara und Enrico darüber zu sprechen." Nach zwei Tagen rief er uns an und sagte: "Stoppt für einen Moment die Arbeit an dem Stuhl und macht weiter mit der Leuchte." Auch bei "Bouquet", der Kombination einer Vase und einer Akkuleuchte, hat uns Magis recht schnell das Zeichen gegeben das Projekt weiterzuentwickeln. Sie trauen sich zu experimentieren und auch mal ein Risiko einzugehen.

Zu "Trave" – die Struktur des Stuhls ist außergewöhnlich, denn das Kernstück ist ein Bugholzbogen. Daran sind die Stuhlbeine sowie die Kissen befestigt. In gewisser Weise braucht jedes Teil das andere, um die Statik zu halten. Was waren eure Überlegungen hierfür?

Alberto Brogliato: Im Grunde gibt es jede Form für einen Stuhl bereits. Was uns interessiert hat, war ein Massivholzstuhl mit Bugholzelementen, der das Handwerk zeigt, das in ihm steckt. Wir haben uns daraufhin die Produktion von Stühlen dieser Art angeschaut und überlegt, wie man diese auf eine andere Art und Weise nutzen kann. Subtraktion ist einen Vorgang, mit dem wir gerne arbeiten – was bleibt übrig, wenn wir uns auf den Kern des Aufbaus konzentrieren und beispielsweise die Rückenlehne und Sitzfläche abziehen? Das gebogene Massivholz ist so das Herzstück von "Trave", das mit allen weiteren Elementen verbunden ist. Das Team von Magis meinte bei der Präsentation des finalen Ergebnisses zu uns, das wir eine neue Art für die Struktur eines Holzstuhls entwickelt haben. Das war ein großartiger Moment. Die Herausforderung war diese neue Struktur anschließend so robust werden zu lassen, dass sie allen nötigen Tests standhält. Das Holz für die Beugung vorzubereiten und in die gewünschte Form zu bringen, dauert einige Wochen. Dazu wollten wir bis auf zwei Schrauben für die Befestigung der Sitz- und Rückenkissen keine Metallteile in unserer Struktur. Der Aufbau gleicht so einem Puzzle und das meiste ist im Inneren verborgen. Es ist ein typischer Weg für Magis, die traditionelle Handwerkskunst und einen außergewöhnlich fortschrittlichen Prozess zu einem einzigartigen Produkt zu entwickeln.

Mit Blick auf die Nachhaltigkeit eurer Produkte für Magis – neben einer Gestaltung, die keinen Trends folgt, sondern für sich einzigartig ist, was ist euch darüber hinaus beim Aufbau wichtig?

Alberto Brogliato: "Lost" und "Bouquet" können beispielsweise komplett in ihre Bestandteile zerlegt werden und so ist es auch möglich einzelne Elemente zu ersetzen. "Bouquet" ist zudem batteriebetrieben und diese kann ausgetauscht werden, das ist auch ein Unterschied zu vielen Akkuleuchten mit fest verbauten Elementen. Ebenso achten wir darauf möglichst wenige unterschiedliche Materialien zu verwenden, so dass diese sauber voneinander getrennt werden können.

"Bouquet"

2014 habt ihr das Designstudio BrogliatoTraverso gegründet, vor kurzem habt ihr nun ein neues Kapitel aufgeschlagen. Könnt ihr sagen, inwiefern ihr neu durchstartet?

Federico Traverso: Nach dem Abschluss unserer Ausbildungen in Architektur und Design und der Auslandsaufenthalte in Japan, den USA und Kanada haben wir einige Zeit ein Büro mit insgesamt 13 Personen geführt. Letztes Jahr beschlossen wir nur noch zu zweit arbeiten zu wollen, um uns auf drei, maximal vier Projekte im Jahr konzentrieren zu können. Wir sind keine Designer, die jedes Jahr viele neue Produkte vorstellen und im Entwurfsprozess hin- und herspringen. Wir möchten auch nicht an jedem Event der Branche teilzunehmen und möglichst überall präsent sein, das ist nicht unser Ziel. Wir sind glücklich, wenn wir uns auf unsere Leidenschaft für die Gestaltung konzentrieren können und das ist nun möglich. Dank der Reduktion auf uns selbst fühlen wir uns frei. Zudem haben wir vor kurzem den Standort gewechselt und arbeiten jetzt in einer historischen Villa in Vicenza, die so ruhig gelegen ist, dass man die Vögel draußen zwitschern hört.

Was sind eure aktuellen Projekte für Magis?

Federico Traverso: Wir arbeiten aktuell gemeinsam mit Magis an unterschiedlichen Projekten, ein Prozess, der immer spannend bleibt, da Eugenio Perazza den nächsten Schritt stets auf einer noch höhere Ebene setzt. Wir möchten für jede Idee den besten Weg finden, dabei stört es uns auch nicht, wenn dieser ein wenig länger ist. Ein wichtiger Aspekt in unserer Zusammenarbeit mit Magis ist die Zeit, die sie der Entwicklung schenken, entgegen unserer schnelllebigen Branche. Sie geben uns Zeit, weil sie wissen, dass dann das Ergebnis noch besser wird. Somit sind alle Produkte auf einem hohen Qualitätslevel. Manchmal braucht es in der Gestaltung genau diese Freiheit, um eine Lösung zu finden, die perfekt ist.

Interview to BrogliatoTraverso, Bouquet – Salone del Mobile 2022
Interview to BrogliatoTraverso, Lost – Salone del Mobile 2022