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Funkiger Senior

LOT Architects haben ein altes Stadthaus in Brooklyn einer radikalen Verjüngungskur unterzogen. Das Ergebnis ist vor allem: Blau.
von Anna Moldenhauer | 05.03.2021

Bushwick gehört zum Stadtteil Brookyln im Norden von New York City, und damit zu der Seite der Multimetropole, in der alles ein wenig kreativer und entspannter funktioniert als im hektischen Manhattan. Zwar hat die Genetrifizierung auch bereits die Finger nach der bislang eher Hispanic geprägten Nachbarschaft ausgestreckt, aber sie bei weitem noch nicht so radikal verändert wie die benachbarten Stadtteile Bedford-Stuyvesant und Williamsburg. Die Mieten sind vergleichsweise geringer, die Gebäude niedriger, die Szene bunter. Der besondere Charakter des Viertels ist architektonisch bestimmt durch seine industrielle Vergangenheit als einstiges Zentrum für Bierbraukunst. Gerstensaft wird in Bushwick heute kaum noch gebraut – dafür zieren zahlreiche farbenfrohe Murals, gesprühte Wandgemälde, die Fassaden der Fabriken. In den Gebäuden haben über die Jahre kleine Galerien, Shops, Clubs und Restaurants einen Platz gefunden. Dieser kreativen Atmosphäre haben LOT Architects vor kurzem einen kräftigen Farbklecks hinzugefügt und parallel den jahrhundertealten Bestand eines Stadthauses in die Gegenwart katapultiert.

"Blue Building" nennen die Architekten den dreigeschossigen Bau, der seinem Namen alle Ehre macht: Schon von weitem leuchtet die monochrom ultramarinblaue Fassade. Von der Haustür über die Treppe, von den Mülltonnen bis zum Metallzaun – jedes Detail fügt sich passend in die blaue Fläche ein, die Farbe wird zur Camouflage. Lediglich die Fensterrahmen in Form weiß gestrichener Metallprofile unterbrechen das monochrome Erleben. Im Innenraum angekommen, wird es ruhiger: LOT Architects haben das Stadthaus bis auf das Mauerwerk entkernt und zahlreiche Zwischenwände entfernt. Jetzt dringt viel Tageslicht durch die Fenster sowie Dachluken in die Innenräume und trifft dort auf reflektierende Flächen, wie auf das Weiß der Wände und hohen Decken, das glänzende Silber der Vorhänge oder auf die transluzenten Polycarbonatpaneele, die als neu gesetzte Raumteiler dienen. Selbst der schwarz gebeizte Hartholzboden scheint so im Licht der Sonne zu leuchten. Das winzige Bad, in vielen New Yorker Apartments meist ein beengter, dusterer Ort, der nicht gerade zum Wohlfühlen einlädt, bietet eine angenehm clubige Atmosphäre: Ein Oberlicht lässt im Verbund mit einer organisch geformten Spiegelfläche den Raum voluminöser wirken. Homogenes Pfirsich-Rose sorgt parallel für eine sanfte Wohnlichkeit.

In dieser bühnenhaften Kulisse braucht es nicht viele Extras – ein Minimum an Interior, ergänzt durch ausgewählte Kunstwerke, reichen aus, um das Apartment funktional und gemütlich auszustatten. Stilbrüche sind dabei durchaus erwünscht: Das großzügige kamelfarbene Ledersofa steht so holografisch schimmernden Acrylhockern von Objects of common interest gegenüber, ohne dass der Kontrast störend wirkt. Optisch klar wird es im Innenhof: Ein alter Magnolienbaum streckt sich aus der frisch gegossenen Betonterrasse in die Höhe, die weißen Gartenmöbel sind angesichts des weiten Grau in Grau kaum auszumachen. Einzig das kräftige Blau des Fußes der Außenleuchte sticht hervor und setzt einen Verweis auf die lebendige Farbe der Fassade. Auch hier lassen LOT Architects die begrenzte Fläche mit Hilfe von Reflektion weit und tief wirken: Eine gewellte Aluminiumverkleidung umläuft den Innenhof komplett und wirkt so für die Lichtstimmungen während des Tages wie ein visueller Verstärker. Aus dem Townhaus ist so ein unkonventionelles Loft geschlüpft, das neue Wege sucht, ohne künstlich angestrengt zu wirken.