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Den Mittelpunkt des Messestandes von Leicht bildete eine eindrucksvolle Kücheninsel, die dunkles Holz, Marmor, Messing und Oberflächen in der Farbe "Umbra" aus der Kollektion "Les Couleurs Le Corbusier" kombiniert.

LIVING KITCHEN 2019
Die Krise findet nicht statt

In Köln präsentieren sich Küchenhersteller auf der Living Kitchen mit Verfeinerungen ihres Portfolios. Viele nehmen das Motto einer "grünen Küche" sehr wörtlich.
von Thomas Edelmann | 01.02.2019

Am Küchentisch mag man sich manche Erwartung drastisch ausmalen. Doch mitunter hält sich die Realität nicht an die Prognosen. Die Living Kitchen ist ein Erfolgsformat, das alle zwei Jahre der Koelnmesse besondere Besucherströme parallel zur imm cologne beschert. Vor kurzem noch wirkte diese Messe geschwächt, ja sie schien vor existentiellen Schwierigkeiten zu stehen. Bereits im November 2017 kündigte die B/S/H-Gruppe (Bosch, Siemens, Gaggenau, Neff, Constructa u.a.) an, künftig nur noch auf Messen mit noch größerer Ausstrahlung auszustellen. Sobald einer geht, überdenken andere ihr Engagement: Auch AEG und Elektrolux, Häcker, Hansgrohe, Liebherr, Miele und andere folgten dem diesjährigen Trend zum Küchen-Absentismus am Rhein. Marken aus dem Luxussegment präsentieren sich schon seit geraumer Zeit lieber im Windschatten der großen Messen in eigenen Showrooms abseits der Messehallen. Nicht der Vergleich mit anderen, sondern die exklusive Alleinstellung steht im Vordergrund der Marken-Welten, die sich so ungewollt immer mehr angleichen. Im Showroom können Marken ihre eigenen Regeln besser bestimmen, genauer auf Handelspartner eingehen, als auf einem noch so gut inszenierten Messestand. Doch der Austausch, der spontane Besuch beim Standnachbarn, unterbleibt abseits der Messe. In Köln profitiert von solchen Tendenzen immerhin das "Passagen"-Programm. Wer nach Neuem in Sachen Küchen sucht, wird im Messeumfeld selten fündig: Bei Hausmessen am Firmensitz präsentieren die Küchenanbieter Fachleuten ihre neusten Produkte, lange bevor diese das größere Publikum auch auf Messen oder in Flagship Stores erkunden darf.

Der Kochtisch ist ein charakteristisches Designelement in den Küchen des Herstellers next125. Auf der Living Kitchen präsentierte das Unternehmen ihn im Zusammenspiel mit Smart Home-Anwendungen.

Der Niedergang der Living Kitchen schien unabwendbar – und blieb dennoch aus. Laut Koelnmesse kamen insgesamt 150.000 Besucher zu imm cologne und Living Kitchen. Aussteller, die dem Standort Köln treu blieben, wurden mit ungeteilter Aufmerksamkeit belohnt. Die Messe nutzte freigewordene Flächen etwa für die Teilnehmer des Nachwuchswettbewerbs "Pure Talents Contest" aus dem Küchenumfeld. Dort wurde Maxime Augay, Absolvent der ECAL aus Lausanne für seinen mobilen handlichen Dunstabzug für kleine Küchen ausgezeichnet. Formal erinnert das Objekt an eine Kombination aus Dyson-Fön und Nachttischlampe, Luft strömt durch herausnehmbare Filter aus Edelstahl und Aktivkohle.

Alfredo Häberli schuf mit seiner Inszenierung einer "Future Kitchen" eine abstrakte Raumfolge, die andeutet, wie sich Entwurfspraktiken, aber auch die Einrichtung von Küchen in nächster Zeit verändern könnten. Digital wird dem Besucher deutlich, welche gestalterischen Alternativen es gibt oder geben sollte. So visionär die per App dargestellten schwebende Küchengeräte, transparenten Kühlschränke, die Wassersammler sowie neue Methoden der Abfallverwertung und des Urban Farming im Messekontext erscheinen: Das Zukunftsbild dürfte in der einen oder anderen Weise bald schon Realität werden. Fragt sich nur, ob damit eine Erweiterung von Freiheitsspielräumen verbunden ist oder doch die Einschränkung auf die jeweils digital durchdeklinierte abgeschlossene Welt einer Marke.

Die massiven Dreischichtplatte, die Team 7 als Messeneuheit auf der Living Kitchen 2019 vorgestellt, kann vielseitig eingesetzt werden - hier etwa als auskragender Küchentresen.

Im Vergleich wirken die aktuellen Produkte geradezu brav. Wie seit langem bei den Möbeln muss man auch bei der Living Kitchen schon genau hinsehen, um Neues zu entdecken. Es ist ein "Höher, Schöner, Weiter", mit dem die Küchenbranche die Positionierung ihrer Produkte verändert, um wettbewerbsfähig zu bleiben. An die Stelle traditioneller Standardprodukte treten durchweg in Stilwelten eingepasste Komponenten, Oberflächen und Ausbauelemente. Der Mensch als Störenfried ist nahezu ausgeschaltet, was die ebenmäßigen Oberflächen seiner XXL-Küchenfronten und Arbeitsflächen im Aussehen wertvoller Steinmaterialien angeht. Verbundstoffe wie Fenix entfalten ihre seidenmatten Effekte ohne jegliche Beeinträchtigung durch menschliche Fettfinger.

Mit seinem Messeauftritt wendet sich Küchenhersteller Leicht konsequent an architekturaffine, stilistisch anspruchsvolle und kaufkräftige Kunden. Nicht einzelne Modellreihen, sondern die innenarchitektonische Inszenierung steht folglich im Zentrum des Standes, gestaltet von Angelika Ertl (Studio Raumweise Innenarchitektur, Stuttgart). Leicht unterstreicht die eigene Kompetenz, mit seinen Möbelprogrammen nicht nur die Küche als Lebensmittelpunkt, sondern den Innenausbau der Wohnräume planen zu können. Das reicht von der "Werkbank" mit angeschlossener Bartheke bis zum raumprägenden Inselblock, unter dem Stichwort "Barrique" vorgestellt und mit Fronten aus dunklen Hölzern und der Farbe "Umbra" aus der Kollektion Les Coleures Le Corbusier gestaltet. Eindrucksvoll, wenngleich nicht besonders funktional, ist dabei die Granitspüle mit goldglänzender Armatur an der Stirnseite des Küchenblocks angebracht.

Während Leicht von der Küche aus den Wohnraum bespielt, zeigen in den Möbelhallen italienische Hersteller wie B&B Italia, Molteni oder Poliform, wie gut sich deren Küchenmarken Arclinea und Dada in durchgestylte Wohnwelten einfügen. Boffi präsentiert im Showroom in der Stadt die neueste Küche von Norbert Wangen, das Modell K6.

Kochen Sie noch, oder wohnen Sie in der Küche? – Angesichts der auf der Messe dominierenden Verschmelzung von Wohnraum und Küche fragt sich, wie man die Statistik der Marktforscher von GfK lesen soll, wonach Deutsche im Schnitt fünfeinhalb Stunden pro Woche in der Küche verbringen, gut eine Stunde weniger als der weltweite Durchschnitt? Entweder stimmt die Statistik nicht oder der Einrichtungstrend ist doch eher etwas fürs Auge als für die Küchenrealität der befragten Klientel.

In ihrem "Haus" auf der imm cologne entwarfen Kate und Joel Booy die Küche mit Elementen von Alpes Knox und Armaturen von Grohe als Mittelpunkt eines großen Allraums.

Auch der Bereich der Küchentechnik, der im Living Kitchen-Jahr 2019 die meisten traditionellen Aussteller einbüßte, bietet beachtenswerte Neuerungen. So stellt Bora eine neue, preisgünstigere vierte Linie des flächenbündig ins Kochfeld integrierten Dunstabzugs vor. "Pure" heißt die neue Modellreihe und soll das Kochen, bei dem man sich nicht an Abzugshauben stößt, für viele noch erschwinglicher machen – "für jede Küche" wie es bei Bora selbstbewusst heißt. "Pure" hat eine automatische, gewohnt leise Abzugssteuerung, einen vergleichsweise leicht auswechselbaren Aktivkohlefilter und ist einfach zu reinigen. Zudem kann die Farbe der Abdeckung der Einströmöffnung entsprechend dem eigenen Kochgeschirr gewählt werden. So machen nicht allein Sportsgeist und Gastfreundschaft des Bora-Gründers und Geschäftsführers Willi Bruckbauer den Messestand zu einem angenehmen Anlaufpunkt der diesjährigen Messe.

Die Firma Blanco, einst vor allem als Zulieferer für Edelstahl-Spülen bekannt, bietet eine breite Palette an Materialien für unterschiedlichste Spülen vom Verbundmaterial Silgranit, beispielsweise im "Beton-Style", Becken mit unterschiedlichen Funktionsebenen und entsprechendem Zubehör von Schneidbrettern bis zu Ablagen, um diese bespielen zu können. Auch neue "smarte", weil sensorgesteuerte Armaturen gehören zum Programm. Ihre puristisch gestalteten Formen sind längst vertraut. Neu sind hier fein dosierbare Steuerelemente. So lässt sich bei "Blanco Evol-S" per Drehrad eine bestimmte Wassermenge vorauswählen, die anschließend durch Antippen eines Steuerelements als "exakt gewünschte Dosis Wasser" abgerufen werden kann. Technik ersetzt, was früher ein Blick auf den Messbecher vermochte. Immerhin gelingt das, ohne zuvor mit dem Internet Verbindung aufzunehmen.

Bei Team 7 – die österreichische Massivholzmarke feiert heuer ihr krummes 60jähriges Bestehen – sind es nicht die ganz neuen Küchenmodelle, sondern Innovationen im Detail, die Aufmerksamkeit verlangen: So gibt es neue Einsätze für Schubläden für Utensilien aller Art. Nachdem in den letzten Jahren immer feinere Wandstärken gefordert waren, demonstriert die 3-Schicht oder G3-Platte Materialstärken von bis zu 7,9 cm in allen Holzarten, die das Unternehmen verarbeitet. Damit lassen sich auskragende Borde, Anbautische, beleuchtete deckenhängende Ablagen oder Bartresen konstruieren, was auf dem Messestand so vielfältig wie eindrucksvoll demonstriert wird.

Boras neues Kochfeld "Pure" ist das neue Einstiegsmodell des Branchenprimus im Bereich der integrierten Dunstabzüge.

Auch außerhalb der Living Kitchen werden Küchen zum Einrichtungsthema. "Das Haus" von Studio Truly Truly, es ist bereits das achte seiner Art, bildet die stählerne Küche, die auf gefließten Säulen ruht zusammen mit benachbarten Zonen fürs Essen und Entspannen ein Zentrum der fließenden Raumfolge. Die Designer Kate und Joey Booy aus Australien, die seit 2015 in Rotterdam leben und arbeiten, wählten eine zu ihrem Entwurf passende "Freestanding kitchen" von Alpes Inox, Armaturen ihres schmalen Arbeitsbereichs stammen von Grohe.

Ein von dicht stehenden Grünpflanzen umgebener Rückzugsraum bildet einen Gegenpol zu dieser Aktivitätszone. Sprießendes Grün im Innenraum ist auf dieser Messe gelegentlich zu sehen – oft am Rande der Küche. So bietet Lasfera aus Köln-Ehrenfeld "Cube Planted", bewegliche Aluminium- oder Cortenstahl-Rahmen nebst Pflanzen zur beleuchteten Raumbepflanzung, sowie Verbesserung von Akustik und Mikroklima. Grün aller Orten: Auch automatisierte Gestelle im Kühlschrankformat fürs "Personal Vertical Farming" des Start-up "Agrilution", das Studierende der TU München gründeten, präsentierte sich im Rahmen der Living Kitchen. Spitzenköche und Privatleute können sich damit – per App überwacht – wohlschmeckende Kräuter für den eigenen Bedarf heranziehen, um ihren Speisen bislang ungewohnte und frische Geschmacksnoten zu verpassen.

Der Küchentisch von einst verwandelt sich, wird zur Bartheke, ein agiler Ort inmitten einer Wohnlandschaft, wenn es nach den Ausstellern der Living Kitchen 2019 geht. Und alle, die diesmal nicht kamen, können sich schon überlegen, wie sie in zwei Jahren ihre Rückkehr nach Köln vorbereiten.

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