„Ein seriöser Architekt, der gute Arbeit machen will, muss von innen beginnen und nicht von außen: Die Anordnung der einzelnen Einrichtungsgegenstände bedingt die Aufteilung des Wohnraums und somit auch der Öffnungen; all dies zusammen formt die Wohnungen, und die Summe der Wohnungen formt das Gebäude. Die Fassade muss sich im Wesentlichen den verschiedenen Grundrissen, aus denen sie sich ergibt, anpassen können." Eine Aussage, die nicht nur den zutiefst humanistischen Charakter Dominionis beschreibt, sondern unterstreicht, dass sich sein Ansatz fernab jeglicher vorgefertigter formaler Lösungen und, was entscheidender ist, jenseits aller „ideologischer Programme" bewegt. Dominioni fühlt sich den Bedürfnissen der Nutzer verbunden, weswegen er das Haus auch als „Maßanzug" entwirft. Caccia Dominionis Ansatz scheint eine dichte und unerschöpfliche Promenade der Wohnformen zu sein. Was er macht, ist Teil der Moderne und dennoch ist er in der Lage, auf die Geschichte zu hören. Weder kapriziert er sich auf ein Revival, noch ahmt er einzelne Stile nach. Erscheinen seine Bauwerke einerseits als Produkte seiner Arbeit als Branchen-Outsider, so haben sie andererseits doch gerade aufgrund ihrer Einzigartigkeit „Schule" gemacht.
Kein Wunder, dass Luigi Caccia Dominioni auch im Bereich der Inneneinrichtung stilbildend gewirkt hat. So leitet sich aus dem unübertrefflichen Lehnstuhl „Catilina" von 1958 aus flachen, gebogenen Metallbändern und drei Metallstäben, um die sich das Band wie ein Stück Stoff windet, um sich schließlich zu einer eleganten Rückenlehne zu formen, der Umgang mit der Metallstruktur ab, wie ihn auch Tobia Scarpa 1960 bei seinem Bett „Vanessa" erprobt hat. Das Gebäude der Architekten Antonio Citterio und Patricia Viel in Brera, in dem heute das Bulgari Hotel untergebracht ist, ist zweifellos aus der Rezeption der perfekten Komposition der „Casa Caccia Dominioni" an der Piazza Sant'Ambrogio 16 in Mailand - dem ersten architektonischen Projekt urbanen Maßstabs des dreißigjährigen Caccia im Stadtzentrum - hervorgegangen, deren Rhythmus und deren Rundungen es aufgreift. Die Gebäudelehre des Architekten Cino Zucchi ist eine gelehrte Hommage an den „Stil Caccias" und bezieht sich zum Beispiel auf die verführerischen Unregelmäßigkeiten und die Brauntönung der Gebäudefassaden in der Via Nievo (1956) und auf der Piazza Carbonari (1960). Und die unlängst am Portello erbauten Häuser und Wohnungen scheinen eine ganz neue Qualität eines Mailänder Wohnungsbaus aufleben zu lassen.
Zweifelsohne beruht das gesamte Werk Luigi Caccia Dominionis auf dem Prinzip der Synthese. Stets steht das Design der Einrichtungsgegenstände in engem Einklang mit der Struktur des Interieurs. So sind etwa die Mosaiken von Francesco Somaini integraler Bestandteil der Gesamtkomposition des Gebäudes, das als komplexer Organismus betrachtet wird. Caccia hat mehrfach erklärt, dass er sich vor allem als „Anlagenbauer" begreift: Aus dem Entwurf des Grundrisses, der in seiner Logik den menschlichen Bewegungen folgt, ergeben sich Überlegungen, die in die Fassadenlösung einfließen. Dabei ergeben sich aber auch Anregungen für das Design von Objekten, Einrichtungsgegenständen, Accessoires, Lampen, Griffen und Türen, die 1985 mit dem Compasso d'Oro ausgezeichnet wurden. Es geht dabei um einen permanenten Austausch zwischen dem Bereich des Privaten und des Öffentlichen, die beide mit der gleichen Intensität in Angriff genommen werden, wobei der räumlichen Qualität der Achsen und Übergänge, der Korridore in Privatwohnungen und der öffentlichen Galerien in großen Gebäuden, der Treppen und Verbindungen besondere Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Als meisterhaft erweist sich etwa die Verbindung zwischen der Kirche San Fedele und der Chase Manhattan Bank der BBPR im Zentrum von Mailand, die 1968-70 realisiert wurde.
Treppen haben in Caccias Gebäuden nicht nur als gleichsam natürliches, vertikales Gliederungselement eine Funktion, sondern auch als Dreh- und Angelpunkt - meist in ovaler oder elliptischer Form -, um den herum sich der gesamte architektonische Organismus entwickelt. „Ja, ich glaube", so Caccia, „dass der Mensch sich im Wesentlichen in gewundenen Linien bewegt und nicht in geraden Strecken wie ein Weberschiffchen hin und herschnellt, sondern entweder in kreisförmigen, ovalen oder gewundenen Linien." Diese Form der menschlichen Bewegung bildet die Matrix für Caccias architektonische Form.
Seit Beginn seiner Karriere nach seinem Universitätsabschluss 1936 hat sich Luigi Caccia Dominioni, sei es aufgrund objektiver Bedingungen seiner Umgebung, sei es aufgrund sich ergebender Arbeitsmöglichkeiten, vielfach mit Entwürfen für Objekte befasst, darunter das berühmte Transistorradio „Phonola 548", das er gemeinsam mit den Brüdern Livio und Pier Giacomo Castigioni, mit denen er einige Jahre das Studio teilte, entworfen hat und das aufgrund seiner semantischen Intensität und vieler neuer Elemente heute als eines der ersten bedeutenden Objekte des Italian Design gilt.
Bei dem „Phonola 548" setzte Luigi Caccia Dominioni dem traditionellen Gehäuse für den Nachttisch eine neue formale Lösung der „Verbindung und Folgerichtigkeit zwischen Inhalt und Gefäß" entgegen, die „das Fundament für das funktional konzipierte Objekt" bildet, so ein zustimmender Kommentar von Giuseppe Pagano. Doch das Programm des „funktionalen Möbelstücks" ging Caccia möglicherweise nicht weit genug. Zur Deckung des Bedarfs an Möbeln und Produkten, die er entwarf und restaurierte, gründete er 1947 gemeinsam mit Ignazio Gardella, Corrado Corradi Dell'Acqua, Maria Teresa und Franca Tosi das erste Geschäft Italiens für Produktion und Verkauf von Objekten und Einrichtungsgegenständen: Azucena.
Das italienische Unternehmen Azucena war weniger ein Programm für moderne Möbel mit avantgardistischem Anspruch, als eine Kollektion vereinzelter Designteile, die aus einer langen Entwurfphase hervorgingen und mit denen die Innenräume der neuen Gebäude ausgestattet werden sollten. Erst in einer zweiten Phase wird aus der Kollektion ein modernes Einrichtungsprogramm, das heute - nach nunmehr fünfzig Jahren - zweifellos als ein wichtiges Kapitel der italienischen Designgeschichte betrachtet werden muss. Man sieht es der Kollektion an, dass sie mehr als eine Wurzel hat und fast immer an ein Konzept des architektonischen Raums gebunden ist.
Experiment und Eleganz, Maß und Wesentlichkeit sowie Erfindung kennzeichnen die Stücke, die Azucena - stets unter Einbeziehung eines innenarchitektonischen Konzepts, auf das sie sich in ihrer konzeptionellen und gegenständlichen Intensität beziehen - entworfen hat. „Azucena", so Marco Romanelli, „ist ein Symbol für einen bestimmten Typ der Projektierung, die für das verbesserte italienische Design charakteristisch ist, eine Projektierung, die stets ihre Wurzeln in der Dimension der Innenarchitektur findet oder diese als ihren Kern begreift: Eine Kontrollmöglichkeit und eine Phantasie, die gleichzeitig von der Umwelt zum Objekt und vom Objekt zur Umwelt führen."
Mehr als zweihundertvierzig Objekte hat Caccia entworfen, die - wenn auch für bestimmte Zwecke und als fristgerecht zu liefernde Teile von Einzelprojekten hergestellt - stets für die Vervielfältigung und die Serienproduktion gedacht sind. Denn obgleich er sich gern als „barock" bezeichnet, „in dem Sinn, dass der Barock auf seine Art am rigorosesten, am stärksten und am urbansten von allen Stilen ist - die Strudel der Flüsse, die Autobahndreiecke sind von ihrem Wesen her barock... und wie schön sie sind ... und wie funktional sie sind" - ist Design für Luigi Caccia Dominioni vor allem geprägt von Einfachheit. „Alles, was nicht unbedingt notwendig ist, muss weggenommen und das Objekt auf sein Wesen reduziert werden. Es geht also darum, dass Objekt so zu gestalten, dass es für den Zweck, zu dem es bestimmt ist, geeignet ist und erst danach, eventuell, etwas hinzufügen. Aber bitte in Maßen."