Foto © Thomas Wagner, Stylepark
Nein, nicht die weithin bekannte Reiseschreibmaschine „Valentine“, die Ettore Sottsass entworfen hat und die zwischen 1969 und 1975 von Olivetti produziert wurde, hat die Schreibmaschine in eine konsequent gestaltete „business machine“ verwandelt. Es waren zwei andere Modelle desselben Herstellers, die den Weg geebnet haben zu einem neuen Schreibmaschinendesign: „Tekne“ und „Praxis 48“. Dabei war es im Fall der Tekne keineswegs einfach, den Firmenchef davon zu überzeugen, mit einem neuartigen Design lasse sich ein neues Kapitel in der Gestaltung von Büromaschinen aufschlagen.
Die Geschichte geht so: Wir schreiben das Jahr 1959. Olivetti plant, seine erste elektrische Schreibmaschine auf den Markt zu bringen. Der Designer Marco Nizzoli, der die Maschine entwerfen soll, erkrankt. Adriano Olivetti, der das Design zum tragenden Element des Unternehmens gemacht hat, möchte auf dessen Genesung warten. Seinem Sohn Roberto indes hat schon dessen letztes, noch rein mechanisches Modell, nicht gefallen. Er besteht darauf, Ettore Sottsass solle sich der Sache annehmen und übernimmt die Verantwortung, den Entwurf seinem Vater vorzustellen. Die Präsentation der Maschine gerät zum Desaster. Die Manager stehen betreten herum, als existiere Sottsass’ Schreibmaschinenmodell überhaupt nicht, obwohl es gut sichtbar auf einem riesigen polierten Walnusstisch steht. Als Adriano Olivetti den Raum betritt, begrüßt er jeden freundlich, steht lange Zeit schweigend und regungslos vor der Maschine, wendet sich schließlich zu dem Designer um, sagt: „Vielen Dank, Sottsass!“ – und geht. Zehn Tage später ruft er Sottsass an und sagt: „Ich glaube, ich muss einsehen, dass dies ein neuer Designansatz ist. Wir werden mit diesem Projekt weitermachen. Aber könnten Sie nicht etwas vorne dran machen? Eine Sonne zum Beispiel?“ Sottsass antwortet: „Ich kann es versuchen.“ Getan hat er es nie. Wenig später stirbt Adriano Olivetti. Sein Sohn Roberto wird Präsident der Firma. Die „Tekne“ kommt heraus.
Sottsass selbst hat zu der Aufgabe, Büromaschinen zu gestalten, einmal bemerkt: „Als ich begann, Maschinen zu entwerfen, begann ich auch, über diese Objekte nachzudenken, die dicht beieinanderstehen und die Menschen umgeben. Sie können nicht nur Einfluss auf das körperliche, sondern auch auf das emotionale Befinden nehmen. Sie berühren die Nerven, das Blut, die Muskeln, die Augen und die Stimmungen der Menschen. Seitdem habe ich nie ein Produkt in der Weise gestaltet, wie ich eine Skulptur formen würde. Ich war völlig von der Idee besessen, dass ich mit dem Design eines Objekts oder einer Maschine eine Kettenreaktion auslösen würde, von der ich sehr wenig verstehe, von der ich gerne mehr gewusst oder wenigstens ihre Geschichte antizipiert hätte.“
Ettore Sottsass sah das Problem nicht in erster Linie darin, größere oder kleinere, gerundete oder rechteckige Maschinen zu entwerfen. Ihn beschäftigten nicht das einzelne Exemplar und dessen Formgebung; er sah die Notwendigkeit, ganze Maschinengruppen zu entwerfen und dachte darüber nach, welche Folgerungen daraus zu ziehen seien. Für ihn war die Sache klar: Es ging darum, ganze Maschinen-„Landschaften“ zu entwerfen, oder, wenn man so will, den gesamten Kontext ins Auge zu fassen, die Architektur, die Innenräume und die Atmosphäre der Umgebung einzubeziehen.
Entsprechend neuartig fiel das Design der „Tekne“ aus. Es veränderte das Aussehen von Büromaschinen grundlegend. Schreibmaschine waren zu dieser Zeit grundsätzlich rund geformt, weil die Verkaufsmanager glaubten, Sekretärinnen liebten ihre Maschinen, wenn diese runde und weiche Formen aufwiesen. Für Sottsass hingegen stand fest: Würden in einem Büro, in dem 100 Schreibmaschinen stünden, alle aussehen wie 100 kleine Skulpturen, würde ein ästhetisches Chaos entstehen. Deshalb hielt er es für notwendig, sich nicht allein auf die Form jeder einzelnen Maschine zu konzentrieren, sondern die Beziehung zwischen den Maschinen und ihrer Umgebung in seine Überlegungen einzubeziehen. Eine Form, die man ständig vor Augen habe, mit der man acht Stunden am Tag leben müsse, dürfe nicht zu intensiv sein und solle keine Gefühle wecken.
Das Design der Tekne folgt deswegen den Körperachsen eines Schreibenden; einfachen horizontalen und vertikalen Linien. Vertikale und horizontale Oberflächen können präzise geschnitten und beliebig oft in der Architektur der Arbeitswelt vervielfältigt werden. Die Praxis 48 von 1964, die Sottsass gemeinsam mit Hans von Klier entworfen hat, geht in dieser Hinsicht noch einige Schritte weiter. Jegliche Rundungen sind nun vollständig verschwunden. Das Gehäuse gleicht einem an den Seiten mit vertikalen Rillen versehenen Schuhkarton, an dem die Tastatur freischwebend aufgehängt ist, was auf die Trennung der Bedieneinheit von Gehäuse und Drucker bei Computern vorausweist. Auch farblich werden neue Wege eingeschlagen: Die Tasten sind grün, Gehäuse und Tastatur auch farblich voneinander abgesetzt.
Wäre es nicht schön, es gäbe einen aktueller Rechner oder Laptop, dessen rein technoide Gestalt mit einem kräftigen Schuss „Memphis“ aufgefrischt würde? Schließlich ist auch auf dem Schreibtisch Platz für eine „bella macchina“.