NACHHALTIGKEIT
Zurück auf Los
Anna Moldenhauer: Wie sind Sie auf das Thema "Architecture Connecting" (Architektur verbindet) gekommen, gab es einen Schlüsselmoment?
Mette Marie Kallehauge: Die Idee basiert auf unserer vorherigen Ausstellungsserie "The Architect’s Studio", bei der wir jeweils die Architektur eines Studios betrachtet haben, das mit nachhaltiger und sozial bewusster Architektur neue Maßstäbe setzt und sich den Herausforderungen der Globalisierung stellt. Besonders in der Ausstellung zu "Forensic Architecture", einer interdisziplinäre Forschungsgruppe, hat sich gezeigt, dass es Felder gibt, die die vermeintlichen Grenzen erweitern, was Architektur ist und sein kann. Forensic Architecture nutzt die Werkzeuge der Architektur, wie Kartierung und 3D-Rekonstruktionen, um Menschenrechtsverletzungen nachzuweisen. Ihre Ergebnisse helfen, komplexe Prozesse zu verstehen und zeigen, wie ArchitektInnen auf tiefgreifende politische Probleme reagieren können. Sie arbeiten investigativ und stellen Verbindungen zwischen vielen Wissensgebieten her. Ihre Arbeit unterstreicht die Notwendigkeit, die Architektur zu verändern. Angesichts des Klimawandels und des Rückgangs der Artenvielfalt, zwei wichtige Themen im Zeitalter des Anthropozäns, müssen wir viel interdisziplinärer arbeiten, um die Zukunft zu meistern. Deshalb nutzen wir diese neue Ausstellungsreihe, um die Verbindung zwischen Architektur und den Naturwissenschaften hervorzuheben. Die erste Ausgabe befasst sich mit "lebenden Strukturen", also damit, wie Architektur mit Biologie verbunden ist und wie eine zukünftige Zusammenarbeit zwischen ArchitektInnen und NaturwissenschaftlerInnen aussehen könnte.
In der Ausstellung werden die Arbeiten von ecoLogic Studio, Atelier LUMA und Jenny Sabin Studio gezeigt, warum haben Sie sich für diese entschieden?
Mette Marie Kallehauge: Die Arbeit aller drei Studios basiert auf Forschung, sie konzentrieren sich nicht nur auf traditionelle Verfahren und Materialien. Sie sind daran interessiert, die Disziplin von Grund auf neu zu erfinden. Diese Studios arbeiten mit Menschen aus der Architektur, mit BiologInnen, MathematikerInnen und DatenwissenschaftlerInnen zusammen. Das Labor ist Teil ihrer Methodik, und die Ausstellung zielt darauf ab, diese Prozesse sichtbarer zu machen. Ihre Arbeit mit der Biologie geht auf das Wesentliche zurück – wie beim Erlernen einer neuen Sprache fangen sie bei Null an. Überraschend ist der sehr kleine Maßstab, in dem die drei Studios arbeiten. Jenny Sabin beispielsweise forscht auf zellulärer Ebene, um die Rückkopplungsprozesse in der Natur zu verstehen, die es Organismen ermöglichen, sich an Umweltveränderungen anzupassen. Das Wissen über die Gestaltung der Natur kann so in neue intelligente Formen und Materialien umgesetzt werden. Es ist der Beginn einer neuen Denkweise in der Architektur.
Die Ateliers haben für die Ausstellung eigene Werke geschaffen, wie die Installation "Deep Forest" von ecoLogicStudio, der 3D-gedruckte Ziegelstein von Atelier LUMA, welcher größtenteils aus lokalen Papier- und Kartonabfällen besteht und mit pflanzlichen Farbstoffen aus der Umgebung des Museums gefärbt wird. Oder die Arbeit von Jenny Sabin Studio, die die Ausstellung als dynamischen biologischen Raum analysieren wird. Welches Briefing haben die Kreativen erhalten?
Mette Marie Kallehauge: Der Prozess ist immer gemeinschaftlich und Louisiana bietet die Rahmenbedingungen, die die Studios als Ausgangspunkt nutzen können. Ziel ist es, ihre Praxis zu entfalten und zu zeigen, wie sie mit Forschung arbeiten. Die Studios erarbeiten das Konzept selbst und dann entwickeln wir es gemeinsam. ecoLogicStudio hat beispielsweise eine Rauminstallation geschaffen, die eine immersive, persönliche Erfahrung bietet. Es geht darum, Biologie und nachhaltige Architektur auf allen Ebenen zu verstehen und zu erleben, jenseits unseres rationalen Verständnisses. Atelier LUMA arbeitet überwiegend mit Materialien und Objekten – einer ihrer "Humlebaek-Ziegelsteine" wird zweimal täglich in der Ausstellung mit einem 3D-Drucker hergestellt und besteht hauptsächlich aus recyceltem Abfall, wie Papier aus dem Museum. Forschung hat aufgrund der langen Zeitperspektiven im Allgemeinen einen anderen zeitlichen Rhythmus. Die Ausstellung zeigt, wie vielfältig diese Forschung zugunsten einer nachhaltigen Architektur sein kann. Diese Erkenntnisse sind sicherlich auch für die neue Generation von ArchitektInnen wichtig.
Stichwort Ausbildung – wie würde sich die Rolle der ArchitektInnen und DesignerInnen verändern, wenn der interdisziplinäre Ansatz bereits Teil der Ausbildung wäre?
Mette Marie Kallehauge: Man sollte meinen, dass dies bereits der Fall sein sollte, aber in der Tat sind die traditionellen Architekturstudios und die Bauindustrie – und das zu Recht – sehr auf die Realisierung von Gebäuden fokussiert. Die Arbeit der Studios ist daher auch eine Form der Kritik an der Arbeitsweise der Bauindustrie. Die Frage ist, ob wir in der Lage sind, Natur in der Architektur nicht nur als Bäume, Parks und Grünflächen zu sehen, sondern die Synthese zwischen Natur und Mensch zu berücksichtigen. Die Ansätze sind da, aber wir brauchen mehr Offenheit in den Diskussionen zwischen den Geisteswissenschaften, wie der Anthropologie, den Sozialwissenschaften und den Naturwissenschaften. In der Ausstellung gehen wir ins Detail, betrachten die Intelligenz von Organismen, ohne die wir selbst nicht existieren würden. Die Netzwerke dieser Organismen lassen sich auf die Arbeit der vorgestellten Ateliers übertragen, wie zum Beispiel das Atelier LUMA, das Materialien verwendet, die lokal verfügbar sind, aber auch die Vernetzung in soziale Strukturen einbezieht, um eine Optimierung zu erreichen. Es geht also nicht nur um Nachahmung. Wir verwenden das Wort "Nachhaltigkeit" nicht gern, weil es zu einem Modewort geworden ist. Auch "Zirkularität" sehen wir kritisch, weil Materialien wie Plastik nicht ewig wiederverwendet werden können. Die Frage sollte nicht lauten, wie oft man das umweltschädliche Material recyceln kann, sondern wie man es durch eine bessere Alternative ersetzen kann. Der interdisziplinäre Ansatz wird den ArchitektInnen hoffentlich die Freiheit geben, mit mehr Sensibilität zu handeln, und ihnen die Werkzeuge an die Hand geben, um das notwendige Wissen zu suchen, das nur von anderen WissenschaftlerInnen beigesteuert werden kann.
Unsere Gegenwart ist geprägt von vielen Herausforderungen wie Ressourcenkonflikte, zu wenig und zu teurer Wohnraum, Umweltkatastrophen. Inwieweit kann "Architecture Connecting" hier neue Perspektiven schaffen?
Mette Marie Kallehauge: Bei den vorgestellten Projekten handelt es sich oft um Prototypen oder Einblicke in Entwicklungen, da für die Schaffung eines neuen Systems für die Produktion und Entwicklung von Baumaterialien viel Forschungsarbeit erforderlich ist. Die meisten Projekte der drei Studios zielen jedoch darauf ab, die Materialien im Laufe der Zeit in industriellem Maßstab herstellen zu können. Es geht nicht nur darum, zur Natur zurückzukehren und einzigartige Designstücke zu schaffen, sondern auch darum, digitale Werkzeuge, Algorithmen und Prozesse zu optimieren, um einen Beitrag zur bebauten Umwelt im Allgemeinen zu leisten. Die Präsentationen der drei Studios sind hoffentlich nur die ersten Schritte in Richtung einer gesünderen Bauindustrie, denen auch andere ArchitektInnen folgen werden, die mit ihrem Fachwissen zu diesen Herausforderungen beitragen.
Das Atelier LUMA hat beispielsweise einen Prototyp für Biokunststoffe entwickelt, die auf ungenutzten lokalen Ressourcen basieren. Darüber hinaus hat das Team in Zusammenarbeit mit dem dänischen Möbelhersteller Fritz Hansen ein Furnier aus dem invasiven Holz des Götterbaums kreiert, das produktiver ist als herkömmliche Holzquellen. Gab es während Ihrer Recherche für die Kuration Erkenntnisse, die Ihnen besonders aufgefallen sind?
Mette Marie Kallehauge: Was die Zusammenarbeit mit Atelier LUMA betrifft, so ist meiner Meinung nach die wichtigste Erkenntnis, dass man seine Sichtweise auf Ästhetik und Design ändern kann – wir müssen andere Paradigmen für Design akzeptieren. Warum nicht den berühmten dänischen Stuhl von Arne Jacobsen in Holzarten mit einem anderen Muster und einer anderen Oberfläche herstellen, nicht nur in Eiche und Buche? Unsere Wahrnehmung muss sich ändern, was Design und Architektur betrifft, aber auch unsere Wahrnehmung der Natur. Anstatt die Dinge nur auf rationaler Ebene verstehen zu wollen, müssen wir lernen, uns zu öffnen und unsere tiefe Verbindung zur Natur zu verstehen.
"Living Structures" ist die erste von insgesamt sechs Ausstellungen der neuen Reihe "Architecture Connecting" – was ist für die kommende Zeit geplant?
Mette Marie Kallehauge: Wir möchten uns die Möglichkeit offen halten, unser Programm in den kommenden Jahren flexibel an architektonische Veränderungen anzupassen, daher haben wir uns noch nicht für bestimmte Architekten und Themen entschieden. Es wird eine Ausstellung pro Jahr geben. Im Laufe der Zeit werden wir uns wahrscheinlich mit der Frage befassen, wie wir in Zukunft leben sollten. Aber auch hier sind die Themen und Perspektiven für die Reihe ein Prozess.
ARCHITECTURE CONNECTING – LIVING STRUCTURES
Bis 23 März 2025
Louisiana Museum of Modern Art
Gl Strandvej 13
3050 Humlebæk, Dänemark